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Müll am Strand von LA

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Roman Köster: "Müll. Eine schmutzige Geschichte der Menschheit"

Roman Köster: "Müll. Eine schmutzige Geschichte der Menschheit"

Aus den Augen, aus dem Sinn: So entsorgen wir so schnell wie möglich alles, was wir als Müll deklariert haben. Der Münchner Historiker Roman Köster aber widmet unseren Hinterlassenschaften ein Buch: "Müll. Eine schmutzige Geschichte der Menschheit".

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

Wir reden gern vom "Müllhaufen der Geschichte", auf den Überkommenes, Veraltetes geworfen gehört. Dass der Müllhaufen selbst eine Geschichte hat, eine weit zurückreichende und oft übelriechende zumal, davon berichtet der Historiker Roman Köster in seinem Buch "Müll. Eine schmutzige Geschichte der Menschheit".

  • Zum Artikel "Haushaltsmüll: Die Bayern werfen am meisten weg"

Was nutzlos gewordene Dinge erzählen

Entscheidend für sein Buch war, so Köster, die Feststellung, dass es sich bei allem, was die Archäologie ausgräbt – sieht man mal von vergrabenen Schätzen und Gräbern ab – im Grunde um Müll handele: Dinge, die nutzlos geworden sind, sonst wären sie nicht weggeworfen worden. "Insofern sagt Müll etwas aus über unsere Gesellschaften, er sagt etwas aus darüber, was wir als wertvoll, als nutzlos, als gebrauchswertlos empfinden. Das war für mich der Ausgangspunkt, gewissermaßen eine andere Geschichte der Menschheit zu schreiben."

Wenn man über die Jahrhunderte hinweg auf den Umgang des Menschen mit Abfall, Unrat, Kehricht schaut, dann fällt schon auf, dass die Menschen zu unterschiedlichen Zeiten unterschiedlich damit umgegangen sind. Nicht immer herrschte die "Ex und hopp"-Mentalität der Wegwerfgesellschaft.

Recycling aus Not

Allerdings warnt Roman Köster davor, die Vergangenheit zu idealisieren und vormoderne Gesellschaften der Antike oder des Mittelalters zu "Recyclinggesellschaften" avant la lettre zu erklären, die sich durch eine besondere "Nachhaltigkeitsethik" ausgezeichnet hätten. Die Wiederverwertung von Lumpen u.Ä. war nämlich der nackten Not geschuldet, nicht einer ökologischen Überzeugung.

Vormoderne Gesellschaften haben, so Köster, tatsächlich viel weniger weggeworfen und auch andere Formen von Müll produziert. Ihm sei allerdings wichtig, dagegen zu argumentieren, dass der vormoderne Mensch gewissermaßen der ethischere, der bessere Mensch gewesen sei als wir das heutzutage sind. Weil die Nachhaltigkeitsethik vormoderner Gesellschaften das Resultat einer umfassenden Knappheit des Lebensvollzugs war. Und daraus entwickelt sich mit einer gewissen Notwendigkeit auch eine gewisse Sparsamkeit und letztendlich eine Nachhaltigkeitsethik". Daher ist Köster vorsichtig, das moralisch zu überhöhen.

Müllstrudel mit Kondomen

Ein besonderes eindrückliches Sinnbild unserer Verschwendung sind die in den Ozeanen kreisenden "Müllstrudel", die in Form riesiger Plastik-Ansammlungen mitunter an die Strände gespült und entsorgt werden müssen. Roman Köster erzählt in seinem Buch auch die Geschichte einer frühen Beobachtung der Plastikverschmutzung unserer Meere aus dem Jahr 1938 durch zwei Schriftsteller. Darin geht es um einen Spaziergang, den Aldous Huxley mit Thomas Mann am Strand von Los Angeles machten.

Huxley beschreibt, dass die beiden plötzlich am Strand ganz viele weiße Gegenstände sahen, von denen sie erst dachten, das wären Raupen. "Dann stellen sie fest, es sind Millionen benutzter Kondome. Das ist eigentlich eines der ersten Fälle von Plastikverschmutzung, weil es sich um künstlich hergestelltes Latex handelt. Es zeigt, dass die Kondome nicht im Abfall landen, sondern in der Toilette runtergespült werden, und so landen sie dann über das große Abflussrohr von Los Angeles im Meer und dann am Strand. Das ist – soweit ich weiß – das erste Beispiel von Plastikmüll im Meer."

Roman Kösters Buch "Müll. Eine schmutzige Geschichte der Menschheit" ist bei C.H. Beck erschienen.

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