Eine Rubelmünze im Wert von rund einem US-Cent vor einer Dollarnote
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Dollar und Rubel: Krise am Währungsmarkt

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Rubel-Krise: Zwingt Putin Russland zum Tauschhandel?

Weil die russische Währung immer schwächer wird, hat Putin eine Zwangsbewirtschaftung von Devisen angeordnet. Russische Fachleute fürchten einen "massiven Übergang zur Tauschwirtschaft", was eine "Rückkehr zur Vergangenheit" bedeute. Das werde teuer.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Der Absturz des Rubels gegenüber dem US-Dollar hat immerhin eine gute Seite, meinte der russische Verbraucherschützer Pawel Schapkin: "In den 90er Jahren war der Dollar die entscheidende psychologische Größe, das heißt, damals kostete ein halber Lier Wodka einen Dollar. Dann war das alles vorbei. Ein Preis von 300 Rubel wird viele dazu motivieren, über alternative Alkoholquellen nachzudenken – zum Beispiel Bier und andere weniger starke Getränke. Die Konsumenten werden vor allem auf alkoholarme Cocktails, Apfelwein und Met umsteigen. Biergetränke werden oft illegal hergestellt. Sie sind billig, aber nicht immer sicher."

Auf diese eher volkstümliche Argumentation zur Rubel-Krise will sich der russische Präsident Wladimir Putin offenkundig nicht einlassen. Er ordnete per Dekret an, dass 43 russische Konzerne aus der Energie- und Rohstoffwirtschaft ihre milliardenschweren Exporterlöse für zunächst sechs Monate zwangsweise in Rubel umtauschen müssen. Damit soll der Druck auf die russische Währung gemildert werden, kremlnahe Experten hoffen darauf, dass der US-Dollar künftig nur noch rund 80 Rubel kostet. Derzeit sind es um die 100 Rubel, was die Inflation befeuert und bei den Russen für erheblichen Unmut sorgt. Nicht wenige versuchen angesichts der Währungsschwäche, ihre Rubel möglichst schnell in Devisen umzutauschen, was den Markt destabilisiert. Der genaue Inhalt von Putins Dekret soll übrigens geheim gehalten werden, wie Kremlsprecher Dmitri Peskow betonte.

"Teuer und kompliziert"

Zentralbankpräsidentin Elwira Nabiullina soll nicht sonderlich optimistisch sein, dass Putins Notbremse dem Rubel mittelfristig hilft, obwohl sie offiziell mitteilen ließ, der Schritt werde die "Effizienz" des Devisenmarkts erhöhen. Der russische Vizepremier Andrej Beloussow hoffte nach eigenen Worten, dass Putins Dekret für "seriöse Marktteilnehmer nicht zu einer Belastung" werde. Finanzfachleute unter den Bloggern fürchteten jedoch eine Rückkehr zur sowjetischen Zuständen, als die Tauschwirtschaft üblich war, wie im gesamten damaligen Ostblock: "Wenn das Ziel lediglich darin besteht, die Verwendung 'toxischer' Währungen im internationalen Handel zu vermeiden, erscheint eine solche Zahlungsmethode [der Tauschhandel] tatsächlich effektiv und vielversprechend. Doch auch aufgrund der Erfahrungen vieler Unternehmer mit Tauschgeschäften in den 90er Jahren lässt sich sowohl von einem hohen Interesse sehr weniger Einzelpersonen an solchen Abrechnungen, als auch von deren geringer Effizienz und negativen Auswirkungen auf die Wirtschaft sprechen."

Eine Tauschwirtschaft werde für Russland teuer und kompliziert, hieß es. Vermittler verlangten hohe Provisionen und würden ihren Informationsvorsprung im Einzelfall ausnutzen. Die Kosten hätten russische Verbraucher zu tragen. Konkret sei es eine "Rückkehr in die Vergangenheit", bei der die Banken eine immer geringere politische Rolle spielten.

"Kapitalflucht mit voller Zustimmung der Behörden"

Putins Dekret sei zwar "besser als nichts", argumentierte ein kundiger Blogger, erinnerte jedoch daran, dass die betroffenen Konzerne einen Großteil ihrer Deviseneinnahmen gar nicht ohne Weiteres in Rubel umtauschen könnten, weil es sich teils um Währungen handle, die nicht frei konvertierbar seien, etwa die indische Rupie oder der chinesische Yuan. Eine Zwangsbewirtschaftung der Devisen sei daher weit weniger wirkungsvoll als noch im vergangenen Jahr.

Allerdings steht Putin unter Handlungsdruck, denn im März will er sich wiederwählen lassen, angeblich mit einem angepeilten Ergebnis von rund 85 Prozent, da ist der Unmut der Russen wegen der beschleunigten Inflation hinderlich: "Es muss klar sein, dass diese Entscheidung weitgehend von politischen Erwägungen bestimmt wird. Bis zur Wahl des Staatsoberhauptes muss der Rubel-Wechselkurs unter der psychologischen Marke von 100 [pro Dollar] gehalten werden. Nach den Wahlen darf die Landeswährung wieder frei schwanken. Wären Putin und seine Regierung wirklich besorgt über den Wechselkurs des Rubels, hätten sie die Kapitalflucht blockiert. Das Kapital verlässt Russland aber mit voller Zustimmung der Behörden."

"Jetzt wird es Bußgelder geben"

Einer der Beobachter schrieb denkbar lakonisch: "Die allgemeine Schlussfolgerung ist ziemlich banal. Es ist jetzt offiziell anerkannt, dass die Wirtschaft Fieber hat. Denn die Maßnahme ist außergewöhnlich. Das stärkste Antibiotikum. Es wird äußerst selten verschrieben." Mit der von Putins Propaganda beschworenen "Ent-Dollarisierung" des Landes sei es ganz offenkundig nicht weit her, wenn die amerikanische Währung so begehrt sei, dass der Kreml jetzt schon versuche, ihrer zwangsweise habhaft zu werden.

Die Maßnahme sei an sich richtig, um die russische Wirtschaft zu stabilisieren, meinte ein Blogger, habe allerdings ein großes Problem: Die russischen Exporteure ignorierten sie: "Nur der Offshore-Gott weiß, wie viel Devisen eingenommen werden." Weil viele Auslandsgeschäfte über Drittfirmen liefen, um Sanktionen zu umgehen, sei die Überwachung schwer. Wirtschaftsfachmann Denis Rakscha sagte in einem Radiointerview: "Wenn es keine Strafe für einen Verstoß gegen die Vereinbarung gibt, wird diese nicht erfüllt. Das ist die einfache menschliche Erklärung dafür, warum es nicht möglich war, eine 'informelle' Einigung mit den Exporteuren zu erzielen. Jetzt wird es Bußgelder geben."

"Macht Geschäft zu einem Chaos"

Sehr optimistisch zeigte sich Kollege Albert Bikbow nicht: Es gebe tausende von Möglichkeiten, Putins Dekret zu umgehen, darunter den erwähnten Tauschhandel, Wechselgeschäfte: "Die List wird siegen. Wohin wird das alles führen? Zu einem Rückgang der Deviseneinnahmen ins Land. Und in der Folge zu einem weiteren Anstieg der Wechselkurse. Diese Kurse werden wie eine Rakete abheben. Wenn jemand versucht, den Mark außer Kraft zu setzen, gewinnt immer der Markt. Es sei denn, wir kehren zur Planwirtschaft zurück. Aber das ist eine ganz andere Geschichte."

Wenn Putin vorhabe, jedem russischen Exporteur einen Aufpasser beizustellen, werde das die wirtschaftlichen Probleme nur verschlimmern, pflichtete ein Blogger bei: "Das macht das Geschäft, gelinde gesagt, zu einem Chaos. Mit einem Wort, niemand hat damit gerechnet. Der zentrale Punkt sind die psychologischen Auswirkungen auf die Unternehmen." Ökonom Anton Ljubitsch bezweifelte, dass es "böswillige Exporteure" gebe, die ihre Deviseneinnahmen absichtlich im Ausland ließen. Vielmehr seien die traditionellen Finanzkanäle durch die Sanktionen unterbrochen: "Aus diesem Grund bleibt ein Teil der Erlöse entweder im Ausland hängen oder gelangt in den Schattenumlauf." Im Übrigen helfe Putins Dekret nicht, defekte Flugzeugturbinen zu reparieren: Ein Hinweis darauf, dass die russische Wirtschaft trotz der "Grauimporte" zunehmend Probleme hat, Ersatzteile zu beschaffen.

"Ordinäre liberale Lüge"

Propagandisten bejubelten Putins Anweisung dagegen pflichtschuldig. China und Indien hätten "phänomenale Erfolge" mit der Devisenzwangsbewirtschaftung: "Die Vorstellung, dass die unbegrenzte freie Konvertierbarkeit von Währungen und ungehemmte grenzüberschreitende Kapitalflüsse ein ewiges und unverzichtbares Merkmal einer freien Wirtschaft seien, ist eine ordinäre liberale Lüge, eines der vielen Propagandaphantome, die von denen unterstützt werden, die die russische Wirtschaft absichtlich und bewusst seit mehr als einem Jahrzehnt ruiniert haben." Offene Finanzmärkte seien in Kriegszeiten geradezu "Sabotage", und in den neunziger Jahren sei Russland von "Spekulanten" regiert worden.

Mit dem Rubel haderte übrigens schon der legendäre Lyriker und berühmte "Futurist" Wladimir Majakowski (1893 - 1930). Er arbeitete in der ganz jungen Sowjetunion als Werbetexter. Nachdem er 1923 für einen Slogan gerade mal drei Rubel bekommen hatte, soll er gesagt haben: "In Amerika zahlen sie Hunderte und Tausende Dollar für solche Leistungen. Wir sollten alle für unsere Arbeit fair bezahlt werden."

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