Jasper Döninghaus hat es geschafft. Er hat ein Master-Stipendium im Bereich Public Policy erhalten. Aber nicht irgendwo. Seit August ist er da, wo die Führungskräfte von morgen hinwollen und herkommen - an der Harvard-University Boston, Massachusetts. Das Ergebnis der US-Präsidentschaftswahl hat er hautnah mitbekommen. Als er in die Uni gegangen sei, "standen dann schon so große schwarze Banner, wo dann draufstand: 'Democracy – the day after'". Viele Professoren hätten den Unterricht abgesagt, um den Leuten den Raum zu bieten, zu reden: "Ein Gefühl, wie wenn jemand gestorben wäre."
Ein ähnliches Gefühl habe sich auch in deutschen Hörsälen breit gemacht, so Heike Paul, Professorin für Amerikanistik an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Zwar würden nicht alle Donald Trump als US-Präsidenten gleichermaßen bedrohlich finden, "aber es überwog schon die Sorge, was jetzt kommt".
Sorgenvolle Blicke in Richtung USA
Und tatsächlich könnte die Zukunft so mancher Universität in den USA etwas düster aussehen, sagt Paul. "Gerade in republikanisch dominierten Bundesstaaten, werden die Einschränkungen spürbarer sein, was das Campusleben angeht, da sehen wir schon lange, dass an bestimmten Universitäten Gender Studies abgeschafft werden sollen, wie z.B. in Florida."
Stellt sich die Frage, wie erstrebenswert ein Auslandsaufenthalt in den USA überhaupt noch ist. Charlotte Lerg forscht im Bereich Nordamerikanische Kulturgeschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität in München und koordiniert den Erasmus- und USA-Austausch. Hätten die Dozierenden den Studierenden unter der Obama-Präsidentschaft eher einen kritischen Blick auf die USA vermitteln müssen, so merke sie jetzt, "dass auch unsere Studierenden kritischer oder auch politischer geworden sind und damit auch andere Fragen stellen und anders in die USA schauen."
Andere englischsprachige Länder werden attraktiver
Kanada und andere englischsprachige Länder gewinnen an Attraktivität. Wer indes in die USA gehe, der oder die hätten auch häufig das Bedürfnis zu verstehen, was sich dort politisch abspielt, sagt Lerg. Sie habe das Gefühl, "dass die Studenten sich das ansehen, weil sie wissen, dass es durchaus auch in Europa und auch in Deutschland Phänomene gibt, die man im Auge behalten sollte."
Das beschäftigt auch Jasper Döninghaus, der sich als Grünen-Mitglied zukünftig in der deutschen Politik sieht. In den USA lasse sich gegebenenfalls "die ein oder andere Gefahr erkennen, die dann in Europa auch noch auf uns zukommt, gerade Populismus und die Spaltung der Gesellschaft angeht".
Wobei er auch verstehe, wenn sich jemand gegen einen Aufenthalt in einem Land entscheidet, dessen Bevölkerung mehrheitlich Donald Trump gewählt hat. Jeder müsse für sich entscheiden, was er wolle: "Wenn's um 'ne gute Zeit geht, ist die USA gegebenenfalls nicht der richtige Ort im Vergleich zu Kanada. Aber wenn’s darum geht später auch einen gewissen Einfluss zu haben, ist die USA wahrscheinlich doch noch die bessere Adresse."
Im Gespräch bleiben
Charlotte Lerg und ihre Kolleginnen und Kollegen haben Studierende vor der Abreise in die USA gewarnt, Wahlkampfveranstaltungen zu besuchen und darauf hingewiesen, nicht zu unterschätzen, wie polarisiert die Gesellschaft ist. Heike Paul weist darauf hin, dass die Universitäten in den USA bereits Schauplätze von Kulturkämpfen sind.
Nichtsdestotrotz sieht sie es ähnlich wie ihre Studentinnen und Studenten. Die transatlantischen Beziehungen müssten nun umso mehr in den Mittelpunkt rücken. Denn es sei ja auch wichtig, "dass diese Programme weiterlaufen und dass diese Programme auch eine gute Basis bleiben für transatlantischen Austausch. Ich würde das jetzt nicht zu pessimistisch sehen, denn es gibt ja keine Alternative dazu, als weiter im Gespräch zu bleiben“.
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