Schauspieler John Armin Sander hält am ausgestreckten rechten Arm einen Tannenbaum an seiner Spitze fest
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John Armin Sander in einer Szene aus "Max und Moritz" am Staatstheater Augsburg

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Sinn und Unsinn des "Weihnachtsmärchens" am Theater

Sinn und Unsinn des "Weihnachtsmärchens" am Theater

Dass Weihnachten mit großen Schritten näher rückt, sieht man auch an den Theatern. Die setzen bayernweit das alljährliche Familienstück auf die Spielpläne, oft schlicht "Weihnachtsmärchen" genannt. Aber wie zeitgemäß ist diese Tradition eigentlich?

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

Fragt man Matthias Straub, Schauspieldirektor des Landestheaters Coburg, nach seiner Meinung zu Sinn und Unsinn einer alle Jahre wiederkehrenden Bühnentradition, beginnen seine Augen zu leuchten: "Es gibt Generationen, die sagen: Meine erste Berührung mit Theater war das Weihnachtsmärchen, und diese Tradition muss man pflegen, weil man das junge Publikum erreicht, ein neues Publikum erreicht. Ja, das wirkt historisch, aber man kann es sehr modern und frech und lebendig machen."

Etwas kritischer sieht es seine Kollegin Anne Richter: "Wir sind zeitgenössische Künstler, die sich mit den Problemen und Lebensrealitäten unseres Publikums beschäftigen. Und wir wissen, dass Zucker und Kitsch und Adventsstimmung nicht der Alltag unseres Publikums ist."

In Coburg ist das Weihnachtsmärchen Chefsache

Während also die Chefdramaturgin der Schauburg, des Münchner Theaters für junges Publikum, mit dem – in ihren Augen – meist faulen Zauber des Weihnachtsmärchens hadert, glaubt der Coburger Theatermacher, dass es das Zeug zur Verzauberung fürs Leben hat: "Ich erlebe so oft, wenn das Licht ausgeht, und der Vorhang geht auf... da geht ein Ahhh und Ohhh durchs Publikum. Also diese Kinder oder diese Generation erfährt zum ersten Mal Theater und wird dadurch hoffentlich auch ein bisschen angefixt und kommt gerne wieder. Bei uns ist es so: Ich mache die Inszenierung ja sogar selbst. Weil ich sage, das ist wichtig, das ist Chefsache. Natürlich bedient man ein bisschen diese Weihnachtsatmosphäre. Aber das finde ich nicht negativ. Also bei uns wird‘s der Zauberer von Oz. Es geht um Freundschaft. Es geht um Anerkennung, um Respekt voreinander. Und das macht den Kindern, glaube ich, wahnsinnig viel Spaß."

Max und Moritz in Augsburg, die Bremer Stadtmusikanten in Erlangen

In Coburg macht sich also das Mädchen Dorothy auf den Weg zum Zauberer von Oz. In Augsburg spielen auf der Bühne bereits seit ein paar Wochen Max und Moritz ihre Streiche, in Erlangen finden sich demnächst die Bremer Stadtmusikanten zusammen und in Regensburg wird das doppelte Lottchen für Verwechslungskomik sorgen. Unübersehbar: Die Vorweihnachtszeit ist Kinderbuchklassikerzeit. Kaum verwunderlich, findet Matthias Straub: "Naja, die Auswahl der Stücke zielt eigentlich immer auf die Eltern ab, weil die kaufen die Karten, die muss man erreichen mit dem Titel. Und wenn die das spannend finden, dann sind die Vorstellungen auch voll."

Und tatsächlich: Das Kalkül geht in der Regel auf. Für Schauburg-Dramaturgin Anne Richter freilich fangen die Probleme bereits bei dieser Stoffwahl an: "Man muss sehr viel Erwartungshaltung befriedigen, die was mit Nostalgie zu tun hat. Alle Erwachsenen, die ihre Kinder da reinschleppen, tun das aus nostalgischen Gründen. Und man muss die Kinder erreichen, die an der Zukunft interessiert sind. Also das ist eine inhaltliche Dichotomie, die kein Kunstwerk wirklich gut erfüllen kann."

Bitte nicht nur Kinderpunsch fürs Gemüt

Was man bei all dem nicht vergessen sollte: Das so genannte Weihnachtsmärchen ist für viele Zuschauer – egal ob jung oder alt – der einzige Termin im Jahr, an dem sie überhaupt mit Theater in Berührung kommen. Und natürlich gilt: Einmal ist besser als keinmal. Nur: Ist die Chance dann nicht verschenkt, wenn man bei der Gelegenheit sozusagen Zimtsterne und Kinderpunsch fürs Gemüt anbietet? Anne Richters Standpunkt ist klar: "Das kann man natürlich gerne machen, wenn der Zauber funktioniert. Und manchmal tut er das ja auch. Aber sehr oft ist er sehr billig hergestellt. Dementsprechend bitte, Kollegen: Nicht – nur, weil das Publikum jünger ist – die Ansprüche auch runterschrauben!"

Eine gewisse Anfälligkeit für Kitsch und Klamauk ist dem Weihnachtsmärchen in der Tat zu attestieren. Das aber, sagt Matthias Straub vom Landestheater Coburg, spräche ja nicht grundsätzlich gegen das Weihnachtsmärchen: "Es kommt wirklich drauf an, was man draus macht, welche Inhalte man da in den Fokus setzt."

Es ist nicht immer alles eitel Kerzenschein

Soll heißen: Qualität braucht nicht immer ein Maximum an Komplexität. Feelgood-Faktor und inszenatorische Sorgfalt schließen einander nicht aus. Nur weil das Weihnachtsmärchen kaum ohne Happy End denkbar ist, bedeutet das nicht, dass ernsthafte Themen komplett umschifft werden müssen. Und dann gibt es ja auch noch ein wachsendes Spielplanangebot für junges Publikum jenseits des Weihnachtsmärchens. Die meisten Bühnen in Bayern haben in den letzten zehn bis 20 Jahren ihre Kinder- und Jugendsparten ausgebaut – oder überhaupt erst ins Leben gerufen. An Problemstücken herrscht kein Mangel. Ein Rest von Heile Welt – oder besser: heilbarere Welt, denn auch im Weihnachtsstück ist nicht immer alles eitel Kerzenschein – darf da im Advent schon mal sein.

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