Tay-Tay-Mania in München, und dennoch: Nach dem Hype vorab wirkt alles etwas normaler an diesem Samstagabend im Olympiastadion. Nicht alles sind Swifties, wie die treuesten Fans von Taylor Swift genannt werden. Bei Weitem nicht alle Fans haben spezielle Outfits an, aber viel haben Glitzer im Gesicht und fast alle tragen die für Swift-Fans so typischen Freundschaftsarmbänder.
"Cruel Summer", singt Taylor Swift schon als Zweites. Es ist kein grausamer, nur ein heißer Sommerabend. Im Mittelteil des Songs werden die Fans aufgefordert, mitzusingen. Eigentlich unnötig, viele tun dies sowieso den ganzen Abend Zeile für Zeile.
"Ich liebe euch alle": Die Fans sind der Star
Als Swiftie kann man sich nicht zurücklehnen: mittanzen, mitsingen, mitfilmen. Auch wer Sitzplatzkarten hat - hier bleibt so gut wie niemand sitzen. Bei keinem anderen Popstar überlegen sich so viele Fans, wie sie sich für das Konzert stylen. Manche kommen sogar in selbstgemachten Outfits. Fan-T-Shirts tragen gar nicht mal so viele, aber zwischendurch sieht man auch mal ein rotes Trikot ihres Freundes, des Football-Stars Travis Kelce, mit der Nummer 87.
Es ist auch die innige Beziehung zu ihren Fans, die Taylor Swift zum gerade bedeutendsten Popstar der Welt machen. Nach "Champagne Problems" spenden sie ihrem Idol minutenlang Standing Ovations, weil sie längst aus den sozialen Medien wissen, dass das anderswo auch schon der Fall war. Taylor Swift dankt es ihnen auf Deutsch mit "Ich liebe euch alle". Und sie macht ein kleines Mädchen während des Songs "22" glücklich. Es darf ganz nach vorne und bekommt ihren schwarzen Hut geschenkt. Es ist einer der Momente, an denen im Stadion am lautesten gekreischt wird.
Zehn Akte, 45 Songs
"The Eras Tour" ist aufgebaut wie ein Theaterstück, wie eine Varieté-Show in zehn Akten, ihren Schaffensperioden. 45 Songs, manche gekürzt, gibt Taylor Swift zum Besten. Sie habe ein Ziel, sagt sie zu Beginn ihrer Show: Viele ihrer Songs handeln von ihrem Leben, von ihren Gefühlen oder ihren Fantasiewelten. Aber ihr Ziel sei, wenn ihre Fans die Songs in Zukunft hören, dann sollen sie sich an diesen einen Abend erinnern.
Musikalisch fallen nur ihre düsteren Elektro-Pop-Songs "... Ready For It?" und "Look What You Made Me Do" etwas aus dem Rahmen. Und es sind nicht nur ihre Hits aus dem Radio, die begeistern.
Akrobatische Einlagen und schroffe Tänzer
Die Bühne ist gigantisch, die Videowand riesengroß und auch der Boden des langen Laufstegs ist ein einziger LED-Bildschirm. Eine Holzhütte im Wald liefert die Szene für die Songs aus ihren Alben "Folklore" und "Evermore" und Taylor Swift wird zur Waldfee auf dem grün bewachsenen Dach.
Die coolste Showeinlage kommt nach ihrem Akustik-Set: Taylor Swift springt in eine Öffnung des Bodens, vorwärts in bester athletischer Haltung, so als würde sie in ein Schwimmbecken springen. Tatsächlich sieht es so aus, als würde sie unter der Bühne durchschwimmen – tolle Action, toller Trick, ein spektakulärer Stunt.
Taylor Swift teilt sich die Bühne mit ihrer diversen Crew aus mehr als einem Dutzend Tänzern und Tänzerinnen. Die bestechen auch durch ihre Mimik und haben auch mal eine Nebenrolle. Bei ihrem Hit "We Are Never Ever Getting Back Together" etwa fragt sie mittendrin einen ihrer Tänzer, und der antwortet dann immer etwas in der Landessprache. In Gelsenkirchen war es "Kannste knicken", in Hamburg "Auf gar keinen Fall". Und in München: "Verpiss dich." Eine Szene, die viral gehen dürfte.
Alles ist durchgestylt, in allem steckt Bedeutung: Was Taylor Swift während der Show trägt, erinnert an ihre jeweiligen Alben und Videos – von Märchenprinzessin über glitzerndes Hochzeitskleid und Cheerleader-Outfit (die "1989"-Ära) bis Vamp im glitzernden Schlangenlook (die "Reputation"-Ära).
Taylor Swift in Perfektion
"Schön, euch zu sehen", sagt Taylor Swift auf Deutsch zur Begrüßung. Sie strahlt, als gebe es auch am 122. Abend ihrer Tournee nichts Schöneres, als Taylor Swift zu sein und eine Show für 74.000 Fans zu spielen. Fast dreieinhalb Stunden steht sie auf der Bühne. Ihre "The Eras Tour" beeindruckt mit Perfektion, mit Liebe zum Detail, mit überraschenden Showeinlagen.
Beim vorletzten Song beginnt es zu regnen, "It's raining", sagt Taylor Swift mittendrin und freut sich. Sie liebt bekanntlich Regenkonzerte. Und wenn sie lächelt, was sie nicht so häufig tut, menschelt es auch.
Ihr erstes München-Konzert war lang, das war vorab bekannt, aber auch sehr kurzweilig. Man möchte zurückspulen, mit so vielen Eindrücken geht man nach Hause. Der Konzertfilm zur Tour erschien bereits im vergangenen Jahr.
Im Video: Fans verfolgen Konzert auf dem Olympia-Berg
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