Die Architektin Anna Heringer
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Warum die Architektin Anna Heringer mit Lehm baut

Warum die Architektin Anna Heringer mit Lehm baut

Die Architektin Anna Heringer gilt als Wegbereiterin des nachhaltigen Bauens. Weltweit hat sie Projekte aus Lehm, Ton und Bambus realisiert. Nun stellt die Ausstellung "One Planet, One Family" in München ihre Arbeiten vor.

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

Nachhaltigkeit ist ein viel strapazierter Begriff in der Architektur. Denn gut ein Drittel aller Treibhausgasemissionen eines Gebäudes entsteht vor seiner Nutzung - beim Bauen also, wie eine Studie der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) aus dem Jahr 2021 zeigt. Besonders klimaschädlich dabei, der Zement. Knapp acht Prozent der weltweiten Treibhausgas-Emissionen werden durch die Zement-Herstellung verursacht.

Die Architektin Anna Heringer hingegen setzt auf die nachhaltigen Baustoffe Lehm und Ton. Und sie baut damit weltweit. Von Bayern über Boston bis Bangladesch. Dort hat sie als 19-Jährige den Baustoff Lehm kennen und lieben gelernt. Eine Liebe, die in Deutschland nur wenige teilten und teilen. Während ihres Architekturstudiums hat das Thema Lehm keine Rolle gespielt.

  • Zum Artikel: "Mit Bambus und Lehm: Architektur, die sich in die Natur einfügt"

Tolles Raumempfinden durch Lehm

Dabei sei Lehm ein optimaler Baustoff, sagt sie. "Lehm ist unglaublich gesund. Man hat ein fantastisches Raumempfinden. Der Lehm kann Feuchtigkeit aufnehmen, wenn es zu viel Feuchtigkeit ist, und kann sie abgeben, wenn es zu wenig ist." Zudem sei Lehm ressourcenschonend, weil man ihn nicht mit hohem Energieaufwand brennen müsse wie Zement.

Lehm sei von der "Natur aus gratis gegeben" und lasse sich ganz einfach durch Handwerk veredeln. Nachhaltigkeit bedeute für sie immer auch, erstmal zu schauen, "welche Ressourcen sind lokal vorhanden? Wie kann ich aus meinen eigenen Mitteln das Beste draus schaffen? Und nicht, was kann ich mir leisten? Was kann ich kaufen?"

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In Bangladesch hat Anna Heringer ein Zentrum mit Menschen mit Behinderung gebaut.

Lehmbau ist in Vergessenheit geraten

Derzeit baut die 1977 in Rosenheim geborene Architektin Anna Heringer eine katholische Kirche in Ghana und eine in Traunstein. Der Campus St. Michael in Traunstein soll der erste freitragende Lehmbau Deutschlands werden. Doch obwohl Lehm in der Theorie überall vorhanden ist, fehlen in der Praxis die Firmen und Fachkräfte. Zu lange war der vorindustrielle Lehmbau in Vergessenheit geraten. Der Lehm auf der Baustelle in Traunstein stammt deswegen aus Voralberg in Österreich.

Neben dem Fachkräftemangel sei das Bauen mit natürlichen Rohstoffen zudem durch die "deutschen Baunormen" erschwert. "Man sieht einfach, dass unser Bausystem und unser Wirtschaftssystem nicht auf diese Strategie ausgelegt. Energiekosten sind bei uns sehr milde besteuert. CO2 ist sehr, sehr milde besteuert. Während die menschliche Energieform des Handwerks sehr hoch besteuert ist."

Dabei seien die Baustoffe, die es in einer Region gebe, Teil des kulturellen Erbes, das wir haben, sagt Heringer. "Das macht auch unsere kulturelle Vielfalt aus, dass wir uns auf das verlassen, was wir haben." Wenn man sich auf nachhaltige Baustoffe wie Lehm besinnt, müsse man gar nicht so viel importieren und sich "abhängig machen von externen Faktoren".

Lehmbau in Vergessenheit geraten

Und eines sei klar. Wenn Klima und Ressourcen geschont werden sollen, könne man nicht mehr so verschwenderisch bauen, wie es etwa im Westen üblich ist, sagt die Architektin Anna Heringer. "Um den Lehm kommen wir nicht drum herum in Zukunft, den brauchen wir definitiv als Baumaterial.“

Bis dahin muss aber noch viel Überzeugungs- und Aufklärungsarbeit geleistet werden. Lehm als Baumaterial muss erst einmal bekannt gemacht werden. Projekte wie der Campus St. Michael in Traunstein seien dafür besonders wichtig. Denn es brauche Anschauungsobjekte aus Lehm, "wo man reingehen kann, wo man spüren kann, wo man diese archaische Kraft und die Urkraft von der gestampften Erde mal richtig erlebt. Das begeistert Menschen schon. Das hat Strahlkraft. Davon bin ich überzeugt".

Architektin Anna Heringer hat die die Pläne für den ersten freitragenden Lehmbau Deutschlands entworfen.
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Architektin Anna Heringer hat die die Pläne für den ersten freitragenden Lehmbau Deutschlands entworfen.

Die Ausstellung "One Planet, One Family" von Anna Heringer ist von 17. November bis 14. Dezember 2023 im DG Kunstraum in München zu sehen.

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