Fans halten während der Show von Taylor Swift im Münchner Olympiastadion Smartphones in die Luft.
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Die Musikerin Taylor Swift tritt im Münchner Olympiastadium im Rahmen der ERAS Tour auf. Fans halten während der Show Smartphones in die Luft.

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Wie das Smartphone die Konzertkultur verändert

Wie das Smartphone die Konzertkultur verändert

Bei den Konzerten von Adele, Taylor Swift und Coldplay gibt es kein Entkommen: Ein Meer aus Smartphones filmt mit. Und das ist kein Zufall, denn vielleicht geht ja auf Social Media was viral. Werden Shows mittlerweile zum Mitfilmen designt?

Über dieses Thema berichtet: Bayern 2 Die Welt am Morgen am .

Taylor Swift setzt sich alleine mitten im Stadion an ein mit Blumen verziertes Klavier, Coldplay bringt die Arena mit 70.000 LED-Armbändern zum Leuchten und Adele verabschiedet sich mit Tränen in den Augen zum Finale bei Feuerwerk. Allesamt magische Konzert-Momente – tausendfach gefilmt mit dem hell leuchtenden Smartphone, manchmal sogar mit dem Tablet.

Coldplay feiert einen Moment ohne Smartphones

Bei der aktuellen Tour von Coldplay wird das Publikum mitten in der Show gebeten, das Handy wegzupacken. Es ist ein seltsam theatralischer Moment, bei dem Sänger Chris Martin manchmal sogar auf die Knie geht, um sein Publikum anzuflehen: "Keine Fotos, keine Kameras – wir wollen uns daran erinnern als eine Familie, als Menschen, nur für einen Song, okay?" Viele folgen seinem Aufruf und stecken das Smartphone in die Tasche. Lange wird es da aber nicht bleiben – denn die Show ist längst ausgelegt auf diese bombastischen Momente, die man unbedingt filmen und dann mit anderen teilen will.

Design für den Algorithmus

Das ist wertvolles Marketing, sagt Sooner Routhier aus Nashville. Sie gestaltet seit Jahrzehnten Licht und Video-Inhalte für einige der ganz großen Shows – für Depeche Mode, The Weeknd, Kiss und eben auch Coldplay. Die Tatsache, dass heute jeder im Publikum ein Smartphone mit Kamera dabei hat, habe ihre Arbeit stark verändert, erzählt sie dem Bayerischen Rundfunk im Interview. Sie gibt offen zu, dass die Shows meistens für den Algorithmus designt werden. "Du bist nur so gut wie die Erinnerungen an die Show, die im Internet und Fernsehen bleiben." Vorab wird also überlegt, wie sich Bühne und Hintergrund auf den Smartphone-Videos machen. "Ich würde sagen, wenn ich heute eine Show designe, dann designe ich für die Kamera."

Showdesigner: "Was könnten virale Bilder sein?"

Die Kameras denkt auch Clemens Loeffelholz von Colberg aus München mit, wenn er mit seiner Agentur Shows für die Rapstars RIN und Shirin David entwirft, oder für die Bands Bilderbuch und Silbermond. Tausende von Filmen werden jeden Abend im Publikum aufgenommen – viele davon landen bei YouTube, Instagram und TikTok. Für sein Studio ist das eine wichtige Anforderung geworden: Wie sehen die Bühne und die Show durch die Linse eines Handys aus?

Dabei spielt auch das Videoformat bei Social Media eine Rolle. "Was passiert jetzt, wenn ich im Hochformat filme: Ist dann oben und unten alles nur schwarz oder hängt da oben vielleicht auch noch irgendwas, was cool aussieht?", fragt sich Clemens Loeffelholz. Und noch ein Hintergedanke lenkt seine Arbeit: "Was könnten virale Bilder sein? Das kann man nicht abstreiten, ich glaub', das macht jeder."

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Die österreichische Musikgruppe Bilderbuch beim Green Juice Festival in Bonn

Wenn also bei großen Konzerten in den beeindruckenden Momenten tausende von Handys gezückt werden, ist das von Showdesignern und Bands voll beabsichtigt. Auch wenn sich längst nicht alle damit wohlfühlen – zum Beispiel Käthe aus München, die diesen Sommer bei vielen Konzerten und Festivals auch frustrierende Erlebnisse hatte: "Ich würde gerne einfach mal das Konzert genießen, ohne dass ich so 200 Screens vor mir hab. Das nervt!"

Neuer Trend: Smartphone-Verbot?

Tatsächlich gibt es bereits Künstlerinnen, Künstler und Veranstalter, die deshalb Smartphones ganz verbannen – und dazu zählt bei weitem nicht nur der grummelige Bob Dylan. Eine der aktuell angesagtesten Veranstaltungen heißt "Unreleased Berlin": Große Deutschrap-Stars wie Nina Chuba und Trettmann treten dort auf, aber Videos gibt es davon keine. Veranstalter und Rapper Fede hat mit diesem Konzept gute Erfahrungen gemacht: "Wir haben gesagt, fokussiert euch mal wirklich nur auf den Moment, und die Leute haben mega Bock drauf, ohne Kameras ein Konzert zu erleben, und die Artists auch."

Freuen sich also alle über ein Handyverbot? Lenkt die Möglichkeit, große Momente auf dem kleinen Bildschirm festzuhalten, zu sehr ab – uns, die Menschen um uns herum, und selbst die Stars auf der Bühne? Chris Martin von Coldplay jedenfalls erntet viel Beifall für seinen Vorschlag, mal einen Song einfach analog zu erleben. Vielleicht entsteht hier ja ein Trend: Handy in die Tasche, Hände in die Luft.

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