"Jesus liebt auch Gamer", sagt Thomas Ebinger und lacht. Er ist evangelischer Pfarrer in Kemnat in Baden-Württemberg und hat einen ganz besonderen Adventskalender initiiert: Im Online-Spiel "Minetest" – eine Open-Source-Version des bekannten Spiels Minecraft – wurde nicht nur eine Kirche virtuell nachgebaut, sondern ein ganzer biblischer Kosmos. Seit Dezember gehört dazu auch ein digitaler Adventskalender, hinter dessen Türchen sich Impulse zum Klimawandel oder biblische Geschichten verstecken - zum Miterleben und Nachspielen in der digitalen Welt.
Biblische Inhalte spielerisch vermitteln
"Ich bin Spielkind, ich probiere gerne was Neues aus", sagt Ebinger. In Computerspielen und virtuellen Welten stecken für ihn viel Kreativität und Positives. Deswegen bietet er an einer Grundschule in Ostfildern auch die Arbeitsgruppe "Reli digital" an. Hier lässt er seine Drittklässler etwa Jesus als Avatar gestalten, Nazareth nachbauen und verschiedene Bibelgeschichten am Computer nachspielen.
So lassen sich nicht nur Religionsinhalte spielerisch vermitteln, die seine Schülerinnen und Schüler im "normalen" Religionsunterricht vielleicht nicht so sehr interessiert und angesprochen hätten. Sondern auch den Umgang mit Computern lernen die Kinder nebenbei.
"Game based learning"
Dahinter steckt auch ein theoretisches Konzept: Regelmäßig ist Ebinger in engem Austausch mit Tobias Thiel, dem Studienleiter für gesellschaftspolitische Jugendbildung an der Evangelischen Akademie Sachsen-Anhalt. "Wir sprechen hier von Game based learning", sagt Tobias Thiel. "Das heißt: Wir nutzen Spiele, um Lernprozesse anzuregen, um ins Gespräch zu kommen. Das ist ja die Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen, da sind die schon unterwegs. Das ist dann nicht so viel anders als sich an einer Bushaltestelle zu treffen. Und im Spiel haben die Jugendlichen ihre eigene Kreativität, können sich selber ausdrücken und reden in ihrer Sprache. Das für Bildung zu nutzen, um miteinander ins Gespräch zu kommen, ist - glaube ich - das große Potential."
Game-Welten im analogen Gottesdienst
Als begeisterter Gamer baut der Pfarrer die virtuellen Welten, die er mit seinen Schülern oder Konfirmanden erschaffen hat, auch in seine analogen Gottesdienste ein und lässt so auch Gemeindemitglieder, die weniger Zugang zum Virtuellen haben, daran teilhaben.
Ausprobieren, spielen, neue Welten entdecken: Thomas Ebinger ist überzeugt, dass er Glaubensinhalte auf diese Weise viel einprägsamer vermitteln kann – und dass Gott mit seinem spielerischen Herangehen an den Glauben einverstanden wäre: "Gott hat die Welt so gestaltet wie einen Spielraum. Für sich und um den Menschen die Gelegenheit zu geben, diesen Spielraum zu entdecken", davon ist der Pfarrer überzeugt.
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