Dass die Ex-RAF-Terroristin Daniela Klette diese Woche nach 30 Jahren im Untergrund gefasst wurde, kam als Überraschung. Die Behörden nahmen sie in einer Wohnung in Berlin fest, anschließend wurden Waffen und Sprengmittel sichergestellt.
Eine ARD-Recherche war der Verhaftung vorangegangen: Der Podcast Legion: Most Wanted von RBB, NDR und der Produktionsfirma Undone war Klette Ende 2023 ganz nahe gekommen. Auf der Website eines Berliners Capoeira-Vereins war die 65-Jährige auf Bildern zu sehen – scheinbar arglos und unbesorgt.
Wie Journalisten die Ex-RAF-Terroristin fanden
Verantwortlich für die Verhaftung von Klette: Möglicherweise eine Software für Gesichtserkennung. Michael Colborne, ein Journalist des internationalen Recherchekollektivs Bellingcat, hatte für die Recherche des Podcasts ein Bild der Ex-RAF-Terroristin in die Software PimEyes eingespeist – diese kann nach Gesichtern im ganzen Internet suchen und diese aufspüren.
Sofort war das Ergebnis da: Daniela Klette führte eine aktive Internetpräsenz unter dem Namen Claudia Ivone – der Journalist fand nicht nur die Webseite des Sportvereins, sondern auch ein Facebook-Profil. Michael Colborne habe für die erfolgreiche Suche nach Klette nur eine halbe Stunde gebraucht, so sagte er es dem Spiegel (externer Link, Bezahl-Inhalt).
Führte Gesichtserkennung zur Verhaftung?
Es scheint nahezuliegen, dass zwischen dem Einsatz der Gesichtserkennung und der Verhaftung der Ex-RAF-Terroristin ein Zusammenhang besteht – immerhin lagen dazwischen nur einige Monate und zuvor war nach Klette 30 Jahre lang erfolglos gefahndet worden. Offiziell bestätigt ist der Zusammenhang jedoch nicht: Der Chef des Landeskriminalamts sprach nach der Verhaftung lediglich von einem "Hinweis aus der Bevölkerung".
Sollte die Gesichtserkennungs-Software wirklich zur Verhaftung geführt haben, würde das einige Fragen aufwerfen: Wie kann es sein, dass ein Journalist ohne Deutschkenntnisse eine gesuchte Ex-RAF-Terroristin im Internet finden kann, wenn die Behörden sie doch seit 30 Jahren suchen?
Gesichtserkennung als Massenphänomen
Die Software PimEyes, mit der die Verbindung zu Klette hergestellt wurde, nutzt künstliche Intelligenz, um Verbindungen zwischen Fotos im Internet herzustellen – und so Menschen auf verschiedenen Bildern aufzuspüren. Sofern ein Bild öffentlich zugänglich ist, kann es auch von PimEyes eingelesen und analysiert werden.
PimEyes wurde im Jahr 2017 als Start-up in Polen gegründet. Heute gehört es zu einem Unternehmen in Dubai. Wegen seiner undurchsichtigen Geschäftspraktiken und seines kontroversen Umgangs mit dem Datenschutz steht PimEyes immer wieder in der Kritik – der baden-württembergische Datenschutzbeauftragte Stefan Brink hatte Ende 2022 ein Bußgeldverfahren gegen das Unternehmen eröffnet.
Doch aktuell ist die Gesichtserkennungs-Software nach wie vor verfügbar – und das nicht nur für Behörden und Ermittler. Die Identifizierung von Daniela Klette ist nicht das einzige Mal, dass eine überraschende Nutzung der Gesichtserkennung zuletzt für Schlagzeilen sorgte: Im Herbst 2023 sorgte ein TikTok-Account für Aufmerksamkeit, nachdem er Aufnahmen von Taylor-Swift-Konzerten in die Software lud und Besucher identifizierte – Millionen TikTok-Nutzer schauten dabei zu.
Im Audio: Frühere RAF-Terroristin Daniela Klette festgenommen
Dieser Artikel ist erstmals am 29. Februar auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.
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