Swipen, matchen, flirten: Dating-Apps zu nutzen, kann einfach und erfreulich sein. Gut jede und jeder zweite Internetnutzer hat schon einmal Online-Dating genutzt, wie kürzlich eine Umfrage des Digitalverbands Bitkom ergab. 59 Prozent fällt es nach eigenen Worten leichter, digital Kontakte zu knüpfen.
12 bis 14 Prozent der Nutzer haben Burnout-Symptome
Doch ebenso viele Nutzer erklären, durch Online-Dating sei es schwieriger geworden, im "realen Leben" jemanden kennenzulernen - und das ist noch nicht alles: Zwölf bis 14 Prozent der Nutzerinnen und Nutzer von Dating-Apps leiden einer neuen Untersuchung zufolge sogar unter Burnout-ähnlichen Symptomen - "Online-Dating-Burnout" lautet die Diagnose.
Das Problem ist nicht zu unterschätzen, sagt die Professorin
Die Studie von Dr. Wera Aretz, Psychologie-Professorin an der Hochschule Fresenius in Köln, ist die erste in Deutschland, die sich diesem Thema aus wissenschaftlicher Perspektive widmet und vor allem herausfinden sollte, wie es zu "Online-Dating-Burnout" kommt.
Das Thema dürfe nicht kleingeredet werden, schlussfolgert Aretz aus den gewonnenen Erkenntnissen. Umgerechnet auf die Zahl derjenigen, die entsprechende Angebote nutzten, betreffe das Problem inzwischen schätzungsweise über drei Millionen Menschen.
Betroffene klagen über Müdigkeit - und Gleichgültigkeit
Als Basis für diese Annahme dient eine Online-Befragung der Fresenius-Hochschule, an der sich knapp 2.500 Personen beteiligten, rund die Hälfte davon aktive Nutzer von Online-Dating. Manche Teilnehmer berichteten auch durchaus "von tollen Erfahrungen", so Aretz, andere sagten jedoch: "Ich kann nicht mehr. Ich gebe Geld aus, investiere Zeit - und bin nur erschöpft und frustriert."
Die Symptome des digitalen Dating-Burnouts seien vergleichbar mit einem klassischen Burnout, etwa durch berufliche Überlastung, so Aretz. So schilderten Betroffene, sich müde oder überanstrengt zu fühlen. "Andere sagen: Seitdem ich Online-Dating ausübe, bin ich den Menschen gegenüber gleichgültig geworden. Es interessiert mich nicht wirklich, was aus diesen Kontakten wird", so Aretz. Mitunter sinke auch die Konzentration, Profile und Nachrichten würden nur noch flüchtig erfasst.
Online-Dating führt oft zu Erfolgsdruck
Anders als beim Burnout durch berufliche Überlastung müsse natürlich niemand Online-Dating betreiben, sagt Aretz. Zu erkennen, wann es zu viel werde, falle allerdings nicht immer leicht. Und, so die Forscherin: "Wer mit viel Hoffnung und Engagement gestartet ist, Zeit und Geld investiert hat, setzt sich selbst häufig unter Erfolgsdruck."
Online-Kontakte führen oft nicht zum Ziel
Aretz stellt dabei die Vorteile des Online-Datings nicht in Abrede. Die Plattformen seien zur Nummer Eins unter den Orten geworden, an denen Paare sich heute kennenlernten, erklärt die Psychologin. Davon profitierten "insbesondere diejenigen, die beruflich stark eingebunden sind". Auch sei es nun möglich, Kontakt zu Menschen zu finden, die man sonst nicht getroffen hätte, "der Suchradius hat sich gewissermaßen erhöht", sagt Aretz.
Zugleich sei bei den Nutzern von Dating-Portalen der Anteil von Personen mit ängstlich-vermeidendem Bindungsstil jedoch höher als bei denjenigen in einer Beziehung: "Das heißt, diejenigen suchen zwar Nähe und Kontakt, wenn dies dann aber eintritt, können sie es nicht gut ertragen und genießen, verlassen diese Konstellation also auch schneller wieder."
Es gibt Alternativen - digitale und nicht-digitale
Manche Anbieter reagierten inzwischen auf Probleme des Online-Datings, sagt Aretz. Bei bestimmten Apps etwa wische man nicht mehr zig potenzielle Partnerinnen und Partner weiter, sondern bekomme täglich nur noch einen Kontakt vorgeschlagen. Aretz verweist zudem auf Single-Reisen, Speed-Dating oder "Match Later", dessen Nutzerinnen und Nutzer sich bei eigens organisierten Events zunächst persönlich treffen und sich, wenn gewünscht, anschließend vernetzen können: "Das können interessante Alternativen sein."
Die Expertin rät: Möglichst bald real treffen
Bei Nutzung der verbreiteten Apps rät die Expertin dazu, eine reale Begegnung nicht zu lange hinauszuzögern. "Gestik, Mimik, das Verhalten einer Person fehlen im schriftlichen Austausch. Das füllen wir mit unserer Fantasie." Je farbenfroher man sich das Wunschbild ausmale, desto enttäuschender sei es, wenn die Seifenblase doch platze.
Wer wiederholt feststellt, dass die eigene Strategie nicht recht zündet, solle nicht allein den Plattformen die Schuld geben, sagt Aretz. "Sie unterstützen sicher eine gewisse Oberflächlichkeit. Aber wenn ich date, ohne mich wirklich auf jemanden einlassen zu können oder zu wollen, trage ich selbst zum Frust bei."
Mit Informationen von KNA
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!