2,5 Meter liegen zwischen Andreas Wellinger und Ryoyu Kobayashi vor dem Finale der Vierschanzentournee in Bischofshofen (Vierschanzentournee: Dreikönigsspringen in Bischofshofen am 6. Januar ab 16.30 Uhr im Liveticker). 2,5 Meter, die über einen Eintrag in die ewige Siegerliste des historischen Turniers entschieden könnten. 2,5 Meter - erst elfmal war in der 72-jährigen Geschichte der Tournee der Abstand zwischen den beiden Führenden vor dem finalen Stopp knapper.
Espen Bredsen und die unsauberen Tricks gegen Weißflog
Angesichts dieses Kopf-an-Kopf-Rennens und der Tatsache, dass zuletzt vor 30 Jahren ein Vorsprung von mehr als vier Punkten in Bischofshofen aufgeholt werden konnte, muss Wellinger jeden Vorteil nutzen, der sich ihm bietet. Zum Glück muss er dafür nicht ganz so tief in die Trickkiste greifen, wie damals der Norweger Espen Bredesen. Damit er einen Vorteil gegenüber dem Tournee-Führenden Jens Weißflog hatte, blieb Bredesens Teamkollege Lasse Ottesen solange auf dem Balken sitzen, damit sich die Windverhältnisse für den Deutschen derart verschlechterten, dass ein faires Kräftemessen nicht mehr möglich war.
Wellinger: "Werde voll aufs Pedal steigen"
Wellinger, der als äußerst fairer Sportsmann gilt, wird wohl kaum auf solche Tricksereien kommen. Gut für ihn, dass der Trumpf, den er sein eigenen nennen kann, den Namen "Paul-Außerleitner-Schanze" trägt. Die Schanze, auf der die Entscheidung der Vierschanzentournee fällt. "Ich mag Bischofshofen extrem gerne", erklärte der Ruhpoldinger. "Auf keiner anderen Schanze mache ich so viele Sprünge. Ich bin von daheim in einer Stunde da, schon als Schüler bin ich oft von Berchtesgaden dorthin zum Training gefahren."
Dass Wellinger diese Schanze liegt, zeigte er auch 2017, als er in der Qualifikation für das Dreikönigsspringen bei 144,5 Metern landete und somit den Schanzenrekord aufstellte. Wellingers beste Strategie muss also sein, sich auf sich selbst zu konzentrieren. "Ich werde voll aufs Pedal steigen und mit Selbstvertrauen das Ding raushämmern, möglichst lange in der Luft bleiben und sauber landen - und dann wird es eine Ergebnisliste geben", sagte der 28-Jährige.
Horngacher vertraut auf die "Heimschanze"
Auch Bundestrainer Stefan Horngacher sieht eine Art Heimvorteil für Wellinger. "Bischofshofen ist ein bisschen seine Heimschanze, wo er im Sommer viel trainiert und ganz gut springt. Er hat alle Möglichkeiten", sagte der Österreicher. Auf dem Podest stand der Bayer auf der Paul-Außerleitner-Schanze allerdings nur einmal, 2018 reichte es zu Rang drei. Sein Rivale Kobayashi gewann dort dagegen 2019 und 2022 und ließ Wellinger dort bei den letzten fünf Aufeinandertreffen jeweils hinter sich.
Comeback nach langer Leidenszeit: Wellinger hat nie das Lächeln verloren
Doch in den vergangenen Jahre war auch ein anderer Wellinger angetreten. Im Juli 2019 riss Wellinger das Kreuzband. Vier Jahre lang kämpfte Wellinger sich Schritt für Schritt, Sprung für Sprung, in die Weltspitze zurück, ehe ihm im Februar vergangenen Jahres das gelang, woran kaum noch jemand geglaubt hatte: Die Rückkehr auf ein Weltcuppodest. 73 Weltcup-Springen, 1.539 Tage waren vergangen, als er dort zuletzt gestanden hatte.
Und seitdem ist der Knoten bei Wellinger wieder geplatzt und er stand in großer Regelmäßigkeit auf Weltcuppodesten. Siebenmal, um genau zu sein, holte zudem bei der WM Silber im Einzel und Gold mit der Mannschaft. Schon während seinem langen Weg zurück begleitete Wellinger eine beeindruckende Leichtigkeit, die er auch seither nicht verloren hat. Und so geht der Mann vom SC Ruhpolding auch durch diese Vierschanzentournee mit der Coolness eines Mannes, der schon einmal alles verloren hat und für den alles, was kommt, ein Bonus ist. Wie auch immer das Duell um den Titel in der Vierschanzentournee in Bischofshofen ausgehen wird, eines ist sicher: Sein Lächeln wird Andreas Wellinger nicht verlieren.
Die knappsten Vorsprünge der Tournee-Geschichte vor Bischofshofen
- 0,4 Punkte: Noriaki Kasai vor Janne Ahonen (1999). Sieger: Ahonen
- 1,0 Punkte: Kazuyoshi Funaki vor Andreas Goldberger (1995). Sieger: Goldberger
- 1,2 Punkte: Veikko Kankkonen vor Przybyla (1964). Sieger: Kankkonen
- 1,5 Punkte: Jens Weißflog vor Matti Nykänen (1989). Sieger: Risto Laakkonen
- 1,7 Punkte: Daniel Andre Tande vor Kamil Stoch (2017). Sieger: Stoch
- 2,0 Punkte: Hemmo Silvennoinen vor Eino Kirjonen (1955). Sieger: Silvennoinen
- 2,0 Punkte: Jakub Janda vor Ahonen (2005). Sieger: Janda und Ahonen (punktgleich)
- 2,9 Punkte: Horst Queck vor Björn Wirkola (1970). Sieger: Queck
- 3,5 Punkte: Ernst Vettori vor Ulf Findeisen (1987). Sieger: Vettori
- 4,2 Punkte: Helmut Recknagel vor Otto Leodolter (1961). Sieger: Recknagel
- 4,5 Punkte: Asgeir Dölplads vor Sepp Bradl (1953). Sieger: Bradl
- 4,8 Punkte: Ryoyu Kobayashi vor Andreas Wellinger (2023). Sieger: offen