Das, was sich auf dem Rasen der Münchner Arena abspielte, wirkte wie die Idee davon, was hätte sein können. Beim 3:0 über Lazio Rom zeigte ein zeitweise furios aufspielender FC Bayern München eine dieser magischen Europapokal-Nächte, für die er national wie international bekannt, geliebt oder gefürchtet ist.
Die wirbelnde Offensive um die trickreichen Jamal Musiala und Leroy Sané, angeführt von einem noch unaufhaltsamen Thomas Müller und vollendet vom eiskalten Stürmerstar Harry Kane. Eine stabile Defensive, die sich (fast) keine Blöße gab, den Vorsprung souverän verteidigte und die Hoffnung mit jeder Minute, die verging, aus den Römern saugte. Und ein Trainer, dessen Taktikkniffe vollends aufgingen.
Gegen Lazio waren die Gründe für das Tuchel-Aus plötzlich egal
So hatten sich wohl alle an der Säbener Straße den neuen Alltag vorgestellt, als sie vor nicht einmal zwölf Monaten den Weltclubtrainer von 2021, Thomas Tuchel, als neuen Übungsleiter präsentierten. Wie hinlänglich bekannt ist, ist diese Hoffnung nicht ganz in Erfüllung gegangen. Dauerhafte Verletzungssorgen in einem dünnen Kader, Erfolgs-gesättigte Stars mit einem akuten Hang zur Unzufriedenheit, ein Trainer, der nie wirklich über seine Unzufriedenheit mit dem Spielermaterial hinweg kam, andauernde Führungsbeben, ein brillantes Leverkusen, Vereinspolitik ... Die Gründe, warum Tuchels Zeit in München schon im Juni wieder endet, sind zahlreich.
All diese Gründe spielten an diesem Dienstagabend gegen Rom plötzlich keine Rolle mehr. Die Ersatzbank war ausnahmsweise relativ prominent besetzt, sodass Tuchel Auswahlmöglichkeiten in der Verteidigung hatte. Zudem machte sich bei den eingesessenen Stars offenbar allmählich die Erkenntnis breit, dass tatsächlich eine titellose Saison bevorsteht.
Tuchel traf mutige Entscheidungen und schob – wie es auf der Pressekonferenz vor dem Freiburg-Spiel wirkte – mit einer gewissen Trotzigkeit Joshua Kimmich auf die Rechtsverteidigerposition. Damit stabilisierte er die Verteidigung und beflügelte den Spielaufbau. Auf der Führungsebene herrscht seit Eberls Ankunft langfristige Klarheit. Und in der Champions League ist auch weit und breit kein brillantes Bayer Leverkusen in Sicht, das einfach nicht verlieren will.
Kane: "Nächte wie heute können eine Saison verändern"
Die Folge sah man auf dem Platz: Spielfreude, unterdrückte Egos, Zusammenhalt und klare Hierarchien. Der FC Bayern spielte, als hätte er begriffen, wie ernst die Situation ist und dass man nun als Einheit auftreten muss, um diese Saison nicht schon im März endgültig an die Wand zu fahren.
"Es war ein perfekter Abend für uns", sagte Harry Kane, der mit zwei Treffern daran einen erheblichen Anteil hatte, und hungrig ist auf mehr: "Nächte wie heute können eine Saison verändern." Was das heißt, deutete auch Tuchel an: "Jedes Team, das im Viertelfinale ist, möchte ins Finale. Wir auch. Es gibt noch Ziele zu erreichen mit Bayern."
Nun bleibt die Frage, ob das Spiel gegen Lazio Rom tatsächlich der Schulterschluss des gesamten Vereins war – oder doch nur ein letztes Hurra, eine Idee von dem, was der FC Bayern unter Tuchel hätte sein können. Tuchel beantwortete die Frage nach einer Trendwende vorsichtig: "Ich hoffe es, aber wir müssen es beweisen." Das muss zunächst auf einer etwas kleineren Bühne geschehen, im sehr grauen Ligaalltag, wo wieder Bayer Leverkusen mit großem Abstand von der Tabellenspitze grüßt. Wenn die Gegner wieder Mainz und Darmstadt heißen, muss der FC Bayern weiter als Einheit auftreten. Sonst sind die Träume von einem Happy End in Wembley schnell dahin.
Tabellenführung und Abstiegskampf, aktuelle Spielpaarungen, Ergebnisse und Liveticker, Torjägerlisten, Laufleistung- sowie Zweikampfstatistiken und noch viel mehr: Fußball im Ergebniscenter von BR24Sport.