Am Samstag, beim knappen 1:0-Sieg des FC Bayern über den FC St. Pauli, stand Leon Goretzka in der Startelf der Münchner. Mit Joshua Kimmich bildete er die Doppelsechs im Zentrum des FC Bayern. Was Jahre lang die absolute Stammbesetzung im Mittelfeld des Rekordmeisters, ist auf einmal eine große Überraschung. Denn seit diesem Sommer ist Leon Goretzka, seit seiner Ankunft 2018 eigentlich immer ein absoluter Leistungsträger, plötzlich nicht mehr gefragt.
Vom Aussortierten in die Startelf - Goretzka kämpft weiter
Im Sommer hatten die Münchner versucht, den 29-Jährigen loszuwerden. Mal in internen Gesprächen, mal in öffentlichen Andeutungen, mal in sehr expliziten öffentlichen Äußerungen, in denen man von internen Gesprächen erzählten. Doch Leon Goretzka blieb - und er blieb ruhig. Keine großen öffentlichen Äußerungen, keine miese Laune im Training. Nur harte Arbeit und die Hoffnung, auch den neuen Trainer Vincent Kompany noch von sich überzeugen zu können.
Kompany, bekanntermaßen ein Freund von Kämpfertypen, zeigte sich schnell beeindruckt. Während Goretzka in den ersten Saisonspielen nicht mal im Kader stand, saß er schon bald auf der Bank, sammelte seine ersten Minuten aus Aushilfsinnenverteidiger – und blieb weiter ruhig. Er sammelte Kurzeinsätze und Lob vom Trainer. "Leon ist wichtig für uns, und er wird auch wichtig sein", sagte Kompany und sollte recht behalten. Denn mit dem Schlüsselbeinbruch von Überflieger Aleksandar Pavlovic entstand plötzlich Bedarf in der Mittelfeldzentrale. Und anstatt auf Konrad Laimer oder Raphael Guerreiro setzte der FC-Bayern-Coach auf Goretzka als Palhinha-Ersatz.
Müller: Goretzka "hat sich den Einsatz verdient"
Acht Minuten gegen den VfB Stuttgart, 30 Minuten gegen den FC Barcelona, 29 Minuten gegen VfL Bochum, 21 Minuten gegen Union Berlin. In Hamburg stand er zum ersten Mal in dieser Saison von Anfang an auf dem Platz. Es war kein sonderlich gutes Spiel von Goretzka, der neben Kimmich den offensiveren Part übernahm. Goretzka hatte keine sonderlich gute Partie, spielte zurückhaltend und hatte nicht gerade die beste Passquote (86 Prozent), doch das Spiel dürfte dennoch enorm wichtig für den 57-fachen Nationalspieler gewesen sein.
Seine Mitspieler suchten und vertrauten ihm. Goretzka, das zeigte sich bereits in vielen Interviews, kann sich auf die Unterstützung von seinen Mannschaftskameraden verlassen. Ob Pavlovic, der ausgiebig Goretzkas Tor in der Champions League gegen Zagreb feierte, Manuel Neuer und Kimmich, die öffentlich für die Qualitäten des Kollegen warben. Nach dem St.-Pauli-Spiel war es Thomas Müller, der ihn lobte: "Er ist ein Kämpfer. Du musst bereit sein beim FC Bayern, um jede Sekunde Spielzeit zu kämpfen. Wenn es so weit ist, musst du da sein. Es ist natürlich schön zu sehen, dass sich Leon den Einsatz auch verdient hat."
Freund lobt Goretzkas Charakter
Und auch von offizieller Seite gab es Lob: "Wenn wir ihn nicht brauchen würden, würde er nicht spielen. Der Leon ist ein Spieler des FC Bayern München. Er macht es richtig gut und war heute wieder wichtig", sagte Sportdirektor Christoph Freund, der mittlerweile vielleicht sogar froh, ist, dass ein Verkauf im Sommer nicht geklappt hat. "Wir haben im Sommer mit ihm gesprochen und haben ihm gesagt, dass es schwierig werden wird, weil der Kader so ist, wie er ist. Er hat gesagt, er will sich der Konkurrenz stellen. Er hat eine gute Leistung gebracht. Das sagt natürlich viel aus über einen Menschen, einen Charakter", meinte Freund.
Kompany macht Hoffnung: "Werden wir auch in Zukunft so machen"
Und auch Kompany blickte auf den Transfersommer zurück und lobte anschließend seinen Schützling öffentlich: "Ich glaube, darüber brauchen wir nicht zu reden. Das war einfach so. Aber danach haben wir immer gesehen, dass er weiter gearbeitet und diese Chance verdient hat." Kompany begründete den Einsatz als "eine logische Entscheidung für eine Mannschaft, die ein bisschen Frische brauchte."
Und dann schob Kompany noch den Satz nach, über den sich Goretzka wohl am meisten freuen dürfte: "Das werden wir auch in Zukunft so machen." Die Tür beim FC Bayern, aus der ihm sein Arbeitgeber im Sommer versucht hatte, den Weg nach draußen zu weisen, ist für Goretzka weiter offen - und Goretzka steht auf der Schwelle. Aktuell ist er wieder auf den Weg nach drinnen, als wichtiger Teil der Mannschaft, der zwar seinen Status verloren hat, aber bereits ist, dafür zu kämpfen ihn wieder zurückzuerobern. Oder eben dort zu helfen, wo er benötigt wird. Der 29-Jährige beweist, dass er ein echter Teamplayer ist. Für solche gibt es für gewöhnlich immer Bedarf. Auch beim FC Bayern.