Nils Lichtlein könnte zum deutschen Shootingstar bei der Handball-Europameisterschaft werden. Der Rückraumspieler wurde im vergangenen Jahr U21-Weltmeister und dabei als MVP (wertvollster Spieler) ausgezeichnet. Seit wenigen Monaten ist er Nationalspieler und gehört nun auch zum Aufgebot für die Heim-Europameisterschaft, die für das DHB-Team am 10. Januar mit dem Duell gegen die Schweiz beginnt.
Mit 14 aus Regensburg nach Berlin
Lichtlein ist gebürtiger Regensburger und Neffe von Ex-Nationaltorhüter Carsten Lichtlein. Nils werde aufgrund seines Nachnamens fälschlicherweise oft für seinen Sohn gehalten, wie Carsten Lichtlein im Gespräch mit BR24Sport lachend erzählt. Mit 14 verließ Nils die Jugend des ESV Regensburg und wechselte ins Internat der Füchse Berlin. Carsten Lichtleins erster Verein, der TV Großwallstadt, war damals nur 60 Kilometer vom Elternhaus des gebürtigen Würzburgers entfernt, bei Nils war der Schritt deutlich größer. "Hut ab mit vierzehn von zu Hause weg und vor allem auch noch so weit, da kannst ja nicht gerade mal das Wochenende nach Hause fahren", zollt der 43-Jährige seinem Neffen deshalb Respekt.
Er kämpfte sich in der Hauptstadt immer weiter nach vorne und spielt in dieser Saison in der ersten Mannschaft des aktuellen Tabellenzweiten der Bundesliga eine wichtige Rolle. "Er hatte durch die Verletzungen von Fabian Wiede und Paul Drux das Glück, in Berlin jetzt schon zu zeigen, was er kann", erklärt Carsten Lichtlein den Aufstieg seines Neffen, der daran aber auch selbst großen Anteil hat. "Seine Leistungen sind für sein Alter erstaunlich gut. [...] Das ist schon beeindruckend", lobt der Weltmeister von 2007.
Nils anders als Onkel Carsten
Nils wuchs in eine sportliche Familie hinein. Sein Vater kickte einst in der Jugend des FC Bayern, die Mutter spielte in der zweiten Handball-Bundesliga. Auch Opa Arthur Lichtlein war Handballer. Nils verfolgte neben dem Handball noch das runde Leder auf dem Rasen. "Wenn du an die Spitze willst, musst du dich voll auf eins konzentrieren. Nils hat sich dann auf Handball konzentriert und das war genau die richtige Entscheidung", weiß der 43-Jährige.
Anders als sein Onkel ist Nils Lichtlein im Feld zuhause und nicht zwischen den Pfosten. Mit 1,83 Meter Körpergröße sei er nach eigener Einschätzung "deutlich zu klein fürs Tor". Außerdem habe er "relativ früh bemerkt, dass man doch ein bisschen verrückter sein muss, um sich da hinzustellen und die Bälle abzubekommen". Das ist für Onkel Carsten auch kein Problem. Der findet "Hauptsache, er ist beim Handball geblieben".
Familienfete bei der U21-WM
Nils' Revier ist der Rückraum - links wie rechts. "Der Junge ist etwas Besonderes" hatte Füchse-Geschäftsführer Bob Hanning seinen Spieler gelobt. "Durch kluge Zeit- und Raum-Entscheidungen hat er seiner Mannschaft und dem Gegner das Gefühl vermittelt, dass er eine Sekunde in der Zukunft spielt." Belohnung war die Vertragsverlängerung in Berlin bis 2026.
Lichtlein charakterisiert seinen Neffen als "sehr wissbegierig. Er hört zu, und dann versucht er das auch umzusetzen", sagt der ehemalige Torwart des HC Erlangen. Der 21-Jährige sei "ein kleines Genie, handballtechnisch gesehen", findet der Onkel. Doch er sei kein Einzelkünstler, ganz im Gegenteil. "Ein Teamplayer ist er auf jeden Fall. [...] Er spielt sehr viel für die anderen Spieler und manchmal, obwohl das Tor frei ist, versucht er noch mal abzuspielen." Dabei dürfe er - geht es nach seinem Onkel - sich "noch ein bisschen mehr auf sich selber fokussieren und selber die Chancen suchen".
Auch die Spiele mit dem Adler auf der Brust waren für Lichtlein bisher von großem Erfolg geprägt. Im Sommer holten Nils als Spieler und Carsten als Torwarttrainer den Titel bei der U21-Weltmeisterschaft im eigenen Land. "Wir haben mal kurz die Weltmeisterschaft zur Familienfete umgewandelt", erinnert sich der Europameister von 2016. Als Krönung wurde Nils auch noch zum wichtigsten Spieler des Turniers ausgezeichnet. "Ich war total stolz auf Nils, weil die Leistung, die er über das ganze Turnier gebracht hat, die war sensationell und auch konstant gut", blickt Lichtlein zurück.
Karriereende drohte mit 19
Dabei hätte die große Karriere schon vorbei sein können, bevor sie überhaupt gestartet war. Mit 19 Jahren knickte Lichtlein um und zog sich eine schwere Sprunggelenkverletzung zu. Neun Monate fiel er aus und musste zwischenzeitlich um seine Karriere bangen. "Das war schon schwer für ihn", erinnert sich sein Onkel. "Das hat sich sehr lange gezogen." Doch der Oberpfälzer kämpfte sich zurück - auch zur Erleichterung von Onkel Carsten. "Ich bin nur froh, dass es zum Schluss dann noch geklappt hat, er jetzt wieder fit ist, seine Leistung bringen kann und keine Probleme mehr mit dem Sprunglenk hat."
Nationalmannschafts-Debüt im November und nun die EM
Im November des vergangenen Jahres durfte Lichtlein dann auch in der A-Nationalmannschaft debütieren. Er war zunächst nicht berufen worden, wurde für die Partien in Neu-Ulm und beim Tag des Handballs in München aber nachnominiert. "Es war natürlich etwas ganz Besonderes, vor allem bei meinem Debüt auch noch vor einer tollen Heimkulisse zu spielen. Die volle Halle hat schon ein bisschen das EM-Gefühl vermittelt", strahlte der 21-Jährige nach seiner Premiere, bei der ihm sogar noch ein Treffer gelang. Und auch von Bundestrainer Alfred Gislason gab es Lob: "Nils Lichtlein kommt rein, macht zwei Fehler, zeigt dann Charakter und macht ein wichtiges Tor."
Bei der Heim-EM ist er klarer Rotationsspieler, könnte aber auch dort für Aufsehen sorgen, glaubt Carsten Lichtlein. Der Ex-Torwart sieht einen Vorteil: Junge Spieler wie sein Neffe seien "unbeschriebene Blätter international. Die Gegner kennen die nicht. Deswegen kann das immer so ein Joker sein, egal auf welcher Position. Sie können noch mal für den Überraschungseffekt sorgen."
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