Mit Thomas Dreßen und Josef "Pepi" Ferstl sind binnen weniger Wochen zwei Kitzbühel-Sieger zurückgetreten; zwei Skirennläufer, die das deutsche Speedteam mit Siegen, Podiumsplatzierungen und Weltcuppunkten beschenkt haben. Deren Namen man über Jahre hinweg verlässlich oben in den Ergebnislisten von Abfahrten und Super-Gs fand.
Auch wenn Dreßen und Ferstl ergebnismäßig zuletzt maue Monate hinter sich hatten, so verabschieden sich doch zwei Athleten in die Abfahrerrente, die über die Jahre zu Zugpferden und Führungspersönlichkeiten in ihrem Team wurden.
Das deutsche Speedteam steckt in einem Leistungstief. Die plötzlichen Rücktritte und die enttäuschenden Ergebnisse haben eine Diskussion entfacht. Was in der Debatte immer mitschwingt sind die Fragen: Was jetzt? Und: Was kommt nach?
Speedfahrer werden tendenziell später erfolgreich
Im Weltcup fährt neben den routinierten Romed Baumann und Andreas Sander nur Simon Jocher in die Punkte. Beim ersten Super-G in Garmisch-Partenkirchen ist der Lokalmatador 18. geworden. Mit seinen 27 Jahren mag Jocher zwar nicht mehr ein Jungspund sein, sein Alter muss man aber in Abfahrerjahren zählen. Speedfahrer sind oft erst in höherem Alter erfolgreich.
Im Super-G und vor allem in der Abfahrt - eine Disziplin, die nur schwer zu trainieren ist - zählt Erfahrung: Routiniers haben Vorteile, weil sie die Strecken schon zig Mal gefahren sind und sie in- und auswendig kennen, die Stelvio in Bormio, die Streif in Kitzbühel, die Lauberhornabfahrt in Wengen.
Die Franzosen beweisen es: Johan Clarey ist im vergangenen Winter mit 42 Jahren zurückgetreten und bis zuletzt noch auf das Podium gefahren. Der diesjährige Streif-Doppelsieger Cyprien Sarrazin, Abfahrer auf dem zweiten Bildungsweg, ist 29 Jahre alt und startet jetzt erst richtig durch.
Erfolge im Ski Alpin-Jugendbereich
Und nicht nur bei den französischen Speedlern verhält es sich wie bei den Weinen - mit dem Alter werden sie besser - auch der Norweger Aksel Lund-Svindal ist bis zu seinem Rücktritt mit 36 Jahren zu Siegen und Podestplätzen gefahren.
Verglichen damit ist Simon Jocher also doch noch recht jung. Und auch die Basis sei gut, wie DSV-Sportvorstand Wolfgang Maier im Interview mit BR24Sport sagte: "Unsere Aufgabe ist es, aus dem kleinen Team Sportler zu entwickeln, die unter die Top Ten oder aufs Podium fahren."
Neben Simon Jocher kommt auch Luis Vogt (Jahrgang 2002) nach, Jakob Schramm (1999) oder Christoph Brence (1999). "Wir haben ein kleines Team, aber wir haben ein Team mit Perspektive", so Maier.
DSV-Team gewann Juniors Race beim Hahnenkammrennen
Beim Blick in den Jugendbereich, in den FIS- und Europacup-Bereich, kommt Hoffnung auf. In den vergangenen Jahren waren 20 DSV-Athleten und -Athletinnen in der Weltrangliste in ihrem Jahrgang in den Top Ten, dazu drei Medaillen bei den Youth Olympics Ende Januar 2024 in Gangwon, Südkorea.
Das deutsche Team hat dieses Jahr erstmals auch das alljährliche Juniors Race im Rahmen der Hahnenkammrennen gewonnen. "Da fahren einige echt cool Ski", sagte Maier im BR24Sport-Interview und zählte ein paar der Talente auf: Die Schwestern Laila und Luisa Illig etwa, Romy Ertl, die Tochter der ehemaligen Skirennläuferin Martina Ertl, Charlotte Grandiger, Leo Scherer.
Allesamt Talente, die jenseits der Jahrtausendwende geboren sind und in ihrem Alter zu den Weltbesten zählen. "Wir haben eine Basis", sagte Maier. "Die Herausforderung ist: Wie bringen wir diese Leute auf Weltcup-Niveau?“
Regelmäßige Muskelscreenings bei Nachwuchsathleten
Das Alter zwischen 16 und 22 sei ausschlaggebend. "Da entwickelt sich die Persönlichkeit der Sportler, da entscheidet sich, ob der Fokus auf dem Sport liegt, da entwickelt sich der Körper noch weiter", so Maier. In der Zeit gelte es aber auch die Verletzungsgefahr zu minimieren. Der DSV habe für diese Aufgabe fünf Experten engagiert und ein Konzept aufgestellt.
Ab dem Alter von 16 Jahren werden DSV-Athleten regelmäßig von Physiotherapeuten begutachtet: Mit Hilfe von Muskel- und Bewegungsscreenings sollen muskuläre Defizite erkannt werden, um sie im nächsten Schritt mit gezielten sportmotorischen Übungen zu beseitigen.
Zudem würden Daten zu Verletzungen erhoben und analysiert, "damit wir die Komplexität besser verstehen können", so Maier. "Das war eine riesen Investition für den DSV."
Skicamps, Förderungen, Konzepte
Der DSV sei in den vergangenen Jahren aber auch auf die Vereine zugegangen, schilderte DSV-Sportdirektor Maier: "Wir waren und sind in ganz Deutschland unterwegs, um die Trainer in Vereinen und Gauen im Bereich der Skitechnik abzuholen". Zudem biete der DSV Skicamps an, bei denen auch Skirennläufer ihre Erfahrung teilen. "Da sehen wir jetzt schon, dass wir dadurch in der Weltrangliste Fortschritte machen."
Ein Punkt sei aber noch wichtiger als Förderungen, Skicamps oder Konzepte, so der DSV-Sportvorstand: "Die jungen Rennläufer brauchen eine gewisse Eigenerkenntnis, einen gewissen Eigenantrieb. Wenn sie den haben, dann fahren wir auch ordentlich Ergebnisse ein."
Ski-Deutschland wartet auf Speed-Erfolge
Auf die Ski-WM nächstes Jahr in Saalbach sei Maier gespannt, aber auch zuversichtlich: "Wir haben ja schon ein paar Aktive wie Kira Weidle, Lena Dürr, Emma Aicher und bei den Männern Linus Straßer, Alexander Schmid. Aber wir müssen uns natürlich weiterentwickeln."
Unterdessen wartet Ski-Deutschland nach den Erfolgen von Linus Straßer (Sieg beim Slalom in Kitzbühel und Schladming) und Lena Dürr (vier Podiumsplatzierungen im Slalom in der laufenden Saison) auch auf vordere Platzierungen der deutschen Speedfahrer - nicht mehr durch Thomas Dreßen und Josef Ferstl, aber vielleicht durch den ein oder anderen Youngster, der nachrückt.