Thomas Dreßen wird im Zielraum gefeiert
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Tränen in Kitzbühel: Thomas Dreßens letzter Ritt auf der Streif

Tränen in Kitzbühel: Thomas Dreßens letzter Ritt auf der Streif

Thomas Dreßen hat die Streif ein allerletztes Mal bezwungen. Der Skirennläufer beendet in Kitzbühel seine turbulente Karriere – und schließt damit einen Kreis.

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Ein letztes Mal Mausefalle, ein letztes Mal Hausbergkante, ein letztes Mal Zielsprung. Ein letztes Mal vor Zehntausenden Menschen abschwingen – auf der größtmöglichen Bühne, die der Ski-Weltcup zu bieten hat. Thomas Dreßens gefühlvoller letzter Ritt auf der Streif in Kitzbühel bei Kaiserwetter und vor rund 45.000 Zuschauern lieferte das, was der 30-Jährige sich erhofft hatte: ein würdevolles Ende seiner turbulenten Karriere.

Schampusdusche und Emotionen im Ziel

Im Ziel übermannten Dreßen die Emotionen, er schlug die Hänge vors Gesicht und schluchzte. Viel Zeit, die Stimmung zu genießen, hatte er nicht. Kollegen und Trainer stürmten im Ziel auf ihn zu und bespritzten ihn mit Champagner, Romed Baumann und Dominik Paris nahmen Dreßen auf ihre Schultern und ließen ihn noch einmal hochleben.

Felix Neureuther, der das Rennen für ARD kommentierte, zeigte sich ergriffen: „Gänsehaut! Ich habe Tränen in den Augen. (...) Danke Thomas Dreßen für wunderschöne Momente, die du uns geschenkt hast." Der frischzurückgetretene Thomas Dreßen sagte im Anschluss an das Rennen: "Eigentlich bin ich derjenige, der Danke sagen muss - es war eine unglaubliche Zeit, mit Höhen und Tiefen, aber das gehört in einer Karriere dazu". Der Skisport sei sein Leben, seine große Leidenschaft. Er wolle dem Skisport in irgendeiner Form erhalten bleiben - nur eben nicht als aktiver Rennläufer. Dafür sei ihm das "Leben danach" zu wichtig. Er wolle in Zukunft fit genug sein, um mit seiner Tochter zu spielen.

Im Video: Dreßens letzte Fahrt mit dem Sportschau-Originalkommentar

Thomas Dreßen bei seiner letzten Abfahrt in Kitzbühel
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Thomas Dreßen bei seiner letzten Abfahrt in Kitzbühel

Mit fünf Siegen in Skirente

Bei Dreßens Finale, seinem 80. Weltcuprennen, schwang der Sportler vom SC Mittenwald mit einem Rückstand von 4,46 Sekunden auf den Sieger Sarrazin im Ziel ab. Doch das Ergebnis war ohnehin zweitrangig. Es ging ums "Genießen", wie Dreßen mehrfach wiederholte.

Die gefährlichste Abfahrt der Welt als Genuss zu bezeichnen, mag widersprüchlich klingen, angenehm ist der Rodeo auf der Streif nie. "Komischerweise hab ich während der Fahrt kein einziges Mal ans Aufhören gedacht und genau das wollte ich haben: Einmal noch eine Fahrt, wo sich alles nur um die Fahrt dreht. Erst zehn Meter vor der Ziellinie hab ich gemerkt: 'So, das war's jetzt!'"

Mit Thomas Dreßen geht der erfolgreichste deutsche Speedfahrer in Ski-Rente: fünf Siege, fünf weitere Podestplätze. Doch das Karrierehighlight blieb bis zuletzt der Sieg auf der Streif in Kitzbühel in 2018. Hier erlebte er seine Sternstunde, hier trat er nun zurück, hier schließt sich der Kreis.

Der Sportler vom SC Mittenwald hat sich in der Skiwelt verewigt – und das nicht nur im übertragenen Sinne. In seinem Trophäenschrank steht eine Gams und sein Name ziert eine der roten Gondeln der Hahnenkammbahn in Kitzbühel – und das kommt im Abfahrer-Universum einem Stern auf dem Walk of Fame gleich.

Kitzbühel-Sieger von 2018

Beim Sieg auf der Streif von 2018 war Dreßen 24 Jahre alt und erst zum zweiten Mal beim Hahnenkammrennen am Start. Sein Triumph war gelinde gesagt überraschend. Nicht, weil ein Weltcup-Sieg außer Reichweite war, schon bei den Rennen im Vorfeld von Kitzbühel zeigte er auf, holte in Beaver Creek seinen ersten Weltcup-Erfolg.

Aber die Streif, das ist eine knifflige, gefährliche, tückische Strecke, für die es Erfahrung bedarf und der nachgesagt wird, dass Routiniers auf ihr einen erheblichen Vorteil hätten. Umso verrückter der Sieg damals.

Und genau dort, wo einst Zehntausende Menschen für ihn jubelten, gab es Standing Ovations für Dreßen. Am Donnerstag gab er bei einer Pressekonferenz seinen Rücktritt bekannt. Das Timing mag überraschend gewesen sein. Dass der Schlussstrich so schnell kommen würde, damit haben wenige gerechnet. Der Rücktritt selbst aber, der bahnte sich über die laufende Saison hinweg an. Dreßen fuhr der Weltspitze zuletzt deutlich hinterher. Ein 18. Platz kurz vor Weihnachten in Gröden – das war das höchste der Gefühle, mehr ging nicht.

Verletzungsodyssee und Rückschläge

Der Schnellfahrer musste in den vergangenen Jahren durch eine Verletzungs- und Operationsodyssee. Startpunkt der Misere war der 30. November 2018, als er in Beaver Creek schwer stürzte: Kreuzbandriss, Totalschaden im rechten Knie, die Hüfte geschädigt. Doch auf den Tag genau ein Jahr später legte er ein emotionales Comeback hin, raste im kanadischen Lake Louise zu seinem dritten Weltcup-Sieg und legte in der selben Saison noch zwei Mal nach.

An diese Erfolge sollte er nie mehr anschließen können. Die Folgen des Sturzes holten ihn immer wieder ein, er musste immer wieder unters Messer. Erst für die Hüfte, dann wiederholt fürs Knie. Der Speed-Spezialist erreichte nie mehr die Klasse von damals.

Nach einem enttäuschenden Rennen in Wengen vor zwei Wochen, nach den Rückschlägen in der laufenden Saison, kommt der Rücktritt von Thomas Dreßen nicht völlig überraschend. Trotzdem ist er mit seinen 30 Jahren kein alter Hase im Speedbereich.

Bei der Abfahrt und im Super-G kommt es meist auf die Erfahrung an, darauf, wie oft die Athleten die Strecken schon gefahren sind, wie viele Gleitpassagen sie in den Knien haben, wie oft sie die Kamelbuckel in Gröden geschluckt haben, die Mausefalle in Kitzbühel runtergesprungen sind.

Sarrazin gewinnt vor Odermatt und Paris

Der Franzose Johan Clarey etwa war bei seinem Rücktritt im vergangenen Winter 42 Jahre alt und ist bei seinem letzten Hahnenkammrennen aufs Podest gefahren. Für Thomas Dreßen, mit seinem geschundenen Knie und seiner Verletzungshistorie, sind zehn weitere Jahre aber nicht mehr drin und ein "Nachgurken" im Weltcup, das sei nicht sein Anspruch, sagte er bei seiner Rücktrittserklärung am Donnerstag.

Ein letztes Mal Streif konnte er seinem Körper jedoch noch abringen. Ein letztes Mal trotzten seine Knie den Fliehkräften noch. Das Skifest im Tiroler Ski-Mekka Kitzbühel dominierte erneut der Franzose Cyprien Sarrazin. Wie am Vortag legte der 29-Jährige einen kraftvollen Lauf hin und gewann mit über einer Sekunde Vorsprung auf den Zweitplatzierten Marco Odermatt. Dritter wurde Dominik Paris aus Italien.

Im Video: Was kommt nach Thomas Dreßen im Deutschen Skiverband?

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