Im Skirennsport ist der Grad zwischen Sieg und Tragödie schmal. Bei bis zu 160 km/h kann jede Unaufmerksamkeit fatal sein. Ein trauriges Beispiel dafür ist Max Burkhart. Der Oberammergauer verunglückte am 6. Dezember 2017 in einem unterklassigen Abfahrtsrennen in Kanada tödlich. Burkhart war erst 17 Jahre alt.
Der Todesfall erschütterte die Skiwelt als sie gerade noch dabei war, den Tod des französischen Weltcup-Läufers David Poisson zu verarbeiten. Der WM-Dritte von 2013 war wenige Wochen zuvor im Training in Kanada durch die Sicherheitsnetze gestürzt, an einen Baum geprallt und noch an der Unglückstelle verstorben.
Todesfälle im Skirennsport - eine Zerreißprobe
Die beiden Todesfälle wurden zur Zerreißprobe für den Skirennsport, sie lösten eine Sicherheitsdebatte aus, die bis heute anhält. Auch der Deutsche Skiverband (DSV) kündigte damals umfassende Maßnahmen an. "Wir haben damals die Nachwuchskonzepte umgestellt", erklärt DSV-Alpindirektor Wolfgang Maier im Interview mit BR24Sport.
Der DSV führte als Reaktion auf den Todesfall eine verpflichtende Ausbildung ein. Nachwuchsathleten, die bei Abfahrtsrennen antreten wollen, müssen seither an einem Kurs teilnehmen, bei dem sie "die Basics" im Speedbereich systematisch erlernen, wie Maier erklärt. "Wir wollen junge Leute nicht auf Abfahrtsski stellen, ohne sie auszubilden – sie müssen lernen mit Sprüngen, mit den langen Skiern, mit den Kräften umzugehen, die bei diesem Sport wirken."
Airbag-Pflicht, schnittfeste Unterwäsche, Rennkalender
Die Sicherheitsdebatte bleibt allgegenwärtig. Seit dieser Saison müssen Athleten bei Super-G- und Abfahrts-Rennen einen Airbag tragen. Manche Athleten setzen die Weste schon seit einiger Zeit ein, andere wehren sich gegen den Airbag. Sie fühlen sich eingeengt oder befürchten, dass sie bei einer Fehlauslösung verletzt werden könnten.
Auch schnittfeste Unterwäsche kommt im Skirennsport immer häufiger zum Einsatz. Bei Höchstgeschwindigkeiten von weit über 100 km/h können die Skier zu messerscharfen Waffen werden – Aleksander Aamodt Kilde zog sich vergangenes Jahr bei einem Sturz eine tiefe Schnittwunde zu. Wann der Norweger wieder in den Skiweltcup zurückkehren kann, ist nach wie vor ungewiss. Seine Verlobte Mikaela Shiffrin erlitt bei einem Sturz in Killington eine Stichwunde im Bauch.
Für Ferstl sind Maßnahmen wie schnittfeste Unterwäsche oder Airbags "kleine Bausteine" in der großen Sicherheitsdebatte. "Die Sicherheit fängt in meinen Augen schon weiter vorne an – bei der Rennplanung", sagt der ehemalige Skirennfahrer im Interview mit BR24Sport. "Der Reisestress ist oft extrem. Man jettet im Weltcup von einem Land ins andere, man ist müde, man muss den Jetlag überwinden - das waren die extremen Aspekte für mich."
Veranstalter geben Millionenbeträge für Sicherheit aus
Vergangenes Jahr kritisierten viele Athleten den dichtgetakteten Rennkalender. Vor allem Allrounder hatten kaum Pausen zwischen den Rennen. Dazu kamen Doppelabfahrten – etwa in Wengen und Kitzbühel. Nachdem mit Kilde, Shiffrin und Marco Schwarz drei Top-Fahrer schwer stürzten und sich verletzten, wurde die Kritik an der Rennplanung besonders laut. Der Internationale Skiverband reagierte und strich zumindest die Doppelabfahrten.
Auch im Bereich der Strecken hat sich seit den Todesfällen von Gernot Reinstadler (1991), Uli Maier (1994), Poisson und Burkhart einiges getan. Weltcup-Veranstalter geben Millionenbeträge nur für die Sicherheit aus: hohe Netze mit schnittfesten Planen und große Sturzräume sollen die Fahrer schützen.
Top-Sicherheit im Weltcup, geringere Standards im Europacup?
Gefährliche Kurven und Sprünge wurden in der Vergangenheit entschärft. Der Zielsprung in Kitzbühel wurde abgetragen, nachdem mehrere Skirennfahrer stürzten und sich schwer verletzten.
"Es wurde viel getan. Es hat sich einiges verbessert", sagt Maier. Auch Ferstl lobt die Sicherheit der Strecken im Weltcup-Zirkus: "Die Sicherheit im Weltcup ist wirklich gut. Sie machen sich Gedanken", so Ferstl.
In unterklassigen Rennen wie im Europacup- und FIS-Bereich, aber auch bei Trainings hingegen sind die Sicherheitsstandards oft geringer. "Es gibt Skigebiete, die sind sehr gut aufgestellt, andere aber nicht", so Ferstl.
Trainer können nicht jede Einheit aufziehen wie ein Weltcuprennen, nicht immer die selben Absperrungen und Netze aufbauen. Auch wenn sich die Unfallhergänge bei den verunglückten Skirennsportlern der vergangenen Jahre und Jahrzehnte teilweise stark unterscheiden: Es ist wohl kein Zufall, dass ein Großteil davon im Training passierte.
Ferstl zum Tod von Lorenzi: "Tut mir in der Seele weh"
Trotz aller Bemühungen und Maßnahmen bleibt immer das Restrisiko. "Mit einzelnen Faktoren, wie Airbag, schnittfester Unterwäsche, kann man versuchen, den Sport sicherer zu machen. Aber wir reden von einer Extremsportart - es wird immer gefährlich bleiben", sagt Ferstl.
Vor wenigen Wochen verliert die Ski-Community mit der 19-jährigen Italienerin Matilde Lorenzi wieder einen jungen Menschen aus ihrer Mitte. Ferstl hat der Todesfall mitgenommen: "Krass, ich muss ehrlich sagen, das tut mir in der Seele weh. Jetzt, wo ich selbst aus dem Rennsport raus bin, geht mir das viel näher."
Und wieder stellt sich die Skiwelt die Frage: Wie umgehen mit der Gefahr? Die Familie der verstorbenen Lorenzi hat eine Stiftung gegründet - auch um den Skirennsport sicherer zu machen.