Der Skirennläufer Thomas Dreßen tritt zurück. Das hat er am Donnerstag überraschend bekannt gegeben. Am Samstag bestritt er bei der Streif-Abfahrt in Kitzbühel sein letztes Rennen. Dort, wo er 2018 seinen bisher größten und emotionalsten Erfolg feierte. "Was gibt es Würdevolleres als die Karriere in Kitzbühel zu beenden? Das will ich noch einmal genießen." Das Abfahrtsrennen am Freitag hingegen ließ Dreßen aus.
Thomas Dreßen ist am Sonntag ab 21.45 Uhr zu Gast in Blickpunkt Sport im BR Fernsehen und im Stream.
Erste Rücktrittsgedanken nach Wengen
"Für mich war immer klar, dass ich nach ganz vorne zurückkommen will. Derzeit ist das nicht möglich, dass ich wieder vorne mitfahren werde", erklärte der 30-Jährige bei einer Pressekonferenz in Kitzbühel und fügte hinzu: "Ich bin mit mir absolut im Reinen, ich hab alles gegeben." Die Entscheidung sei ihm nicht leicht gefallen. Dreßen unterstrich, dass es auch ein Leben nach dem Leistungssport gebe und er in der Lage sein wolle, mit seinen Kindern auch später noch Sport zu treiben.
Bei der langen Heimfahrt von Wengen in der Schweiz seien die ersten Rücktrittsgedanken aufgekommen, sagte der Sportler des SC Mittenwald. Nach dem enttäuschenden Rennen bei der Lauberhornabfahrt hat Dreßen ein emotionales Interview gegeben: "Man haut sich voll rein und ich probiere wirklich alles, aber es ist bitter, wenn halt einfach der Körper nicht mehr so mitspielt", erklärte er. Der Oberbayer berichtete zudem von neuerlichen Schmerzen und kämpfte mit den Tränen.
Im Video: Weltcup-Kollegen würdigen Dreßen
"Ein wirklich toller Mann" - Kollegen zollen Respekt
Kollegen von Dreßen, die jahrelang mit ihm im Ski-Weltcup unterwegs waren, äußerten sich zum Rücktritt. Romed Baumann, der sich das Zimmer mit Dreßen teilte, sagte: "Er ist ja mein Zimmerkollege. Wird langweilig werden in Zukunft. Muss ich um einen neuen schauen." Der Franzose Nils Allegre schwärmte vor der Abfahrt in Kitzbühel am Freitag: "Das wichtigste bei Thomas ist: Er ist ein wirklich toller Mann. Alle mögen ihn im Weltcup-Zirkus."
DSV-Kollege Dominik Schwaiger erinnerte an Dreßens Kitzbühel-Sieg, bei dem er selbst verletzt und mit Krücken im Zielgelände stand: "Das werde ich nie vergessen, wie geil das war, wie wir uns gefreut haben. Das war auch einer meiner schönsten Momente, muss ich ehrlich sagen."
Auch mit dem italienischen Speedfahrer Dominik Paris verbinden Thomas Dreßen viele spannenden Rennen und Hundertstel-Entscheidungen. "Ich war mit dem Thomas auf dem Podium und ich glaube, das war einer der stärksten Gegner aus Deutschland in der Abfahrt. Der hat eine super Karriere gemacht. Leider ist es ihm nicht vergönnt, dass es gesundheitlich passt." Paris zeigt Verständnis für das Karriereende: Die Gesundheit gehe vor, mit den Kindern etwas unternehmen zu können sei mehr Wert, als im Weltcup zu fahren.
Viele Rückschläge nach Verletzungen
Dreßen hatte in den vergangenen Jahren mit mehreren verletzungsbedingten Rückschlägen zu kämpfen. Am 30. November 2018 stürzte Dreßen in Beaver Creek – Kreuzbandriss, Totalschaden im rechten Knie, die Hüfte geschädigt. Auf den Tag genau ein Jahr später gelang ihm mit seinem dritten Weltcup-Erfolg ein fulminantes Comeback in Lake Louise, in derselben Saison legte er mit zwei weiteren Siegen nach. Doch die Folgen des Sturzes holten ihn immer wieder ein: Zwischen März 2020 und November 2022, also zweieinhalb Jahre lang, bestritt Dreßen mit Ausnahme der WM-Abfahrt 2021 kein Rennen.
Erst musste er an der Hüfte operiert werden, dann wiederholt am Knie und der Körper streikte immer öfter. Vergangenes Jahr konnte er nur bei der WM-Abfahrt in Courchevel und Méribel mit Platz zehn ein solides Ergebnis einfahren. Am Ende des knappen Rennens fehlten nur 0,26 Sekunden auf eine WM-Medaille.
Fünf Weltcup-Siege, fünfmal auf dem Podest
Der Speed-Spezialist feierte zwar mehrere Comebacks, erreichte aber nie mehr die Klasse von damals. Seinen letzten Weltcup-Sieg feierte er 2020 in Saalbach-Hinterglemm in Österreich. In der laufenden Saison fuhr er der Spitze deutlich hinterher. Ein 18. Platz im Super-G von Gröden kurz vor Weihnachten war das beste Ergebnis.
Insgesamt kommt er auf fünf Weltcup-Siege. Der größte und emotionalste gelang ihm 2018 auf der Streif, wo er nun auch sein letztes Rennen bestreitet. Fünfmal stand er auf dem Podium. Kein deutscher Speedfahrer war erfolgreicher als er. Der Rücktritt des erfolgreichsten deutschen Schnellfahrers trifft den Deutschen Skiverband mitten in einer Krise des Speedteams.
Bundestrainer Christian Schwaiger sieht durch das bevorstehende Karriereende von Dreßen eine "riesige Lücke" im deutschen Speed-Team entstehen, gibt sich aber kämpferisch. "Wir haben eine schwere Zeit", sagte der 55-Jährige. Aber: "Aufgeben tut man einen Brief, nicht den Weltcup." Man sei bereit, sich der Situation zu stellen, erklärte Schwaiger. "Und ich glaube, dass wir das auch wieder schaffen."
Im Video: Dreßens historischer Sieg in Kitzbühel 2018
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