Am 28. Mai, um kurz vor halb zwölf war es so weit: Die erste Welle in der Surftown MUC brach sich Bahn, kurz darauf brandete erleichterter Beifall auf. Camilla Kemp, Deutschlands erste olympische Surferin, durfte die erste öffentliche Jungfernfahrt auf der zwei Meter hohen künstlichen Welle reiten. "Es ist wunder, wunder, wunderschön", frohlockte die 28-Jährige direkt im Anschluss im BR24Sport-Interview.
Surftown als "Gamechanger" für Deutschland
Es soll der Auftakt für etwas ganz Großes sein, da sind sich alle Beteiligten einig. An Superlativen mangelte es am Dienstag im Münchner Norden jedenfalls nicht:
"Die Anlage ist die größte in Europa mit, meiner Meinung nach, der besten Technologie und dem meisten Trainingseffekt." - Tim Elter, deutscher Olympia-Surfer 2024 in Tahiti
Martin Walz, High Performance Coach von Elter und Kemp, sprach im BR24Sport-Interview von einem "Gamechanger" für das Surfteam, das völlig überraschend in zwei Monaten mit gleich zwei Athleten bei den Olympischen Spielen antreten wird. Deutschland ist eine Zwergnation im internationalen Surf-Vergleich, doch nun "setzen wir eine ziemliche hohe Benchmark", wie Surftown-CEO Chris Boehm-Tettelbach im Gespräch mit BR24Sport sagte.
"Wie Abfahrts-Rennen auf der Streif"
Zwar lässt sich die künstliche Surf-Welle nicht mit der gigantischen Naturgewalt von Teahuopo'o (die olympische Welle in Tahiti) vergleichen, dennoch soll sie ein wichtiges Tool für die Trainingssteuerung werden. "Das ist ähnlich wie ein Abfahrts-Skirennen auf der Streif", sagte Sportpsychologe Walz: "Wir können die Wellen tunen und gewisse Szenarien mit unterschiedlichen Wellenformen durchspielen." Anstelle von aufwendigen Trainingsreisen und wetterabhängigen Natur-Wellen können Elter, Kemp und Co. nun unter kontrollierten Bedingungen in München gezielt an Feinheiten arbeiten.
Erster Surfpark in Deutschland macht Welle
"Man kann sich sehr gut auf die Technik fokussieren, kann an neuen Manövern feilen - schneller, höher, weiter", erklärte Elter. Er erhofft sich durch den ersten Surfpark in Deutschland, der international in der Szene bereits hohe Wellen schlägt, auch einen Boost in die Gesellschaft hinein: "In Deutschland ist es schon so, dass ein Prozent der Deutschen surfen. Ich glaube, dass es sehr viel populärer gemacht wird, weil man nicht erst in den Flieger steigen muss."
Surftown MUC soll noch vor Olympia starten
Doch bevor die Massen nach Hallbergmoos strömen, ist noch einiges zu tun. Nicht umsonst war der Termin am Dienstag nur die inoffizielle Eröffnung - das Gelände nahe des Münchener Flughafens gleicht einer Großbaustelle. Fast an allen Ecken wird noch geschraubt, statt Wellenrauschen sind abhebende Flugzeuge und Maschinenlärm zu vernehmen.
Das Startdatum wurde bereits mehrmals nach hinten verschoben. Die große Eröffnung für alle Interessierten soll "noch vor dem Start der Olympischen Spiele Ende Juli" stattfinden, erklärte Gründer Boehm-Tettelbach. Bei BR24Sport äußerte sich der Münchner Geschäftsmann zu den brennenden Fragen, die viele Surf-Begeisterte in Bayern und darüber hinaus umtreibt. Das große Ziel für die Surftown sei es, "einen Ort zu schaffen, an dem sich jeder wohlfühlt - nicht nur Spitzensportler oder einkommensstarke Menschen, sondern wirklich jeder."
Kosten und Nachhaltigkeit: Das sagt der Surftown-Betreiber
Das offizielle Surftown-Motto lautet "Surfen für alle", eine Session mit einer Surfzeit von 55 Minuten kostet aktuell im reduzierten Presale 59 Euro, im regulären Betrieb wird sich der Preis wohl auf mehr als 75 Euro je Session erhöhen. Ein Paket mit 50 Sessions kostet laut Webseite 2.899 Euro. Inbegriffen in den Preis sind sowohl die Ausstattung sowie die Betreuung durch Surfcoaches und die ganztägige Nutzung der Anlage.
In den Sozialen Kanälen der Surftown regte sich aufgrund der Preisgestaltung bereits vorab Unmut. Surftown-CEO Boehm-Tettelbach ist darum bemüht, ein Verständnis dafür zu schaffen.
"Es ist ein teurer Sport, Skifahren zu gehen. Wenn man das Ganze aufs Surfen überträgt und das Ganze hier vor Ort in München machen kann und sich dann Spaß und finanzieller Einsatz ganz toll die Waage hält - das ist ein Ziel von uns." - Chris Boehm-Tettelbach, CEO von Surftown MUC
Solarstrom und geschlossener Wasserkreislauf
Das gesamte Projekt soll 40 Millionen Euro kosten, die Summe sei "größtenteils privat finanziert" durch Sponsoren und Partner, erklärte Boehm-Tettelbach. Auch im laufenden Betrieb ist ein hoher Aufwand zu leisten. Beim Energiebedarf bewege man sich "im Gigawatt-Bereich", dieser werde laut Boehm-Tettelbach ausschließlich "lokal produziert und nachhaltig" gedeckt: "Wir haben eine Direkt-Anbindung an einen Photovoltaik-Park, der Ende des Jahres gebaut wird."
Auch die riesigen Mengen Wasser sind eine große Herausforderung: Die Surftown verfügt über einen "geschlossenen Wasserkreislauf mit einer Wasseraufbereitung", Regenfälle und Verdunstung sollen sich laut Boehm-Tettelbach die Waage halten. Bei Wassermangel werde der hauseigene Brunnen angezapft, um sich aus dem hier "sehr reichhaltig vorhandenen Grundwasser" zu bedienen.
Eine Stunde Anreise per Bahn
Die Anreise aus München dauert mit dem Auto circa 35 Minuten, mit den öffentlichen Verkehrsmitteln (S8 & Bus) sollte mehr als eine Stunde eingeplant werden. Aus dem Stadtzentrum sind es rund 30 Kilometer, trotzdem will Boehm-Tettelbach die Menschen auch dazu bringen, mit dem Rad anzureisen. Der Geschäftsbetrieb des Prestige-Projekts "ist langfristig geplant. Also nicht, dass jetzt ein Hype ist und nach zwei Jahren hat keiner mehr Interesse (...) Mein Traum ist, dass ganz viele Familien, Freunde und Cliquen kommen, Sport treiben und surfen wollen und sich den ganzen Tag hier aufhalten wollen."
Elter will "Medaille mit nach Hause bringen"
Bis dahin werden die deutschen Olympia-Hoffnungen Kemp und Elter die Anlage fleißig nutzen. "Jetzt geht wirklich die harte Arbeit los", sagte Kemp: "Die nächsten zwei Monate werden noch mal viel, viel härter." Dank der neuen endlosen Wellen von Hallbergmoos fühlt sich auch Elter gut gerüstet und angriffslustig für Olympia: "Ich glaube, dass ich zu den Besten dazugehöre. Ich bin nicht ohne Grund dabei und ich bin definitiv fähig dazu, eine Medaille mit nach Hause zu bringen."
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