Xaver und Ferdinand, beide 15 Jahre alt, leben für den Fußball. Beim gemeinsamen Kicken im Park können sie abschalten und einfach ohne Druck spielen. Aber die beiden Jungen haben ein ehrgeiziges Ziel: Sie träumen davon, Profifußballer zu werden.
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Beide spielen in einem der bayerischen Nachwuchsleistungszentren, den großen Talentschmieden. In Bayern betreibt der Bayerische Fußball-Verband (BFV) nach eigenen Angaben 16 regionale Nachwuchsleistungszentren (NLZs), in denen Toptalente gefördert werden. Daneben gibt es die NLZ der Lizenzvereine: in Bayern in Nürnberg, Fürth, Regensburg, Augsburg, Unterhaching und zweimal in München. In Deutschland sind es insgesamt 58.
Gemeinsam haben Xaver und Ferdinand sechs Jahre lang viermal pro Woche beim FC Bayern München trainiert. Aber nach der U14-Mannschaft wurde ausgesiebt. Xaver konnte bleiben, Ferdinand nicht. Für ihn sei ein Traum zerplatzt, sagt er. Und: "Ich habe meine Freunde dann nicht mehr gesehen, mit denen ich in einer Mannschaft gespielt habe."
Hoffnung und Enttäuschung liegen dicht beieinander
Auch der DFB weiß: Für Kinder kann es eine psychische Belastung darstellen, im NLZ nicht weiter übernommen zu werden. Es könne "eine Identitätskrise auslösen, weil ein Spieler sich wahrscheinlich im hohen Maße mit seiner Rolle als Fußballer identifiziert", heißt es in einer 2024 veröffentlichten Broschüre für Eltern, deren Kinder in den Zentren trainieren. Weiter wird auf sportpsychologische Angebote verwiesen. Doch auch für diejenigen, die bleiben, kann der Druck belastend sein. Deswegen muss jedes Nachwuchsleistungszentrum laut DFB auch einen Sportpsychologen haben.
Xaver konnte beim FC Bayern bleiben. Den Druck spürt der Jugendfußballer in jedem Spiel. Aber das sei auch das, was man brauche, wenn man weiterkommen wolle: "Wenn man irgendwann vielleicht einmal in einem Stadion mit 75.000 Menschen steht, dann hat man auch einen gewissen Druck." Und wer gute Leistungen bringe, sei gesetzt. Gerade wurde Xaver vom FC Bayern sein erster Vertrag zugesagt, für die nächsten zwei Jahre. Das heißt aber noch lange nicht, dass daraus eine Profikarriere wird, weiß Trainer Alexander Moj: "Es ist vieles, was da entscheidet: das Talent, die Einstellung, der Wille." Auch eine gewisse Portion Glück gehöre dazu, im richtigen Moment beim richtigen Verein zu sein und keine Verletzungen zu haben. "Deswegen ist es ein schmaler Grat: motivieren, anspornen, aber gleichzeitig immer wieder klarmachen, auf dem Boden der Tatsachen zu bleiben. Es ist ein langer, schwerer Weg."
Nur wenige Jugendspieler werden wirklich Profifußballer
In fast allen Bundesligamannschaften der Saison 2023/24 spielten transfermarkt.de zufolge Spieler, die in einer Nachwuchsmannschaft des jeweiligen Vereins aktiv waren, sogenannte Eigengewächse. Zwischen zwei und elf Eigengewächse, die mindestens in der U17-Mannschaft gespielt hatten, konnten die Klubs vorweisen. Lediglich bei Union Berlin fand sich niemand. Doch der Traum von der Karriere als Profifußballer zerplatzt für viele, bevor er richtig begonnen hat: Laut einer ZDF-Recherche aus dem Frühjahr 2024 liegt die Chance, dass ein zwölfjähriger Jugendspieler später Profifußballer wird, bei maximal 0,1 Prozent.
Trotz aller Hürden wollen Xaver und Ferdinand diesen Weg weitergehen. Ferdinand spielt heute bei der SpVgg Unterhaching im Mittelfeld statt beim FC als Innenverteidiger. "Ich habe mich weiterentwickelt", sagt er. "Mir wurde direkt eine neue Position zugeordnet, der Trainer hat mir das Vertrauen geschenkt." Er könne in der Liga viel spielen. "Von daher fühle ich mich sehr wohl bei Unterhaching, es macht mir sehr viel Spaß."
Auch wenn sie nicht mehr in derselben Mannschaft trainieren, treffen Xaver und Ferdinand manchmal auf dem Fußballfeld aufeinander. Wie vor kurzem beim Cordial Cup in der Nähe von Kitzbühl, einem der größten internationalen Jugendturniere in Europa, zu dem hunderte U15-Spieler aus aller Welt angereist sind. Fürs Finale reicht es am Ende für beide nicht. Aber immerhin für ein Freundschafts-Derby in der Trostrunde. Und egal, ob einer von beiden oder beide es am Ende in den Profifußball schaffen: Ihre Freundschaft haben sie jetzt schon gewonnen.
Rund um das Thema "Fußball - Die moderne Religion?" geht es in der Sendung STATIONEN am 12. Juni 2024 im BR-Fernsehen und in der ARD-Mediathek.
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