Das Verfahren gegen Jérôme Boateng wegen mutmaßlicher Körperverletzung muss erneut verhandelt werden. Das hat das Bayerische Oberste Landesgericht entschieden. Das Verfahren wird nun an eine andere Kammer des Landgerichts München I zurückverwiesen. Dort muss der Prozess nun neu aufgerollt werden.
Boatengs Anwalt Leonard Walischewski hatte zuvor die Aufhebung des Urteils aus dem vergangenen Oktober gefordert. "Das Verfahren war erschütternd unfair", sagte er: "Der Angeklagte Boateng war schon endgültig verurteilt, bevor das Berufungsverfahren überhaupt begonnen hatte."
Vorwürfe: Angriffe auf Ex-Freundin in Karibik-Urlaub
Damals war der heute 35 Jahre alte Boateng wegen Angriffen auf seine Ex-Freundin in einem Karibik-Urlaub in zweiter Instanz wegen Körperverletzung und Beleidigung zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 10.000 Euro verurteilt worden – insgesamt 1,2 Millionen Euro.
Boateng sei damals "in seinem Recht auf ein faires Verfahren verletzt" worden, kritisierte Walischewski. "Der Vorsitzende Richter war nicht neutral, er war nicht distanziert", sagte der Anwalt.
Knackpunkt: Befangenheitsantrag gegen vorsitzenden Richter
Nach Überzeugung des zuständigen Senats hatte der vorsitzende Richter im Berufungsverfahren einen Befangenheitsantrag der Verteidigung zu Unrecht verworfen. So hatte der Vorsitzende damals selbst über seine mögliche Befangenheit entschieden, was laut dem Senat am Bayerischen Obersten Landesgericht in diesem Fall rechtswidrig war.
Der Vorsitzende hatte damals vor dem Befangenheitsantrag betont, dass weitere Beweisanträge von Boateng und seinen Verteidigern sich negativ auf eine Strafe auswirken könnten. Boatengs Anwalt warf dem Richter in seinem Plädoyer am Donnerstag "prozesswidriges und willkürliches Verhalten" vor: "Der Vorsitzende wollte nicht aufklären."
Zudem sei im Urteil des Landgerichts der vermeintliche Wurf einer Getränketasche von Boateng nicht ausreichend gewürdigt worden. Laut des Senats steht hier auch die Möglichkeit einer Verurteilung Boatengs wegen "gefährlicher Körperverletzung" im Raum. Im Berufungsverfahren war Boateng lediglich wegen Körperverletzung verurteilt worden.
Das Urteil halte einer rechtlichen Prüfung nicht im Ansatz stand, so der Senat.
Langwieriger Rechtsstreit wird noch länger
Mit der Entscheidung des Gerichts wird ein ohnehin schon äußerst langwieriger Rechtsstreit noch länger. Das Amtsgericht München hatte bereits im Jahr 2021 eine höhere Geldstrafe gegen Boateng verhängt, jedoch war die Zahl der Tagessätze nur halb so hoch – 60 Tagessätze zu je 30.000 Euro, also insgesamt 1,8 Millionen Euro. Ab mehr als 90 Tagessätzen gelten Verurteilte als vorbestraft.
Boateng, der lange für die deutsche Nationalmannschaft und den FC Bayern München gespielt hat, wurde im Juni von seinem jüngsten Verein, dem französischen Fußball-Erstligisten Olympique Lyon, verabschiedet und ist derzeit vereinslos.
Mit Material von dpa.
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