Jan Adrian dribbelt mit dem Ball über das Fußballfeld. Von rechts kommt ein Spieler der gegnerischen Mannschaft auf ihn zu. So weit, so normal. Doch über den Augen tragen Jan und die anderen Spieler eine dunkel Brille. Der Ball macht ein schepperndes Geräusch. In seinem Innern ist eine Rassel verbaut, die jeder hört. Denn alle Spieler sind blind oder stark sehbehindert.
Die Brille tragen sie, damit die Chancen für alle gleich sind. Einige haben nämlich noch zehn Prozent Sehkraft, andere nur noch zwei Prozent. Die Koordination läuft über Kommandos. Das Spanische "voy" rufen die Spieler, wenn sie auf den anderen Spieler zugehen. Alles läuft über Kommandos. Die Spieler rufen ständig. Torwart und Trainer können sehen und helfen ebenfalls mit Rufen. So funktioniert Blindenfußball. Eine große Herausforderung für die Fußballer.
Seit über einem Jahr regelmäßiges Training
Jan Adrian steht mit dem Ball etwa fünf Meter vor dem Tor. Der Trainer ruft ihm zu, damit er besser abschätzen kann, in welche Richtung er schießen muss. Er zieht durch und der Ball landet im Netz. Fußball war schon immer seine große Leidenschaft. Als die Sehkraft des 24-Jährigen immer schlechter wurde, hat er nach Alternativen gesucht und deshalb die Mannschaft beim FC Ingolstadt ins Leben gerufen.
Unterstützung kam von den Schanzern des FCI. Gemeinsam kümmerten sie sich um Ausstattung und verfügbare Plätze. Zu Beginn waren sie nur zu zweit. "Es ist echt super. Mittlerweile sind wir sieben oder acht Spieler. Und es macht wirklich Spaß, weil es echt coole Leute sind", meint er. Die Herausforderung ist groß: Sie bewegen sich schnell mit dem Ball am Fuß, setzen sich gegen andere Spieler durch und treffen das Tor: "Wir haben viele auditive Quellen. Wir haben die Mitspieler, die reden, wir haben die Bälle. Ich habe den Trainer auf der anderen Seite. Auf dem anderen Trainingsplatz trainiert eine andere Mannschaft, da muss man echt schauen, dass man die Geräusche auseinanderhält", erzählt Jan.
Zweimal pro Woche trainieren sie. Die Mitspieler kommen teilweise sogar aus München oder Pfaffenhofen zum Training. Diese Bereitschaft, auch weitere Strecken in Kauf zu nehmen, sei wichtig, meint ein Sprecher des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbands. In Ballungsräume gebe es mittlerweile ein gutes Angebot. Auf dem Land sei es wichtig, flexibel zu sein. Die Ingolstädter haben jedenfalls ein großes Ziel: In der nächsten Saison in der Bundesliga mitzuspielen - als erste bayerische Mannschaft überhaupt.
Ziel: Bundesliga - als erste bayerische Mannschaft
Die Ingolstädter sind mit Leidenschaft und Freude auf dem Platz. Erste Turniererfahrungen haben sie bereits im vergangenen Jahr gesammelt. Auch die Trainer haben sich mit viel Freude auf das neue, etwas andere Training eingelassen: "Der Leistungsgedanke kommt erst im zweiten Schritt. Es ist ein cooles Team, das macht viel Freude", meint Trainer Georg Pegelhoff.
Die Herausforderung sei ganz einfach, das Tor zu treffen, aber das gelinge ihnen immer öfter. Aktuell spielen acht Blinden-Teams in der Bundesliga. Sie kommen hauptsächlich aus Nordrhein-Westfalen und Berlin. Eine bayerische Blindenmannschaft gibt es in der höchsten Spielklasse bislang noch nicht. Die Ingolstädter könnten die ersten sein. "Als Sportler hat man doch diesen gewissen Ehrgeiz etwas zu erreichen. Wo wir dann am Ende landen, muss man schauen. Aber das man weiß, da geht es um was. Und dass ich Bundesliga spiele – auch wenn es Blindenfußball ist -, klingt cool“, erzählt Spieler Elias begeistert.
Allerdings brauchen sie dafür noch ein paar Feldspieler und Torhüter. Jede Mannschaft tritt mit sieben Spielern an. Auch Frauen können mitmachen. Ingolstadt sei mit dem Zug gut zu erreichen, am Bahnhof hole man die Spieler von auswärts ab, erzählt Jan Adrian. So dass die Mannschaft auf für Menschen aus Augsburg, München oder Regensburg eine gute Option sein könnte.
Voraussetzungen für die Bundesliga
Jeder Spieler braucht einen Gesundheitspass, der die Sportfähigkeit bestätigt und einen Startpass, der die Sehbehinderung angibt. Die Spieler dürfen nicht mehr als 30 Prozent Sehkraft haben. Torhüter sind davon ausgenommen, die sollen ja sehen können und Kommandos geben, so ein Sprecher der Sepp-Herberger-Stiftung des DFB. Prinzipiell sei es auch das Ziel, weitere Teams in die Bundesliga aufzunehmen.
Bundesweit noch wenige Teams
Dass es derzeit nur acht Teams bundesweit gibt, liege zum einen an den Einstiegshürden in die komplexe Sportart Blindenfußball, die sehr hoch seien, so der Stiftungssprecher. Zudem erfolge eine strategische Förderung der Jugend bislang nur im geringen Ausmaß.
Und dass Sport vor Ort gelingen kann, liege auch am Engagement einzelner Sportler, die sich einbringen, heißt es vom Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband. Wie Jan Adrian in Ingolstadt. Die Spieler sind optimistisch: "Ich glaube schon, dass wir es schaffen werden, eine Mannschaft zu melden. Wie wir dann abschneiden, ist dann auch nicht so wichtig. Es geht um die Freude. Aber Letzter wollen wir natürlich nicht werden", meint Jan Adrian. Bis Ende Januar hat die Mannschaft noch Zeit, sich für die Blindenbundesliga anzumelden.
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