Vom Wartezimmer des Sozialverbands Vdk bis ins Büro des Altersvorsorge-Beraters Helmut Plenk sind es nur ein paar wenige Schritte. Den 55-jährigen Helmut Macher aus Niederbayern aber kosten sie sichtlich Überwindung. Er hat ein kaputtes Knie. Dennoch hat er den Weg hierher zur Beratung auf sich genommen. Bei der Beratungsstelle will er endlich erfahren, wie es für ihn weitergeht.
"Darüber habe ich mir noch nie Gedanken gemacht"
Der Autokranfahrer hatte im Dezember 2020 einen Unfall. Seitdem ist das rechte Knie lädiert, dazu kommt noch das Übergewicht. Seit mehr als anderthalb Jahren sitzt er zu Hause, kann kaum laufen, das Geld geht ihm aus, und er muss endlich seinen Antrag auf Erwerbsminderungsrente stellen.
Es ist das erste Mal in Helmut Machers Leben, dass er sich damit beschäftigen muss, was eigentlich kommt, wenn er nicht mehr im Arbeitsleben steht. "Darüber habe ich mir noch nie Gedanken gemacht", gibt Macher zu. "Wann auch? Ich war immer auf Montage, und soweit ich weiß, vergeben die bei der Rentenberatung keine Termine am Wochenende."
- Zur Übersicht: "Rund um die Rente: Infos, Nachrichten & Tipps"
Im Alter zehren wir vom Arbeitsleben
So wie Helmut Macher geht es vielen Menschen. Die Rente, das ist etwas für alte Leute. Nichts, was während des Arbeitslebens eine große Rolle spielt. Dabei ist genau das Gegenteil der Fall: Aus dem Arbeitsleben speist sich all das, wovon Menschen in der Altersrente zehren. Für Helmut Macher, der ganz plötzlich auf die Rentenkasse angewiesen ist, ist das eine bittere Erkenntnis. Denn wenn es bei ihm gesundheitlich nicht mehr besser wird und er nie wieder arbeiten kann, droht er, in die Altersarmut zu rutschen und auf staatliche Hilfen angewiesen zu sein.
Genau wegen solcher Fälle raten alle Expertinnen und Experten im Bereich Rente: Ab dem Moment, wo in einem Lebenslauf der erste rentenrelevante Schritt gemacht wird, sollten sich alle Bürgerinnen und Bürger, denen etwas an ihrem Lebensabend liegt, mit ihrem Rentenkonto befassen. Das Problem: Die wenigsten Menschen wissen, welche Schritte überhaupt relevant sind.
Prinzip: Je mehr, desto besser
Grundsätzlich gilt bei der Altersrente: Je mehr, desto besser. Und zwar nicht nur: Je mehr Einkünfte, desto höher fällt die Rentenzahlung aus. Sondern auch: Je mehr Erwerbsjahre jemand nachweisen kann, desto früher kann er oder sie auch in den Ruhestand gehen. Und gerade da gibt es viele Wissenslücken, erzählt Helmut Plenk, der Rentenberater beim Vdk in Deggendorf.
Beispielsweise habe er häufig Frauen in der Beratung, die lange daheim waren und sich um die Kinder gekümmert haben. Viel zu oft sitzen die in der Beratungsstunde, fiebern auf ihren Stichtag hin, und Helmut Plenk muss ihnen sagen: "Sie hätten schon vor zwei Jahren in den Ruhestand gehen können." Denn wenn diese arbeitenden Mütter besser informiert gewesen wären, dann hätten sie sich die Kinderjahre als Erwerbsjahre anrechnen lassen können.
- Zum Artikel: "Nicht erst mit 67: Wie kann ich früher in Rente gehen?"
Kinderbetreuungsjahre als Erwerbsjahre anrechnen
Um solche Situationen zu verhindern, sei es wichtig, sich rechtzeitig mit der Rente zu beschäftigen, so der Experte. "Rechtzeitig", das heißt: Allerspätestens mit 43 Jahren. Dann nämlich, wenn von der Rentenversicherung ein Schreiben zur Kontenklärung kommt. Das ist der Service, den die staatliche Rentenversicherung selbst anbietet, um Menschen zu ihrem bisherigen "Renten-Konto-Verlauf" so zu beraten, dass keine Lücken entstehen.
Rentenberatung zahlt sich immer aus
Dann heißt es oft: Lehrverträge heraussuchen. Denn darin sind Start und Ende der Ausbildungszeit festgehalten. Diese Zeiten können als Erwerbsjahre angerechnet werden. Und was kaum jemand weiß: Für diese Zeiten kann bis zum 45. Lebensjahr sogar Geld nachgezahlt werden, das dann bis zum Altersrenteneintritt immerhin mit vier Prozent in der Rentenkasse verzinst wird.
Neben Erziehungszeiten für Kinder beeinflussen auch die Pflege Angehöriger, Zeiten ohne Erwerbsarbeit und mit Sozialleistungsbezug, Krankenzeiten, Umschulungen oder Zeiten der Selbstständigkeit das Rentenkonto. All diese Fragen lassen sich im Rahmen einer Rentenberatung klären. Das Problem ist nur: Die wenigsten Menschen nehmen sich die Zeit dazu. Knapp die Hälfte aller Deutschen gab 2021 in einer Allensbach-Umfrage an, nicht sicher zu sein, ob ihre bisherigen Anstrengungen zur Altersvorsorge ausreichen.
- Zum Stundenfeature: "Arbeiten im Alter: Will ich? Darf ich? Kann ich noch?"
Immer mehr Beratungsangebote
Dabei gibt es inzwischen immer mehr Angebote für die Rentenberatung. Und zwar nicht nur bei der Rentenversicherung selbst, sondern auch bei Sozialverbänden und bei den Kommunen und Landratsämtern. Das System dahinter ist ähnlich wie bei der Steuerberatung für die Einkommensteuer. Verantwortlich für die Kontoführung sind alle Bürgerinnen und Bürger selbst - aber da das Rentensystem sehr kompliziert und weit verzweigt ist, gibt es Hilfe.
Auch Helmut Macher, der Autokranfahrer aus Deggendorf, wird sich jetzt helfen lassen und sein Konto auf Vordermann bringen. Denn beim Anblick des etwa 50-seitigen Antragsstapels, den der Berater Plenk vor ihm ausbreitet, fragt er sich schon: Wer soll das alles ausfüllen?
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