Für Emma Herzinger startet ein neuer Lebensabschnitt. Sie ist eine von 15.500 Auszubildenden im bayerischen Handwerk und ab sofort Lehrling bei Stefan Barhainski, dem Inhaber der Schreinerei Seeholz in Frasdorf im oberbayerischen Landkreis Rosenheim. Etwas Erfahrung und reichlich Motivation bringt sie mit, denn ihr Vater führt selbst eine Schreinerei. "Ich sehe immer, was er Schönes und Einzigartiges herstellt, daher war es naheliegend, dass ich denselben Weg einschlage wie er", sagt die 19-Jährige.
Vor einem Jahr hat sie ihr Abitur gemacht, dann ein Berufsgrundbildungsjahr, in dem sie viel Theorie über das Schreinerhandwerk gelernt und auch schon in den Betrieb von Stefan Barhainski hineingeschnuppert hat. Jetzt kommt sie von Montag bis Freitag, um das Schreinerhandwerk von Grund auf zu lernen. Mit dabei sind Aufgaben wie Schleifen und Ölen – Grundhandwerkszeug und "Sachen, die dazu gehören, die gemacht werden müssen". Wenn man dann mal an der Kreissäge ist, "dann ist es schon cool", findet die Auszubildende.
Handwerk: Mehr weiblicher Nachwuchs gesucht
Für Stefan Barhainski ist es absolut notwendig auszubilden, um den Nachwuchs in seinem Unternehmen mit elf Vollzeitkräften zu sichern. Von vier Lehrlingen würde in der Regel einer bleiben. Daher sei es wichtig, möglichst viel auszubilden.
Mit gerade einmal 15 Prozent gibt es im Handwerk wenig Frauen. Stefan Barhainski würde sich mehr wünschen, auch weil er sehr gute Erfahrungen gemacht hat. Seine zwei letzten Auszubildenden gehören zu den Absolventinnen und Absolventen mit den besten Abschlüssen in Bayern. "Unsere Erfahrung mit den weiblichen Lehrmädels ist, dass sogar noch gründlicher, vielleicht auch mit ein bisschen mehr Feingefühl gearbeitet wird, wenn irgendwas einfach schön gemacht werden soll", sagt Barhainski.
Vorteil Handwerk: Mit den Händen arbeiten
Doch nicht nur Frauen fehlen. Egal ob in Industrie, Handel, Dienstleistung oder Handwerk – rein rechnerisch kommen auf jeden unversorgten Bewerber zweieinhalb freie Lehrstellen. Eine Herausforderung, die gelöst werden muss, findet Franz Xaver Peteranderl, Präsident der Handwerkskammer für München und Oberbayern: "Wir müssen die jungen Leute motivieren, sich mit Handwerk zu beschäftigen, damit sie erfahren, wie erfüllend Handwerk sein kann, welche Möglichkeiten ihnen das Handwerk und die Unternehmen bieten und welche Chancen sie für die Zukunft haben." Nicht jeder sei für ein Studium geeignet. Viele junge Studierende würden das Studium abbrechen und "dann ins Handwerk kommen, um zu entdecken, dass ihnen das liegt, weil sie praktisch mit ihren Händen arbeiten können und am Abend sehen wollen, was sie gemacht haben".
BIHK: Positives Signal für die Ausbildung
Auch die Industrie- und Handelskammern (IHK), die in Bayern für rund 60 Prozent aller Ausbildungsverhältnisse stehen, brauchen Nachwuchs. Die bayerischen IHKs verzeichneten Ende Juli knapp 37.000 abgeschlossene Ausbildungsverträge – ein Plus von zwei Prozent gegenüber dem Vorjahr. BIHK-Präsident Klaus Lutz sieht das positiv: "Wenn sich dieser Trend durch die Sommerferien bestätigen sollte, wäre das trotz der konjunkturellen Schwäche in weiten Teilen der Wirtschaft erneut ein positives Signal für die Ausbildung."
Spätentschlossene ruft der BIHK-Präsident auf, sich bei den Betrieben zu melden. Für sie gebe es auch jetzt viele Chancen, ab September mit ihrer beruflichen Karriere durchzustarten. Betriebe überall in Bayern bieten noch Stellen an – einige starten die Ausbildung auch erst im November oder Dezember. Die IHKs in Bayern zählen rund 27.000 Ausbildungsbetriebe in Industrie, Handel und im Dienstleistungsbereich.
Emma Herzinger ist die nächsten zwei Jahre aufgehoben und verfolgt zielstrebig ihre Karriere – viel Pause machen will sie nicht: Nach ihrer Ausbildung soll es gleich weiter gehen, mit einem Architektur- oder Innenarchitektur-Studium. "Da bringt mir das Schreinerhandwerk viel, denn das ist einfach Praxiserfahrung, die mir keiner mehr nehmen kann."
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