Selbst so gestandene Politprofis wie der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter sind vor Trickbetrügern nicht gefeit. Der SPD-Politiker wäre fast auf eine vermeintliche SMS-Nachricht seiner Tochter reingefallen. Als er gerade im Finanzausschuss saß, erhielt er eine Nachricht auf sein Smartphone. Angeblich von seiner Tochter, die ihn darüber informierte, dass ihr altes Handy kaputt sei und sie eine neue Nummer habe. Als Reiter darauf antwortete, brauchte sie auf einmal ganz schnell mehr als 2.000 Euro. Reiter schickte die Nachricht seiner Frau, die ihm antwortete, das sei doch Fake.
Nicht alle schaffen es, den Trickbetrug am Telefon, per WhatsApp oder E-Mail rechtzeitig zu erkennen. Es kann jeden treffen, ob jung oder alt, betont der Sprecher des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands Thomas Rienecker. "Diese Nachrichten erwischen einen meistens kalt," so Rienecker. Es werde Eile suggeriert, sodass man keine Zeit habe, zu überlegen. "Da ist niemand davor gefeit und es ist nicht so, dass es klassischerweise nur ältere Menschen trifft."
Trotz Aufklärung fallen viele Kunden darauf herein
Die Täter setzten darauf, dass die Empfänger der Nachrichten in eine Schock-Situation geraten, während sie gerade mit etwas anderem beschäftigt seien, erklärt Daniel Riester, Spezialist bei der Sparda-Bank München in Sachen Betrug und Geldwäscheprävention. Darum fallen immer noch Menschen auf die Betrugsmasche rein, trotz der zahlreichen Berichte und Warnhinweise der Banken. Die Geldinstitute lassen sich viel einfallen, um zu warnen. So gibt es entsprechende Informationen auf den Internetseiten der Geldhäuser und Verbände. Die Sparda-Bank München lädt zum Beispiel auch zu Webinaren oder Präsenzveranstaltungen zusammen mit der Polizei ein.
Das Bundeskriminalamt meldete jüngst, dass in den ersten acht Monaten des vergangenen Jahres mehr als 40.000 Fälle bundesweit gemeldet wurden, bei rund einem Viertel, also in 10.000 Fällen waren die Betrüger erfolgreich; der Schaden lag den Angaben nach bei rund 22 Millionen Euro. Das Bayerische Landeskriminalamt zählte im vergangenen Jahr mehr als 11.000 Anzeigen, in vielen Fällen waren die Betrüger auch hier erfolgreich. Vergleichswerte aus den Vorjahren gibt es nicht, denn da diese kriminelle Masche erst 2022 massenhaft in Erscheinung trat, wurden solche Fälle vorher nicht erfasst, wie eine Sprecherin des Landeskriminalamtes auf Anfrage erklärt.
Trickbetrüger agieren oft vom Ausland aus
Der Kriminaloberrat und Experte bei der Münchner Polizei Arno Helfrich bittet darum, jeden Fall anzuzeigen, auch wenn es nicht zum Schaden gekommen ist. Man sei über jede Anzeige froh. So könnten die Ermittler die Fälle zusammenführen. "Das ist natürlich ein ganz anders Pfund, bei Gericht sagen zu können, das sind 20 oder 25 Fälle", erläutert Helfrich. Es sei wichtig, den Tätern nachzuweisen, dass sie organisiert und gewerbsmäßig vorgingen. "Dann sind die Strafen, die vor Gericht ausgesprochen werden, empfindlich und es soll ja dann auch eine abschreckende Wirkung haben."
Die Ermittlungen gestalten sich insgesamt schwierig. Viele Täter sitzen offensichtlich im Ausland, sie agieren von professionellen Call Centern aus und auch das Geld fließt häufig über die Grenzen. Im vergangenen Jahr erbeuteten Trickbetrüger allein in München rund 8,1 Millionen Euro per Telefon. Die Ermittlungen laufen, so Helfrich, auch wenn sie aufwendig seien: "Wir bleiben dran.“
Bank senkt Überweisungslimit zum Schutz der Kunden
Die Sparkasse Nürnberg entschied sich zum Schutz ihrer Kundinnen und Kunden vor Kurzem zu einem ungewöhnlichen Schritt. Über Ostern senkte sie das Online-Überweisungslimit auf 3.000 Euro, um mögliche unentdeckte Schäden bei Betrügereien über die Feiertage relativ gering zu halten. Ob die Sparkasse auch künftig solche Vorsichtsmaßnahmen ergreifen wird, dazu kann Pressesprecherin Sarah Schmoll nichts sagen: aus Sicherheitsgründen.
Denn die Betrüger reagieren auf die Vorsichtsmaßnahmen der Banken. Neben scharfen Sicherheitsmaßnahmen wollen die Geldinstitute auf der anderen Seite den Kunden und Kundinnen das Überweisen so bequem wie möglich machen, also ohne viele Pin-Nummern, Passwörter oder Limits. Es ist also ein Abwägen zwischen Sicherheit und Komfort.
Betrüger versuchen die Kunden zu manipulieren
Warum die Geldhäuser dabei vor allem auf die Vorsicht ihrer Kundinnen und Kunden angewiesen sind, erklärt der Pressesprecher des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands Thomas Rienecker: "Die Betrüger manipulieren die Menschen, Passwörter oder Pin-Nummern rauszugeben. Das kann man sich vorstellen wie einen großen Safe aus dickem Metall. Den brauche ich gar nicht aufzuschweißen, wenn ich weiß, wer den Schlüssel hat."
Dabei fischen die Betrüger oft im Trüben. Sie hoffen darauf, dass von den zig Millionen Bankkunden hierzulande ihnen der eine oder andere ins Netz geht, wie Thomas Rienecker erklärt. Die Wahrscheinlichkeit sei hoch, zum Beispiel bei 50 Millionen Sparkassen-Kunden mit einer gefälschten SMS einen dieser Kunden zu treffen.
Banken analysieren auffällige Kontobewegungen
Der Sparkassenverband hat ein eigenes Team, um die betrügerischen Mails und Webseiten zu analysieren. Neben den zahlreichen Experten der Sparkassengruppe hat mittlerweile jede Bank Mitarbeiter, die sich mit Betrug beschäftigen. Was in den Geldinstituten genau gemacht wird, darüber schweigen sich die Experten lieber aus.
Bekannt ist, dass Banken auf Software setzen, die auf verdächtige Zahlungen achtet, auf - für den Kunden - zum Beispiel ungewöhnlich hohe Summen, die hier überwiesen werden sollen, oder wenn zum Beispiel eine Überweisung in ein Land gehen soll, in welches der Kunde eigentlich sonst keine Zahlungen tätigt. Die Software filtert solche Überweisungen aus und Mitarbeiter des Instituts schauen sich den Fall dann etwas genauer an. Im besten Fall halten sie die Zahlung zurück, doch oft haben die Kriminellen auch Erfolg.
Verbraucherschützer appelliert an Banken und Kunden
Die Banken könnten mehr tun, meint der Jurist der Verbraucherzentrale Bayern Sascha Straub: "Offenbar sind sie mit der Flut der Maßnahmen überfordert, insofern, dass es eben nicht reicht, diese Masche komplett zu beenden", sagt der Verbraucherschützer. Die Banken seien strukturell noch nicht "auf dem richtigen Stand."
Aber auch die Verbraucher seien in der Verantwortung. "Wir hatten eine gewisse Lernkurve bei Spam und Phishing-Mails, da hat man viel dazugelernt als Verbraucher, aber das gleiche Phänomen haben wir jetzt bei den Messenger-Diensten." Die Verbraucher müssten sensibler auf die neue Betrugsmasche reagieren.
Kunden müssen Ruhe bewahren
Daniel Riester, Sicherheitsexperte bei der Sparda-Bank München, rät Kunden, vor allem Ruhe zu bewahren, einmal durchzuatmen und einfach Tochter oder Sohn anzurufen, um zu prüfen, ob die WhatsApp oder die SMS tatsächlich von ihr oder ihm stammt. Auch wenn es nicht zum Schaden kommt, sollten Kunden Anzeige bei der Polizei erstatten.
Falls die Kunden auf die Betrugsmasche reingefallen sind, sollten sie sich mit der Bank in Verbindung setzen. "Dann haben wir eine gewisse Zeitspanne, in der wir die Überweisung rückgängig machen können", sagt Riester. Die Zeitspanne ist aber recht kurz. Eine halbe Stunde nach Auftragseingang ist das Geld raus. Und Überweisungsrückrufe sind in diesen Fällen selten erfolgreich. Denn auch die Betrüger wissen, dass sie die Beute schnell verstecken müssen.
Mehr dazu hören Sie im Funkstreifzug-Podcast. Abrufbar zum Beispiel in der ARD-Audiothek.
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