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Rund 480 Milliarden Euro will die Bundesregierung im kommenden Jahr ausgeben, knapp 44 Milliarden davon auf Pump. Das hat das Kabinett in Berlin in dieser Woche beschlossen. Viele Fragen sind aber noch offen.
Das Thema bewegt die Kommentatoren in den Medien und auch viele unserer Nutzer: Man müsse die Politik doch mal an den ursprünglichen Sinn von "haushalten" erinnern, schreibt beispielsweise User "probonocontramalum" bei BR24: "Haushalten meint, mit den vorhandenen Mitteln sinnvoll und sparsam umzugehen." Und "Erich17" ist sogar der Meinung: "Jeder Unternehmer, der so handeln würde, wäre wegen Insolvenzverschleppung im Knast."
Nun kann man über die konkreten Ausgaben und so manche "Kunstgriffe" der Politik trefflich streiten – manche User halten die Sozialausgaben für zu hoch, andere die Kosten für die Verwaltung, wieder andere können sich eine höhere Verschuldung zur Finanzierung von Investitionen vorstellen. Doch wie steht es um den generellen Vergleich zwischen Staat und Unternehmen?
Staaten und Unternehmen: Andere Organisation, andere Ziele
Wer die Organisation von Staaten zum Maßstab nimmt, stellt fest: Staaten funktionieren ganz anders als Unternehmen. Politiker werden in Demokratien gewählt – und können bei Misserfolg abgewählt werden. Firmen dagegen werden von persönlich haftenden Inhabern geführt oder von beauftragten Managern. Sie verlieren ihren Job entweder, weil ihnen von den Inhabern eines Unternehmens, also zum Beispiel den von Aktionären gewählten Aufsichtsräten, das Vertrauen entzogen wird, oder durch Misserfolg am Markt.
Auch die Ziele sind völlig unterschiedlich: Politiker müssen, wenn sie wiedergewählt werden wollen, auf sehr unterschiedliche Wünsche eingehen. Sie sollten also auf einen Ausgleich von verschiedenen Interessen und Zielen bedacht sein. Unternehmer und Manager können sich dagegen vor allem auf ein Ziel konzentrieren: die Gewinnerzielung durch das Angebot möglichst guter Produkte und Dienstleistungen.
Ressourcen sind nicht unendlich – das gilt für alle
Eines verbindet Politiker und Unternehmer: Die Ressourcen sind begrenzt. Kein Betrieb kann unendlich in neue Fabriken investieren, selbst wenn noch so hohe Renditen winken – irgendwann spielen Kapitalgeber oder Banken einfach nicht mehr mit. Und auch Staaten kommen bei ihren Ausgaben an Grenzen, wie das harte Ringen um den Bundeshaushalt 2025 zeigt.
Nun mag man einwenden, dass die Politik die Möglichkeit hat, Steuern und Schulden zu erhöhen, um mehr Einnahmen zu erzielen und damit den Verteilungsspielraum zu erhöhen. Doch das ist nicht so einfach, wie es klingt.
Möglichkeiten und Grenzen von Steuererhöhungen
Beispiel Steuern: Eine Steuererhöhung um zehn Prozent führt in der Regel nicht zu einem Steuer-Plus von zehn Prozent. Warum? Es gibt Ausweicheffekte: Manche werden wegen der höheren Steuerlast einfach weniger arbeiten, andere vielleicht sogar das Weite suchen und ins Ausland ziehen. Insbesondere Vermögende und Unternehmen reagieren sehr sensibel auf höhere Steuern.
Der US-Ökonom Arthur Laffer soll das Prinzip dahinter einmal in einem Restaurant in Washington auf eine Serviette gekritzelt haben: Bei einem Steuersatz von 0 Prozent hat der Staat verständlicherweise keine Einnahmen, bei einem Steuersatz von 100 Prozent hat er aber auch keine Einnahmen – wirtschaftliches Handeln käme dann nämlich komplett zum Erliegen. Zwischen diesen Extremen ergibt sich eine Kurve (die sogenannte Laffer-Kurve), bei der die staatlichen Einnahmen mit dem Steuersatz zunächst ansteigen, ab einem bestimmten Steuersatz aber wieder sinken.
Die Höhe der Verschuldung hat Einfluss auf die Zinsen
Auch der Verschuldung von Staaten sind Grenzen gesetzt. Zwar gelten Staaten in der Regel als gute Schuldner, weil sie dank der Steuern vergleichsweise sichere Einnahmen aufweisen. Schließlich sind Steuern Zwangsabgaben, die sie den Bürgern aufbrummen können.
Doch auch die Kreditwürdigkeit von Staaten kann leiden, wie die Euro-Krise um die Jahre 2010/2011 gezeigt hat. Staaten, bei denen Zweifel an der Rückzahlung der Schulden aufkamen, mussten deutlich höhere Zinsen zahlen und gerieten sogar an den Rand der Zahlungsunfähigkeit.
Können Staaten pleitegehen? Ja und nein!
Insofern ist auch die Frage, ob Staaten pleitegehen können, nicht eindeutig zu beantworten. Formal nein – es gibt auch keine Insolvenzordnung für Staaten, obwohl es zum Beispiel auf Ebene des Internationalen Währungsfonds immer mal wieder entsprechende Ansätze gab. Der Sache nach aber können Staaten natürlich pleitegehen: Eben dann, wenn sie Zahlungsverpflichtungen nicht mehr erfüllen können.
In diesem Sinn gab es allein in den vergangenen 100 Jahren mehr als 100 Staatsbankrotte, auch wenn sie nicht so hießen. Mal sprach man von Währungsreformen, mal von Währungsschnitten, mal von Umschuldungen. In der Regel hatten diese De-facto-Pleiten mit einer überhöhten Staatsverschuldung und einem mangelnden Vertrauen der Anleger auf den Märkten zu tun. Insofern ist die Frage nach der Höhe der Staatsschulden durchaus relevant für das Ansehen und die Handlungsfähigkeit von Staaten – ebenso wie bei Unternehmen.
Fazit
Fazit: Staaten können nicht einfach mit Unternehmen gleichgesetzt werden. Ziele und Organisationsformen sind einfach zu unterschiedlich. Staaten können im Unterschied zu Unternehmen auch nicht einfach pleitegehen. Doch sie können ebenso wie Unternehmen Vertrauen verlieren, was sich in höheren Zinsen oder auch der Auswanderung von Menschen zeigt. Es ist also durchaus berechtigt, von der Politik ein wirtschaftlich vernünftiges Handeln zu erwarten.
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