Die gesamte Lastwagenflotte, alle Bagger und sämtliche firmeneigenen PKW des Recyclingunternehmens Böhme in Rehau werden seit einem Jahr nur noch mit dem Diesel-Ersatztreibstoff HVO100 betankt. HVO steht als Abkürzung für "Hydrotreated Vegetable Oil". Dieser Ökodiesel wird aus erneuerbaren Rohstoffen hergestellt.
Frittenfett statt Diesel
Vereinfacht gesprochen fährt die Flotte nun mit altem Frittenfett. Denn der synthetisch hergestellte Kraftstoff HVO100 besteht ausschließlich aus erneuerbaren Rohstoffen, reduziert die weltweit hohen Treibhausgas-Emissionen um bis zu 92 Prozent im Vergleich zu fossilem Diesel und ist für nahezu alle Dieselmotoren geeignet.
Stefan Böhme ist Firmeninhaber und Geschäftsführer der Recyclingfirma Böhme GmbH aus dem Landkreis Hof. Er hat sich Anfang des vergangenen Jahres zu dem Experiment mit der Diesel-Alternative entschlossen. Sein Ziel: die CO₂-Emissionen der Firma deutlich zu senken.
Ein Jahr HVO100 zeigt Wirkung
Durch die Umstellung auf HVO im April 2023 konnte die Böhme GmbH nun bereits erhebliche CO₂-Einsparungen an ihren Standorten in Rehau und im nahegelegenen Oberpferdt verzeichnen. Obwohl im Vergleich zum Vorjahreszeitraum mehr Kilometer für Transporte zurückgelegt wurden und mehr Material in den Sortieranlagen bewegt wurde, konnte der CO₂-Ausstoß der Fahrzeugflotte um 91,27 Prozent verringert werden.
Stefan Böhme verweist auf über 1.625.000 Kilogramm CO₂, die eingespart wurden. Um diese Menge zu binden, bräuchte man einen Wald mit über 100.000 ausgewachsenen Bäumen.
Anfangsschwierigkeiten und Mehrkosten
Böhmes Fahrzeugflotte umfasst mehr als 50 Fahrzeuge. Bei den Herstellern musste der Firmenchef abfragen, ob Laster, Autos und Co. mit der Dieselalternative betankt werden dürfen. Die Umstellung auf den synthetisch hergestellten Kraftstoff auf Pflanzenölbasis war anfangs teuer. In den ersten Monaten bezahlte der Unternehmer für den Liter HVO bis zu 30 Cent mehr als für herkömmlichen fossilen Diesel. Über das gesamte Jahr gerechnet belaufen sich die Mehrkosten auf rund 100.000 Euro.
Doch jetzt stabilisiert sich der Preis für HVO langsam und liegt aktuell nur einen Cent über dem Dieselpreis. Stefan Böhme ist davon überzeugt, dass der neuartige Ersatz-Kraftstoff auf Dauer eine umweltfreundliche Alternative für viele Besitzer von Dieselfahrzeugen darstellen könnte.
Seit Ende Mai auch an Tankstellen erhältlich
Seit dem 29. Mai 2024 darf HVO100 in reiner Form auch an öffentlichen Tankstellen angeboten werden, was an einigen Tankstellen auch schon umgesetzt wurde. Regionale Mineralölunternehmen vertreiben den neuartigen Kraftstoff. Doch noch sei die Nachfrage bei Privatkunden eher verhalten, berichtet Sebastian Leu, der Geschäftsführer der Firma Leu Energie GmbH und Co KG in Hof. Er bezieht HVO100 von Raffinerien, die Frittenfett und Co. aufbereiten und zu der Dieselalternative umbauen.
"Kein erhöhter energetischer Aufwand"
💬 BR24-User wie "Rook" und "chattia" haben in den Kommentaren Fragen zur verfügbaren Menge und der benötigten Energie bei der Herstellung von HVO100 gestellt. Das Team von "Dein Argument" hat ergänzt:
HVO-Hersteller Neste rechnet damit, dass biogene Kraftstoffe, bis 2040 etwa eine Milliarde Tonnen Rohöl ersetzen können. Das mache etwa 40 Prozent des weltweiten Bedarfs im Transport aus. Auch der UNITI Bundesverband Energie Mittelstand geht davon aus, dass nachhaltigere Dieselreinkraftstoffe wie HVO100 einen wichtigen Beitrag dabei leisten können, Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor klimaschonender zu betreiben.
Bei Produktion, Transport und Nutzung von HVO100 entstehe kein erhöhter energetischer Aufwand, der das CO₂-Minderungspotenzial von HVO gleich wieder zunichtemachen würde, so ein Sprecher des Wirtschaftsverbands Fuels und Energie e. V. 💬
HVO als Baustein auf dem Weg zur CO₂-neutralen Firma
Rund 10.000 Liter HVO werden bei Böhme in Rehau jede Woche verbraucht. Die gleiche Menge hat der Unternehmer vorher an Diesel benötigt. Die vollständige Umstellung auf HVO100 statt fossilem Diesel ist dabei nur ein Baustein zur CO₂-Einsparung: Am Standort in Kühschwitz, der zweitgrößten Sortieranlage für Leichtverpackungen in Bayern, setzt man schon lange auf die Nutzung von Fernwärme aus der benachbarten Biogasanlage, nutzt Regenwasser als Brauchwasser und erforscht und entwickelt laufend neue Ansätze zum Energiemanagement beim Anlagenbetrieb.
Aktuell investiert Stefan Böhme in siebenstelliger Höhe in die Überdachung der Lagerflächen mit Photovoltaik-Dächern und in ein betriebsinternes Stromnetz inklusive Batteriespeicher, um den Anlagenbetrieb und bald auch Teile des Fuhrparks mit selbst erzeugtem Strom zu versorgen. Die bereits erreichte CO₂-Reduzierung durch die Umstellung auf HVO100 von fast 92 Prozent ist dabei für die Recyclingfirma nur ein Zwischenziel: Mit 100 Prozent selbst erzeugtem PV-Strom angetriebene Entsorgungsfahrzeuge sollen folgen.
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