Mit der Inflation steigen die Preise, vom Gehalt bleibt immer weniger übrig. Erdgas ist enorm teuer geworden - aber auch Strom und Sprit. Die Unsicherheit bei Arbeitnehmern wächst deshalb, ob das Gehalt weiterhin zum Leben reicht und ob der Arbeitsplatz noch sicher ist.
Preisexplosion macht Familie zu schaffen
Im oberfränkischen Stockheim bei Kronach leben Özlem Alkoyun und ihr Mann Örsan Alkoyun mit ihren beiden Kindern. Das Haus müssen sie noch abbezahlen. Sie haben es erst vor vier Jahren gekauft. Beide arbeiten in der gleichen Firma: bei einem großen Glashersteller. Mit ihren Gehältern sind sie immer gut über die Runden gekommen, aber die aktuelle Preisexplosion macht ihnen zu schaffen, wie Özlem Alkoyun bestätigt: "Früher habe ich beim Einkaufen nicht so viel darüber nachgedacht, was wieviel kostet – aber mittlerweile achtet man schon auf die Preise und vergleicht die Preise."
Örsan Alkoyun hat 50 Kilometer Arbeitsweg jeden Tag. Er kann nicht im Homeoffice arbeiten. Deshalb hat er ein kleines E-Auto geleast. "Ich spare mir jetzt einiges an Spritkosten und das tut halt finanziell ein bisschen entlasten, weil wir auf der Arbeit unsere Elektroautos aufladen dürfen", sagt Örsan Alkoyun.
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Glasindustrie: Sorgen wegen hoher Energiepreise
Die Glasindustrie ist der größte Arbeitgeber in dieser Gegend und eigentlich ein Garant für einen sicheren Job – doch seit die Energiekosten explodiert sind und ein Gasembargo droht, herrscht Unsicherheit in der Belegschaft. "Man hat trotzdem Angst, weil wir sind eine kleine Region hier in Oberfranken und wir sind halt trotzdem von der Glasindustrie auch abhängig", sagt Örsan Alkoyun. "Man macht sich schon Sorgen. Diese Ungewissheit: 'Wie geht es weiter mit dem Gas?'"
Das Familienunternehmen stellt Parfum-Flakons her. Örsan Alkoyun ist seit 20 Jahren dort beschäftigt und hat sich bis zum Meister hochgearbeitet. Als Betriebsrat wird der 36-Jährige immer öfter mit der Angst seiner Kollegen vor Arbeitslosigkeit konfrontiert – und die scheint durchaus berechtigt: Im Fall eines Gasembargos prognostizieren führende Wirtschaftsinstitute einen deutlichen Anstieg der Arbeitslosenquote. 2023 könnte sie deutschlandweit bei sechs Prozent liegen.
Nach der Arbeit kauft Örsan Alkoyun noch Obst und Gemüse ein: ein paar Bananen, vier Äpfel, eine Schale Erdbeeren und eine Gurke – für 11,20 Euro. Bei einer vierköpfigen Familie ist dieser Einkauf an einem Abend aufgebraucht. Der Familienvater bekommt immer weniger für sein Gehalt und sagt: "Ich denke schon, dass man langsam die Löhne anpassen müsste, weil, ihr habt es ja jetzt selber gesehen, wir haben 11,20 bezahlt für ein bisschen Obst. Langsam wird es schon Zeit, dass man sagt: 'Wir passen mal die Löhne an!'". Die Arbeitnehmer fordern mehr Gehalt. Lohnsteigerungen heizen aber die Inflation weiter an. Ein Teufelskreis, in dem sich die Wirtschaft befindet.
Krisenstimmung im Stahlwerk – trotz voller Auftragsbücher
Im Stahlwerk Annahütte im Berchtesgadener Land in Oberbayern sind 600 Menschen beschäftigt. Sie produzieren mehr als eine Million Tonnen Stahl pro Jahr. Die Auftragsbücher sind voll und trotzdem herrscht hier Krisenstimmung. Die Energiekosten haben sich in den vergangenen Monaten verfünffacht und machen die Produktion unrentabel. An einem anderen Standort wurde bereits ein Schmelzofen kurzfristig abgeschaltet. Ein drastischer Schritt.
"Die Mitarbeiter machen sich Sorgen, was zukünftig ist, ob sie zukünftig noch genügend Arbeit haben. Auch, wenn Kurzarbeit ein tolles Prinzip ist, es bleibt trotzdem deutlich weniger Geld in der Tasche und für den einfachen Arbeiter ist das schon dann gravierend", sagt Professor Klaus Krüger von der Unternehmensentwicklung Max Aicher GmbH & Co KG.
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Einkommensverluste nicht mehr auszuschließen
Christian Kamml arbeitet im Walzwerk und hat an diesem Tag Frühschicht. Seit 5.30 Uhr ist er im Betrieb. Noch läuft die Annahütte rund um die Uhr. Das kann sich aber jederzeit ändern. Die Firma fährt auf Sicht, langfristige Planung ist derzeit kaum möglich. Einmal pro Woche erfahren die Mitarbeiter von der Geschäftsführung, wie es weitergeht. Kurzarbeit und Einkommensverluste sind nicht mehr auszuschließen.
Elektromeister Engelbert Hochradl ist seit 40 Jahren im Stahlwerk Annahütte beschäftigt und hat schon einige Krisen erlebt. So akut wie jetzt war es aber noch nie. "Das sind wertige Arbeitsplätze, die sind gut bezahlt", sagt Hochradl. "Es ist ja eigentlich auch die Politik gefordert, dass diese Arbeitsplätze in der Region erhalten bleiben."
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