Den verpflichtenden Rückruf hat das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) nach Informationen von BR Recherche am 20. November angeordnet. Betroffen sind die Audi-Modelle A4, A6 und A8 sowie der VW-Touareg, in denen jeweils ein 3.0 Liter Diesel-Motor der Abgasnorm Euro 4 verbaut ist. Die Fahrzeuge wurden zwischen 2003 und 2009 in Deutschland zugelassen. Schon Anfang November hatte das KBA 40.000 ältere Euro 4-Diesel von Audi zurückgerufen. Dabei ging es um Fahrzeuge mit einem kleineren 2,7 Liter Diesel-Motor.
In Deutschland müssen Audi und VW jetzt insgesamt 105.000 ältere Dieselfahrzeuge umrüsten. Auf Anfrage erklärte Audi zum aktuellen Rückruf, man werde eine geeignete technische Lösung vorstellen: "Nach deren Freigabe wird Audi die Kundenfahrzeuge in die Werkstätten zurückrufen."
Frühe und umfassende Manipulation
Der weitere Rückruf zeigt, dass Audi schon ab 2003 bei Dieselautos offenbar flächendeckend manipuliert hat. Über den frühen Beginn des Diesel-Skandals hat der Bayerische Rundfunk in der Fernsehdokumentation "Der Fall Audi" erstmals im Juli berichtet.
Bei den älteren Euro 4 Diesel-Fahrzeugen von Audi und VW geht es um die sogenannte Akustikfunktion. Sie wurde bei Audi entwickelt, um beim damals neuen V6-Dieselmotor unangenehme Geräusche, häufig beschrieben als "Nageln", zu vermindern. Tatsächlich erkennt die Software aber, ob ein Fahrzeug auf dem Prüfstand steht. Dann wird der Stickoxid-Ausstoß des Motors verringert. Bei Fahrten auf der Straße wird die Abgasreinigung dagegen abgeschaltet. Die gesundheitsgefährlichen Stickoxide gehen dann weitgehend ungefiltert in die Luft.
In einem internen Vermerk, der BR Recherche vorliegt, kam das Kraftfahrt-Bundesamt im Juli 2018 zu dem Schluss: "Die Funktionalität wird daher als unzulässige Abschalteinrichtung eingestuft."
Audi argumentierte mit Motorschutz
Bereits im Dezember 2015 hegte das Kraftfahrt-Bundesamt den Verdacht, dass die Akustikfunktion das Abgasverhalten bei Euro 4-Dieseln in unzulässiger Weise beeinflusst.
Audi argumentierte gegenüber der Behörde lange, die Software diene allein dazu, den Motor zu schützen. Sonst könnten sogenannte Keramikglühkerzen brechen. Dabei verschwieg der Ingolstädter Autobauer allerdings, dass diese Keramikglühkerzen schon im August 2004 durch Stahlstifte ersetzt worden waren. Das geht aus internen Dokumenten hervor.
Das Argument "Motorschutz" widerlegt auch eine Untersuchung des Motorexperten Prof. Georg Wachtmeister von der TU München. In seinem Gutachten, das BR Recherche und dem Transparenzportal "Frag den Staat" vorliegt, heißt es: "Eine Anwendung von Bauteil- bzw. Motorschutz ist mit den von Audi vorgebrachten Argumenten nicht gegeben. Damit wird in Fällen der Grenzwertüberschreitung die Akustikfunktion als unerlaubte Abschalteinrichtung eingestuft."
Schadensersatzansprüche könnten verjährt sein
Der aktuelle Rückruf kommt für die meisten Besitzer eines betroffenen Modells womöglich zu spät. Verbraucheranwälte befürchten, Schadensersatzansprüche könnten verjährt sein. Sofern man von einem Schaden keine Kenntnis hat, gilt nämlich eine Verjährungsfrist von zehn Jahren. Entscheidend ist dabei der Abschluss des Kaufvertrags. Wer sein Fahrzeug vor mehr als zehn Jahren gekauft hat, dürfte daher kaum noch Chancen auf Schadenersatz haben.