Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW)
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DIW-Chef Fratzscher: Wirtschaftliche Lage besser als befürchtet

Nach Einschätzung von Marcel Fratzscher, dem Präsidenten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), ist die wirtschaftliche Situation in Deutschland besser, als sie von vielen dargestellt werde. Das erklärte Fratzscher im BR24-Interview.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im BR Fernsehen am .

Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, hält die wirtschaftliche Situation in Deutschland für besser, als von vielen dargestellt. Man beobachte eine Stagnation. Dennoch habe man im vergangenen Jahr noch Schlimmeres befürchtet.

Das Kernproblem sei struktureller Natur, so Fratzscher. Viele deutsche Unternehmen hätten in den vergangenen zehn Jahren die großen Transformationen verschlafen, etwa die Automobilbranche in Bezug auf die E-Mobilität sowie viele Industrieunternehmen in Bezug auf Nachhaltigkeit und neue Technologien im Bereich Digitalisierung. Diese Fehler müssten jetzt korrigiert werden.

Bessere Rahmenbedingungen für deutsche Unternehmen nötig

Die Ampel-Regierung sei teilweise auch auf dem richtigen Weg, die Wirtschaft anzukurbeln – etwa mit den Bemühungen, ausländische Investitionen nach Deutschland zu bringen. Noch wichtiger sei jedoch, gute Rahmenbedingungen für Unternehmen zu schaffen. Hier liegt laut Fratzscher das große Problem.

"Wir haben zu viel Regulierung, viel zu viel Bürokratie. Das schafft Unsicherheit. Wir haben ein riesiges Fachkräfteproblem in Deutschland. Wir haben eine schlechte Infrastruktur bei der digitalen, auch bei der Verkehrsinfrastruktur", so der DIW-Chef.

Die Regierung fahre hier einen Sparkurs. Dies sei aber falsch in Krisenzeiten. Man müsse Geld in die Hand nehmen, um die Rahmenbedingungen zu verbessern, so der DIW-Präsident. Investieren müssten die Verantwortlichen jetzt in eine bessere Infrastruktur, in Bildung, Innovation, Forschung und Entwicklung. Auch Bürokratieabbau, Verlässlichkeit und schnellere Genehmigungsverfahren seien hier wichtige Punkte – ebenso wie starke Sozialsysteme, um Akzeptanz bei den Menschen zu schaffen.

Fratzscher: Wandel kann gelingen

Fratzscher zeigte sich in dem Interview überzeugt, dass die Transformation gelingen könne: "Wir sollten uns nicht schlechter machen, als wir sind. Die deutschen Unternehmen hatten sehr erfolgreiche 2010er-Jahre. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, die Weichenstellung zu setzen."

Zuvor hatte sich auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) zuversichtlich zur Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands geäußert. "Wir sollten uns aber auch etwas zutrauen und schauen, wo es vorangeht", sagte Habeck. Als Beispiel nannte er die geplanten "Großinvestitionen" in Deutschland in Höhe von rund 80 Milliarden Euro.

Diese Investitionen würden "in den nächsten Jahren auch deutliche Früchte tragen" und helfen, "den Wohlstand zu erneuern". Immerhin sei Deutschland ein Standort mit gut ausgebildeten Menschen, einem starken Mittelstand, innovativen Unternehmen und vielen Firmen, die Ideen hätten und sich erneuerten. Ob Pharmaindustrie, Batteriezellenfertigung oder Wasserstoffproduktion: Nach den Worten des Ministers gibt es hierzulande ein "vielfältiges Biotop mit großer Investitionsbereitschaft".

IWF: Deutschland mit negativem Wachstum

Wie ernst die Lage ist und wie groß damit der Druck auf das Wirtschaftsministerium, das zeigt unter anderem eine Auflistung des Internationalen Währungsfonds (IWF): Unter mehr als 20 untersuchten Staaten und Regionen ist Deutschland die einzige Volkswirtschaft, in der die Wirtschaftsleistung heuer leicht sinken dürfte. CDU-Chef Friedrich Merz kommentierte das in den vergangenen Tagen mit den Worten: "Und die Bundesregierung macht Sommerpause, als ginge sie das alles nichts an." Auch der CSU-Vorsitzende Markus Söder betonte, die Wirtschaft im Ausland wachse - und Deutschland falle immer weiter zurück. Deshalb müsse die Ampel jetzt ein "Sofortprogramm für die Wirtschaft" auflegen.

Milliardenschwere Chipfabrik für Dresden

Eine Erfolgsmeldung kam am Dienstag dagegen aus Sachsen. Der taiwanische Chipriese TSMC will in Dresden eine große Fabrik zur Herstellung von Halbleitern bauen. Die deutschen Konzerne Infineon und Bosch sowie NXP aus den Niederlanden sind mit je zehn Prozent an dem neu gegründeten Gemeinschaftsunternehmen beteiligt. Fünf der insgesamt zehn Milliarden Euro dafür kommen vom Bund.

Schon seit Mai baut Infineon in Dresden eine Chipfabrik. Auch Bosch und der US-Konzern Globalfoundries haben dort große Werke. In Magdeburg in Sachsen-Anhalt plant der amerikanische Konzern Intel eine Investition von mehr als 30 Milliarden Euro.

Im Video: Wirtschaftsminister Habeck zur TSMC-Investition

Wirtschaftsminister Habeck
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