In vielen Branchen beklagen Unternehmen inzwischen Personalprobleme. Es fehlt an Nachwuchs, die Zahl an abgeschlossenen Ausbildungsverträgen ist weiterhin rückläufig. Und die Auswirkungen der Corona-Pandemie sind bei der Mitarbeitersuche noch immer spürbar.
Allein in Bayern fehlen 2.000 Busfahrer
Manuela Sturz ist Junior-Chefin eines Busunternehmens in St. Wolfgang im oberbayerischen Landkreis Erding. Auch sie registriert: Selbst das Dienstpläne schreiben wird immer komplizierter. Allein diese Woche haben sich vier Busfahrer krankgemeldet. Die Chefin selbst muss nun Kinder abholen und zur Schule bringen – im Doppeldeckerbus, so spart sie einen zweiten Fahrer. Denn die sind kaum zu bekommen. Zwölf ihrer 15 Fahrer sind über 50, drei davon bereits im Rentenalter. Zudem gehen viele ältere Busfahrer bald in den Ruhestand.
"Eigentlich würde ich lieber hier im Büro sitzen und alles andere organisieren", sagt Manuela Sturz. Aber momentan bleibe das auf der Strecke. "Man ist viel auf der Straße, an der Front, und versucht alles zu bedienen und das wird dann nebenbei gemacht", fügt sie hinzu.
Aktuell fehlen laut Landesverband Bayerischer Omnibusunternehmen 2.000 Busfahrer in Bayern. Bis 2030 könnten es sogar 15-mal so viele sein. Und nicht nur diese Branche ist betroffen: In ganz Bayern fehlen der Wirtschaft rund 233.000 Arbeitskräfte.
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Vor der Corona-Pandemie hatte Manuela Sturz die Personalprobleme noch im Griff. Doch während des Lockdowns standen Busse still – Fahrer waren in Kurzarbeit. "Durch Corona haben sich viele umorientiert. Die Freizeit ist einem bewusst geworden. Dass es eigentlich schön ist, wenn man am Wochenende zu Hause ist", sagt Sturz.
Vom Reisebusfahrer zum Hausmeister
Ein Kollege wechselte die Branche. Der ehemalige Busfahrer Andreas Böhnel arbeitet inzwischen in Wasserburg am Inn – als Hausmeister. Früher war der 58-Jährige vor allem lange Strecken gefahren – bis nach Paris. Doch jetzt schätzt er die Ruhe, die er zum Beispiel am Wochenende habe. "Es ist halt die Arbeitszeit. Ich hab keine geregelte Arbeitszeit gehabt", berichtet Böhnel. Mal sei er neun Stunden gefahren, mal zehn. Mal sei man über das Wochenende oder sieben Tage lang unterwegs. "Da bin ich einfach lieber daheim", sagt Böhnel. Wenn er nun um sieben Uhr zu arbeiten beginne, sei er um 17 Uhr fertig – am Freitag sogar früher. Vom Reisebusfahrer zum Hausmeister – so wie für Andreas Böhnel war die Pandemie für viele Arbeitnehmer Grund für ein berufliches Umdenken.
"Und dann haben wir einen gesellschaftlichen Hang hinweg von den Randarbeitszeiten, also man möchte gerne wochentags arbeiten von Montag bis Freitag oder sogar nur noch vier Tage in der Woche", berichtet Manfred Gößl, Hauptgeschäftsführer der IHK für München und Oberbayern. Das sei ein Trend. Vor allem wollten die Menschen nicht an den Wochenenden, nicht nachts und auch nicht an den Feiertagen arbeiten.
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"Lieber Büro als schwere handwerkliche Arbeit"
Selbst Hausmeister Alexander Linner, Geschäftsführer des Hausmeisterservices Linner & Hanslmeier aus Rechtmehring im Landkreis Mühldorf am Inn, sucht Mitarbeiter, obwohl die Arbeitszeiten bei ihm gut sind. "Am einfachsten sind noch die Leute zwischen 40 und 60 Jahre in meinem Beruf, alles was jünger ist, wird schwierig", beschreibt Linner die Situation. Viele wollten lieber ins Büro und keine schwere handwerkliche Arbeit übernehmen, fügt er hinzu. Und diejenigen, die bei ihm eine Lehre machten, gingen dann in die Industrie. "Industriedreieck Altötting zum Beispiel, die zahlen einfach 1.000 bis 2.000 Euro mehr im Monat. Mehr Urlaub, weniger Stunden im Monat und schon hast Du das Problem."
Inzwischen sei es so, dass die Mitarbeitenden sich ihren Arbeitgeber aussuchen könnten, erläutert Gößl von der IHK. Man spüre überall den Wettbewerb, auch der Unternehmen, um diese knappen Talente "von den Azubis bis hin zu den Rentnern, die man auch noch fragt, ob sie während der Rente wenigstens noch zeitweilig arbeiten können. Die Unternehmen bemühen sich um die Mitarbeiter. Das ist gut für die Mitarbeiter, aber die Lücken, die sich insgesamt auftun, sind schlecht für die Gesellschaft."
Fachkräftemangel in Gastronomie und Hotelbranche
Im Vier-Sterne-Wellnesshotel "Brunner Hof" in Arnschwang bei Cham in der Oberpfalz arbeiten Fachkräfte, die überall in der Hotel- und Gastronomiebranche händeringend gesucht sind: An der Rezeption, im Service, in der Küche. Inhaber Andreas Brunner ist im Vorstand des Berufsverbands Dehoga in Bayern. "Wir haben das Problem, dass manche Betriebe nur noch an vier Tagen aufsperren können, weil sie nur noch für vier Tage Mitarbeiter haben. Und das ist natürlich auch ein riesen wirtschaftlicher Verlust, der den Wirten und den Hoteliers zum Schluss fehlt."
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Brunner weiß, was er an seinen 97 Angestellten hat. "Wir haben uns auf die Fahnen geschrieben, den Mitarbeitern mit einer sehr hohen Wertschätzung entgegenzutreten. Wir haben es geschafft, einen Dienstplan nach Wünschen der Mitarbeiter zu schreiben." Dieses Jahr hat er die Löhne bereits zweimal erhöht: Insgesamt um 15 Prozent.
Metzgermeister fährt jetzt Taxi
Zuvor musste Andreas Brunner Leute ziehen lassen: Seine Metzgerei, die seit fast 70 Jahren zum Hotel gehörte, musste er schließen. Der ehemalige Metzgermeister Reinhard Gitterer ist gegangen – und fährt jetzt Taxi. Während seiner Kurzarbeit in der Coronazeit hatte Gitterer viel Zeit zum Nachdenken. Die Rückkehr in die Gastronomie war ihm zu unsicher und vor allem zu schlecht bezahlt. "Ich hab' den Beruf 23 Jahre lang gemacht", berichtet Gitterer. Ihm habe der Beruf wirklich Spaß gemacht, "aber das ist auf der anderen Seiten auch eine Bezahlungssache."
Nebenher poliert Gitterer selbstständig Autos und reinigt sie. Die knapp 1.500 Euro netto von früher übertrifft er jetzt. Er will inzwischen nicht mehr zurück in die Metzgerei. "Für die Branche würde ich fordern, dass nicht nur nach Tarif bezahlt wird, sondern auch über Tarif", so Gitterer. Er glaube, dass dann viele Leute, die abgesprungen seien, wieder in ihren alten Beruf zurückkehren würden.
Neue Mitarbeiter durch Ausbildung
Unternehmerinnen wie Manuela Sturz müssen um neue Mitarbeiter buhlen und fehlende irgendwie ersetzen. Sie setzt vor allem auf den Nachwuchs. Doch für sie ist es, wie für viele andere Betriebe, nicht leicht, junge Leute für eine Ausbildung zu gewinnen. Auch hier ist der Konkurrenzkampf unter den Unternehmen groß. Ein weiteres Problem: Der Busführerschein kostet bis zu 8.000 Euro.
"Ich kenne viele Betriebe, viele kleine Busunternehmen, die würden gerne ausbilden", berichtet Sturz. "Aber ihnen sind die Hände gebunden, weil sie sagen: Ich kann nicht so viel Geld investieren und die Azubis sind danach alle weg. Weil sie sich eventuell doch noch mal umorientieren wollen oder einen anderen Beitrieb kennenlernen wollen." Ihrer Meinung nach müsse hier die Politik die Weichen stellen.
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Zahl der Ausbildungsverträge deutlich gesunken
Quer durch alle Branchen ist die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge seit 2007 abgestürzt: von knapp 630.000 auf rund 470.000. Es kommen zu wenige junge Menschen nach. Der Kampf um Arbeitskräfte ist in vollem Gange. Für die Mitarbeiter bringt er neue Möglichkeiten. Doch für die Gesellschaft hat er Folgen.
"Wir müssen uns auf eine Mangelwirtschaft einstellen. Wir werden zu wenig Personal haben, wir werden das merken, nicht nur in Gesundheit oder Pflege oder staatlichen Einrichtungen, wo man keinen Termin mehr bekommt", sagt Gößl. Alles werde teurer werden und trotzdem Menschen fehlen. Allein die Zuwanderung könne diese Lücke nicht mehr schließen.
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