Professor Christian Haas, DB Cargo Chefin Sigrid Nikutta und MAN Entwicklungsvorstand Frederik Zohm
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Fast marktreif: Diese Vorzüge hätten autonom fahrende Lkw

Fast marktreif: Diese Vorzüge hätten autonom fahrende Lkw

Sie können ausweichen, abbremsen und ohne Einfluss aufs Lenkrad fahren. Autonome Lkw dürften in absehbarer Zeit auch im realen Güterverkehr zum Einsatz kommen. Warum das sinnvoll sein kann und wer ein Interesse daran hat.

Über dieses Thema berichtet: Wirtschaft am .

Spätestens mit der Bundesratsverordnung zum autonomen Fahren ist es ziemlich realistisch geworden, dass der Güterverkehr der Zukunft auch ohne Menschen am Steuer auskommen wird.

In der Lkw-Branche bereitet man diese Zukunft schon seit längerem vor und kann jetzt mit dem Projekt "ANITA" Halbzeitbilanz ziehen. ANITA steht für "Autonome Innovation im Terminablauf" – und wie so oft in der Logistikbranche steckt hinter diesem ziemlich trockenen Namen ein ziemlich eindrücklicher Vorgang.

Welche Vorteile hat ein autonom fahrender Lkw?

Zwar sitzt noch ein Fahrer am Steuer des riesigen Lkw, aber er nimmt schon gelegentlich die Hände vom Steuer - und das Gefährt rollt trotzdem weiter in die richtige Richtung. Auf dem Testgelände in Karlsfeld bei München bahnt sich der Lkw mit dem riesigen Container seinen Weg. Mit jeder Testfahrt, so erklärt es das Unternehmen, sammelt das selbstlernende IT-System neue Daten, um auch in unvorhergesehenen Situationen immer zuverlässiger reagieren zu können.

Jetzt steht dem Laster plötzlich ein Hindernis im Weg: Ein Anhänger ist ihm in die Quere gerollt. Das System ist mittlerweile so ausgereift, dass es eine Option wählt: Entweder abbremsen, oder Blinker setzen und ausweichen. Ähnlich wichtige Aufgaben wie Abstand halten oder Spuren einhalten, können die Systeme schon länger – selbst in modernen Pkw sind die mittlerweile verbaut.

Aber was bringt all das? Wieso werden Millionen von Euro investiert, um Lkw kleine Strecken fahren zu lassen, die auch Menschen übernehmen könnten? Sogar das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz unterstützt das ANITA-Projekt mit 5,5 Millionen Euro. Dafür gibt es drei wesentliche Gründe: Effizienz, Fortschritt und Personalmangel.

1. Effizienz

Der Güterverkehr auf der Straße verursacht erheblichen CO2-Ausstoß. Das ließe sich ändern, wenn mehr Waren und Güter auf der Schiene transportiert würden. Dafür braucht es aber einen schnellen und effizienten Weg, die Container beim Umladen von der Straße auf die Schiene zu bekommen.

Die Lösung der Zukunft soll deshalb laut DB Cargo kein Entweder-oder sein. Stattdessen will man auf die Kombination aus Lkw- und Zug-Frachtverkehr setzen. Kurze Strecken werden mit dem Lkw zurückgelegt, längere dann auf der Schiene.

2. Fortschritt

Das ANITA-Projekt von MAN ist eine Kooperation mit DB Cargo, einem Tochterunternehmen der Deutschen Bahn, der Hochschule Fresenius und der Götting KG, einem niedersächsischen Unternehmen mit Spezialisierung auf Fahrzeugautomatisierung. Gemeinsam haben sie es sich zum Ziel gemacht, das Verladen und Fahren von Gütern auf dem Umschlagplatz und Container-Depot in Ulm zur Marktreife zu bringen.

Die Idee dahinter, den Umschlag von der Straße auf die Schiene möglichst automatisiert und ohne Zeitverlust zu bewerkstelligen, überzeugt inzwischen viele in der Logistikbranche. Denn diese Umschlagsvorgänge sind besonders personal- und kostenintensiv. Bisher, so MAN-Forschungschef Frederik Zohm, sei Deutschland mit seiner Technologie führend. Ende des Jahrzehnts soll der selbst fahrende MAN-Truck in die Serienproduktion gehen.

Auf der Autobahn oder sogar im Stadtverkehr dürfte es sobald aber keine autonomen Lkw geben, vermutet Maximilian Geißlinger im Interview mit dem BR. Er ist Gruppenleiter für Intelligent Vehicle Systems am Lehrstuhl für Fahrzeugtechnik der TU München. Denn die Technik dafür sei erst zu 99 Prozent fortgeschritten. "Wenn sie aber 100 Mal abbiegen und nur bei 99 funktioniert’s, dann sind Sie noch sehr weit weg, von dem, wie es sein soll", erklärt der Experte. "Da braucht es noch sehr viel mehr Neuner hinter dem Komma."

  • Zum Artikel: "Elektro-Lkw: MAN zeigt in Nürnberg seinen ersten Prototyp"

3. Personalmangel

Im Interview sagt Geißlinger außerdem, dass zumindest im Güterverkehr diese Neuner hinter dem Komma "in drei bis fünf Jahren" tatsächlich dazukommen könnten. Dem Vorurteil, dass der Güterverkehr ohne Personal am Steuer die Lkw-Fahrerinnen und Fahrer überflüssig machen wird, entgegnet er, dass europaweit circa 400.000 Fachkräfte fehlen. Auch das führe immer wieder zu Verzögerungen in den Lieferketten.

Mit den Modellen, die aktuell entwickelt werden, wird es künftig nicht mehr einen Fahrer pro Lkw geben, sondern einen je circa 50 Lkw. Denn im nicht-öffentlichen Güterverkehr ist es schon abzusehen, dass der Fahrerstand auch ohne Menschen auskommt, stattdessen wird der Lkw per Fernsteuerung gelenkt. Von einer Zentrale aus würde dann nicht mehr nur ein Lkw ferngesteuert, sondern an die 50, so der Forscher.

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