Auch ohne Testament scheint bei einem Todesfall auf den ersten Blick vieles eindeutig geregelt: Dank der gesetzlichen Erbfolge geht der Nachlass an die nächsten Verwandten über. Doch was wie eine Formalität klingt, kann zum Zerwürfnis führen, besonders wenn eine Immobilie zum Erbe gehört und sich eine Erbengemeinschaft einigen muss.
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Denn anders als Bargeld oder Aktien lassen sich Wohnung oder Haus nicht einfach zerstückeln und aufteilen. Wurde zu Lebzeiten kein Testament erstellt, werden die Begünstigten gemeinsam als Erbengemeinschaft ins Grundbuch eingetragen – und müssen damit auch gemeinsam Entscheidungen zur Zukunft des Objekts fällen.
Dies gelingt allerdings längst nicht immer reibungslos: Während beispielsweise der eine den Verkauf bevorzugt, hängt der andere an seinem Elternhaus. Und eine Dritte möchte dieses am liebsten abreißen und neu bauen. Im schlimmsten Fall steht das Haus jahrelang leer, während die Betroffenen vor Gericht streiten.
Erbengemeinschaft: Wichtige Entscheidungen müssen einstimmig sein
Unkompliziert verhält es sich meist nur, solange eine Person – etwa ein Einzelkind – das Haus der Eltern erbt. Bei mehreren Personen "muss in den meisten Punkten Einstimmigkeit herrschen", sagt Michael Bonefeld, Fachanwalt für Erbrecht in München. Auf die Erben geht dabei nicht nur das Eigentum über, sondern auch alle Verpflichtungen: mögliche Hypotheken, Grundsteuer, laufende Kosten für Strom, Gas und ähnliches.
Einstimmigkeit ist auch nötig, wenn eine Immobilie verkauft werden soll. Beispielsweise kann einer der Erben das Haus übernehmen und seine Miterben auszahlen. Doch alle müssen damit einverstanden sein. Gelingt der Erbengemeinschaft dies nicht, ist eine sogenannte Teilungsversteigerung möglich, die beim Amtsgericht beantragt werden muss.
Teilungsversteigerung dauert meist zwei Jahre und länger
Hierbei handelt es sich um eine Art der Zwangsversteigerung. Wichtig dabei: Bereits ein einzelnes Mitglied der Gemeinschaft reicht aus, um eine Teilungsversteigerung in Gang zu bringen. Und diese gilt auch für die anderen Mitglieder der Erbengemeinschaft. Jeder Interessent kann dann mitbieten, sowohl fremde Personen als auch die Miterben.
"Eine Teilungsversteigerung war früher immer ein probates Druckmittel, insbesondere durch den reicheren Miterben", sagt Bonefeld. In den Städten seien diese Zeiten jedoch vorbei, dort würden inzwischen auch bei Teilungsversteigerungen Höchstpreise erzielt.
Trotzdem rät der Jurist von diesem Schritt ab. Er führe nicht zwingend dazu, dass danach der erzielte Betrag sofort unter den Erben aufgeteilt werden kann. "Auch hier gibt es Folge-Streitigkeiten." Zudem dauere es oft lange, zwei Jahre seien die Regel. Zu favorisieren sei deshalb eher, ein Objekt regulär per Bieterverfahren zu verkaufen.
Erbschaftsteuer: Nur in wenigen Fällen lässt sich eine Immobilie steuerfrei vererben
Aber nicht nur eine Versteigerung kann ein Erbe schmälern, sondern auch die anfallende Steuer. Denn je nach Verwandtschaftsverhältnis und Wert des Objekts (der sich am Bodenrichtwert der jeweiligen Region orientiert) gelten verschiedene Steuerklassen und Freibeträge. Auskunft über die Vielzahl an Konstellationen gibt das Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG).
Nur in wenigen Fällen kann demnach eine Immobilie steuerfrei vererbt werden. Dies gilt beispielsweise, wenn das Elternhaus auf die Kinder übergeht – aber nur, wenn diese das Objekt anschließend auch zehn Jahre selbst nutzen und es nicht mehr als 200 Quadratmeter Wohnfläche hat.
Alternative zur Schenkung zu Lebzeiten: Immobilie in Gesellschaft stecken
Die Erbschaftsteuer wird besonders in Regionen vermehrt zum Problem, in denen die Bodenrichtwerte in den vergangenen Jahren durch die Decke geschossen sind und die steuerlichen Freibeträge der Erben dadurch nicht mehr ausreichen – etwa in München oder dem Alpenvorland. Manche Erben müssen deshalb sogar einen Kredit aufnehmen, um die Steuer bezahlen zu kommen.
Umgehen lässt sich diese möglicherweise mit einer Schenkung zu Lebzeiten. "Hier gilt der Grundsatz: Lieber die Erbschaft steuern statt Erbschaftsteuern" sagt Erbrechtsexperte Bonefeld. Zwar wird auch dabei Schenkungsteuer in derselben Höhe fällig. Doch durch mehrere Teil-Schenkungen kann alle zehn Jahre der Freibetrag erneut ausgenutzt werden. Bei Kindern etwa beträgt dieser derzeit 400.000 Euro.
Wer dennoch zu Lebzeiten weiter die Kontrolle über eine Immobilie behalten will, dem empfiehlt der Fachanwalt eine GmbH & Co, eine KG oder eine GbR zu gründen und das Objekt Teil dieser Gesellschaft werden zu lassen. "Der große Vorteil davon: Auch wenn ich nicht mehr Eigentümer bin, behalte ich die Möglichkeit, eindeutige Vorgaben zu machen" erklärt Bonefeld.
Teilungsklage bei Erbstreitigkeiten: Teuer, aufwendig, langwierig
Zwar ist dieser Schritt mit Bürokratie verbunden. Diese wirkt jedoch noch vergleichsweise harmlos gegenüber der Ultima Ratio, die bei Erbstreitigkeiten zum Einsatz kommen kann: die Erbauseinandersetzungsklage, auch Teilungsklage genannt. Ein Erblasser kann in seinem Testament zwar ein Teilungsverbot anordnen. Eine Klage ist in diesem Fall jedoch weiter möglich, wenn sich alle Erben einstimmig gegen den Willen des Verstorbenen entscheiden.
Allerdings gilt eine Teilungsklage als teuer, aufwendig und kann sich mitunter Jahre hinziehen, weshalb Expertinnen und Experten empfehlen, sich tunlichst auf anderem Weg zu einigen.
Möglichkeiten eines Testaments werden zu selten genutzt
Ohnehin könnten aus Sicht von Michael Bonefeld viele Probleme von vornherein vermieden werden. "Leider wird in Testamenten viel zu wenig die Erbengemeinschaft gesteuert", sagt er. So könne der Erblasser den Erben beispielsweise eine Verwaltungsvereinbarung mit bestimmten Regelungen an die Hand geben. Deren Einhaltung könne dann ein Testamentsvollstrecker überwachen. "Dies ist in der Praxis meines Erachtens sehr friedvoll", berichtet Bonefeld.
Friedvoll ist dabei für den "Erbfall Immobilien" ohnehin ein gutes Stichwort. Denn der einfachste Rat ist wahrscheinlich häufig auch am schwersten umzusetzen: Diplomatie ist Trumpf.
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