Bei der Lufthansa klaffen Selbstbild und Fremdwahrnehmung derzeit weit auseinander. Während sich die Frankfurter als Premium-Anbieter verstehen, ist die Zufriedenheit der Kunden im Keller. Das ist nicht nur der Eindruck, den Passagier-Kommentare im Netz erwecken, sondern auch das Ergebnis breit angelegter Befragungen.
Kundenzufriedenheit weit unter Zielwert
Ein wichtiger Messwert ist hier der sogenannte Net Promoter Score, kurz NPS. Darin ist festgehalten, ob Kunden ein Produkt oder eine Dienstleistung weiterempfehlen würden. Maximalwert sind 100 Punkte. Die Lufthansa hat für sich und Töchter wie Swiss oder Austrian einen Zielwert von 50 festgelegt, erreichte zuletzt aber gerade einmal 27 und damit ein historisches Tief. Auch in anderen Rankings sind die Frankfurter deutlich gegenüber der Konkurrenz zurückgefallen.
Kostenloser Kaffee zur Versöhnung
Offenbar als Reaktion auf schlechte Zufriedenheitswerte denkt das Management darüber nach, wie man die Gunst der Passagiere zurückgewinnen könnte. Eine Maßnahme sind kostenlose Getränke auf Kurzstrecken. Diese hatte man in der günstigen Economy-Class – bis auf ein Fläschchen Wasser - vor der Corona-Krise abgeschafft. Im Gegenzug führte die Lufthansa nach dem Vorbild von Billigfliegern unter dem Namen "Onboard Delights" Bezahl-Angebote ein. Aktuell kostet der Kaffee an Bord laut Preisliste 3,50 Euro.
Jetzt will man in den Sommermonaten auf einigen Flügen wieder testweise Kaffee oder Tee ohne Aufpreis ausschenken und dann messen, ob dies die Zufriedenheit steigert. Damit setzt die Lufthansa aber keinen Trend, sondern folgt dem Vorbild von Wettbewerbern. British Airways zum Beispiel hat diesen Service bereits im vergangenen Jahr wieder eingeführt.
Bordverpflegung als Kostenfaktor
Für Fluggesellschaften ist das Thema Bordverpflegung ein zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite kann sich ein Unternehmen durch ein ansprechendes Angebot von der Konkurrenz abheben. Gerade in der teuren Business- und First-Class versuchen sich die Airlines hier zu überbieten, etwa mit großer Auswahl und der Möglichkeit, ein Wunschessen vorzubestellen. Auf der anderen Seite sind Essen und Getränke aus Sicht der Unternehmen auch ein Gewichts- und Kostenfaktor. Die Finanzabteilungen der Unternehmen dringen deshalb auf ein möglichst schlankes Angebot.
So war man bei der Lufthansa nach der Abschaffung des kostenlosen Kaffees und Snacks auf Kurzstreckenflügen stolz darauf, rund 60 Cent pro Passagier eingespart zu haben, wie aus einer Investoren-Präsentation hervorgeht. Dazu kommen logistische Herausforderungen: Je komplexer das Angebot, desto mehr Aufwand bedeutet dies für den Catering-Dienstleister und das Kabinenpersonal.
Diskussionen um Champagner
Doch nicht nur der kostenlose Kaffee in der Economy-Class birgt Konfliktpotential. In Vielfliegerforen ist das Thema Bordverpflegung seit langem ein Dauerbrenner. Die von der Lufthansa angekündigte Qualitätsoffensive wird dort nicht überall als glaubwürdig empfunden. So kritisiert der in der Branche vielgelesene Blog "Frankfurtflyer" aktuell, dass der Konzern ausgerechnet bei einem Prestige-Getränk den Rotstift ansetzt. Demnach schenke man an die anspruchsvollen Kunden des teuren First-Class künftig einen deutlich günstigeren Champagner als bisher aus.
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