Das Olympiastadion in München ist seit 1972 eines der Wahrzeichen der bayerischen Landeshauptstadt - weltweit bekannt als architektonisches Highlight. In den vergangenen Jahrzehnten sind auf der ganzen Welt zahlreiche Stadien hinzugekommen. Alle wurden mit immensem Aufwand und hohen Kosten gebaut. Wie nachhaltig ist das?
"Muss man immer größere Stadien bauen? Kann man nicht nutzen, was da steht?” fragt Münchens Olympiaparkchefin Marion Schöne. Damit spricht sie einen Aspekt an, mit dem sich auch Wissenschaftler der Universität Lausanne befassen: Wie steht es um die Nachhaltigkeit Olympischer Spielen? "Man denkt da heute erst ans Klima oder an die Umwelt", sagt Martin Müller, Professor für Geographie an der Universität Lausanne. Es gebe aber auch soziale Aspekte. "Wie stark tragen Olympische Spiele dazu bei, dass es den Menschen besser geht. Und natürlich die wirtschaftlichen Aspekte. Das Ganze muss am Ende ökonomisch Sinn machen."
Münchner Olympiapark: Seit 50 Jahren Begegnungsstätte
In München prägt der Olympiapark 50 Jahre nach den Spielen weiter das Stadtbild. Er ist Begegnungsstätte für Sport, Freizeit- und Kultur-Fans. Im Mittelpunkt steht das Stadion: Damals Zentrum der größten Sportveranstaltung der Welt, wird es heute für Events und Konzerte genutzt. Für die Spiele schafften Stadt und Land eine Infrastruktur, die lange bleiben sollte.
Auch heute blickt Olympiapark-Chefin Marion Schöne noch stolz auf das Olympische Erbe der Landeshauptstadt. "Man hat damals das Olympia der kurzen Wege installiert. Das war schon ein Nachhaltigkeitsaspekt." Das Olympische Dorf wurde gleich nach den Spielen zum Wohnen genutzt. Der Bedarf an Wohnfläche Anfang der 70er Jahre war da. "Unsere Veranstaltungsstätten werden auch alle genutzt. Denn das, was wurde gebaut wurde, war in München nicht vorhanden", ergänzt Schöne.
Wissenschaftler erforschen Nachhaltigkeit der Olympischen Spiele
Die Kosten für Olympia-Ausrichter liegen heute schätzungsweise im zweistelligen Milliarden-Bereich. Doch Nachhaltigkeit ist gleichzeitig immer seltener gegeben. Forscher der Universität Lausanne haben die Spiele seit 1992 analysiert. Welchen ökologischen Fußabdruck hinterlassen sie? Wie wirtschaftlich sind die Spiele und wie sozial?
"Im ökologischen Bereich haben wir uns angeschaut, wie viele Zuschauer reisen an? Wie groß ist der CO2-Fußabdruck? Im sozialen Bereich haben wir angeschaut, wie viele Leute überhaupt zustimmen", erläutert Professor Martin Müller. "Im wirtschaftlichen Bereich haben wir uns die Kostenüberschreitungen angesehen, bei denen die Olympischen Spiele oft sehr schlecht abschneiden."
Das internationale Olympische Komitee (IOC) stellt seine Giganten-Feste gerne als nachhaltig dar. 92 Prozent der Sportstätten aus dem 21. Jahrhundert und 85 Prozent aller olympischen Sportstätten seit Athen 1896 seien bis heute in Betrieb. Die Forscher in Lausanne haben jedoch Zweifel. "In seiner Studie zählt das IOC auch Nachnutzungen dazu, die nicht dem ursprünglichen Zweck der Stadien entsprechen", ergänzt Professor Müller und nennt das Vogelneststadion von Peking 2008 als Beispiel. "Heute wird es verwendet für Produktvorstellungen von Unternehmen. Man kann es auch als Besucher anschauen. Dem ursprünglichen Zweck, große Sportveranstaltungen abzuhalten, dient es nicht mehr regelmäßig."
Kritik: Soziale Aspekte bleiben außen vor
Auch die soziale Komponente lässt das IOC außer Acht. Dabei wehren sich immer mehr Menschen öffentlich gegen die Olympischen Spiele vor ihrer Haustür. Die Ergebnisse der Universität Lausanne zeigen, dass die Nachhaltigkeit auch dadurch weiter sinkt. Vor allem Sotschi und Rio sind mahnende Tiefpunkte, wie Professor Müller erklärt: "In Rio war es so, dass sehr viele Leute umgesiedelt wurden, um die Spiele durchführen zu können, um die Infrastruktur zu erstellen. Und am Beispiel Sotschi sieht man, dass die ganze Sportinfrastruktur, alle Stadien, neu errichtet wurden. Was dazu führt, dass in der Umweltkategorie die Spiele dort sehr schlecht abschneiden."
Olympische Spiele erneut in München? Nach einer gescheiterten Bewerbung sollte die Bevölkerung im Jahr 2013 für die Winterspiele im Jahr 2022 stimmen. Mit Stars versuchte man Olympia nach Bayern zu holen. Doch in der Bevölkerung fand die Olympia-Bewerbung keine breite Mehrheit. Grünen-Politiker Ludwig Hartmann war bereits 2013 Teil der "NOlympia" Bewegung. Der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bayerischen Landtag sieht in der Landeshauptstadt keine Zukunft für Olympische Spiele. "Bei der zweiten Bewerbung ist deutlich geworden, wie groß das Ganze wird. Dass man auch temporär Sportstätten bauen muss, die dann nach 14 Tagen wieder abgerissen werden. So deutlich muss man das sagen. Man hat auch festgestellt, dass eine ganze Region sich den Forderungen des IOC unterwerfen muss. Und nicht die Spiele sich der Region anpassen. Die Region muss sich den Spielen anpassen. Und das ist eine Herangehensweise, die ist in Bayern nicht akzeptiert."
Kleiner, bewusster und regional angepasster
Anpassen an Region und bestehende Infrastruktur: München versucht sein Glück nach den gescheiterten Olympia-Bewerbungen jetzt mit den European Championships – neun Europameisterschaften an einem Ort – an bereits bestehenden Wettkampfstätten.
Damit ist München zumindest näher dran an der Olympia-Empfehlung des Geographie-Professors Müller von der Universität Lausanne: "Wenn man diese extrem hoch spezialisierten Stadien hat, warum nutzt man die nicht besser, indem die Olympischen Spiele durch die selben Städte zirkulieren lässt? Das könnten drei Städte weltweit sein, die alle zwölf Jahre die Spiele bekommen. Dann könnte man viel besser die extrem teuren Infrastrukturen nutzen." Nachhaltigkeit bei Olympia ist möglich – doch statt höher, schneller, weiter - eher: kleiner, bewusster und regional angepasster.
- Zum Artikel: Neureuther: Mehr Nachhaltigkeit, sonst stirbt Olympia
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!