Demo in Schongau mit Unterschriften-Banner gegen Krankenhausschließung
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Eine Demonstration in Schongau mit Unterschriften-Banner gegen eine Krankenhausschließung

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Notfall Dorf: Kliniksterben auf dem Land

Die Klinikreform soll zu einer verlässlichen Finanzierung der Krankenhäuser führen. Doch besonders auf dem Land wächst die Sorge, nicht mehr gut versorgt zu werden. Was ein Abbau bisheriger Strukturen bedeutet, zeigt sich im oberbayerischen Schongau.

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In vielen kleineren Städten geht die Angst um vor der Schließung ihrer Krankenhäuser. Etliche Kliniken schreiben rote Zahlen und könnten die Krankenhausreform nicht mehr erleben. Die wirtschaftliche Lage vieler Krankenhäuser ist mau. Dem "Krankenhaus Rating Report" des RWI Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung und der Institute for Healthcare Business GmbH zufolge lagen im Jahr 2021 elf Prozent der Krankenhäuser im roten Bereich - mit erhöhter Insolvenzgefahr.

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Langer Weg bis zum Kreißsaal

Lucia Heger erwartet bald ihr viertes Kind. Die 29-Jährige wohnt in Schongau und ist selbst im dortigen Ortskrankenhaus zur Welt gekommen. Doch die Geburtshilfe ist seit Anfang Mai stillgelegt. Das nächste Krankenhaus liegt weiter entfernt in Landsberg am Lech. Wenn alles gut geht, kein Problem. Doch Lucia Hegers drittes Kind war eine Sturzgeburt. Im letzten Moment kam die Mutter damals in der Klinik an. "Es ist meine Horrorvorstellung", beschreibt Lucia Heger ihre Lage. "Tatsächlich graust es mir da sehr. Ich hoffe nicht, dass mein viertes Kind im Auto auf die Welt kommt." Sie hätte sich gewünscht, die Gewissheit zu haben, innerhalb kurzer Zeit einen Kreißsaal erreichen zu können.

22 Jahre lang hat Hebamme Daniela Schregle in der Schongauer Geburtshilfeklinik gearbeitet. Die plötzliche Schließung war für sie ein Schock. Das Argument, Frauen könnten ja rechtzeitig losfahren, entkräftet die Hebamme: "Eine Wehende kann ganz schnell ziemlich starke Wehen kriegen. Ja, und dann ist ein Weg von 45 Minuten sehr weit." Von Lucia Heger aus sind es zum Klinikum Landsberg knapp 30 Minuten, aber nur bei guter Verkehrslage. Sie kann nur hoffen, dass sich ihr Baby bei der Geburt Zeit lässt. Eine andere Mutter, die Anfang Mai auf die Geburtshilfe in Garmisch-Partenkirchen ausweichen musste, brachte ihr Kind auf einem Parkplatz zur Welt.

Knappe Kassen der Kommunen

Das Krankenhaus Schongau bietet eine Grundversorgung mit Notaufnahme rund um die Uhr. Bis Ende April gab es noch eine Geburtshilfe. Über 500 Kinder kamen hier im Jahr zur Welt. Doch beim Landkreis als kommunalem Träger sind die Gelder knapp, so wie bei vielen Kliniken auf dem Land. Gründe sind das aktuelle Finanzierungssystem, aber auch hohe Energiepreise, steigende Tariflöhne und die Inflation.

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Kurz nach der Geburtshilfe wurde im Krankenhaus Schongau auch die Überwachungsstation stillgelegt. Betriebsratsvorsitzender Roberto Hänsel ist besorgt, weil immer mehr der rund 650 Mitarbeiter keine Perspektive mehr sehen und kündigen. Die Sorge geht um, dass es künftig auch keine Notaufnahme mehr geben könnte. "Was ist denn, wenn ich jetzt hier einen Arbeitsunfall habe? Dann werde ich sonst wohin gefahren", skizziert Hänsel. "Auch die Rettungskräfte sagen, dann ist ein Rettungswagen gebunden. Der fährt dann nach Weilheim, eine halbe Stunde, fährt eine halbe Stunde zurück, muss wieder desinfiziert werden. Der fällt locker eineinhalb Stunden aus. Und wenn in dem gleichen Zeitraum hier ein Schlaganfall ist, der wartet dann."

Die Krankenhausgesellschaft will sich dazu nur schriftlich äußern, begründet die Stilllegung der Geburtshilfe mit "akutem Ärztemangel" und verweist auf einen Kreistagsbeschluss im April dieses Jahres zu den weiteren Plänen für die beiden Standorte in Schongau und Weilheim: "Die Geschäftsführung wird mit der Erarbeitung eines Konzepts zur Sicherstellung der klinischen Versorgung im Landkreis [...] mit Klinikstandorten in Schongau und Weilheim jeweils mit Notfall-Versorgung beauftragt. Dabei ist im Rahmen der rechtlichen und finanziellen Möglichkeiten eine Schwerpunktversorgung am Klinikstandort Weilheim vorzusehen."

Das bedeutet im Klartext: Das Weilheimer Krankenhaus soll ausgebaut werden. Was dann mit dem Krankenhaus Schongau und der Notaufnahme passiert, bleibt offen. Im Juli soll die Geschäftsführung ihr Konzept dem Kreistag vorlegen.

Bürger engagieren sich in Aktionsbündnis

Die Schongauer sind alarmiert. Regelmäßig treffen sich die Mitglieder des Aktionsbündnisses "Pro Krankenhaus Schongau". Sie befürchten, dass ihr Krankenhaus zu einem ambulant-stationären Versorgungszentrum umfunktioniert wird, so wie es die geplante Krankenhausreform in der untersten Versorgungsstufe vorsieht. Dann gäbe es in Schongau keine vollumfängliche Notaufnahme und keine Geburtshilfe mehr.

Stefan Konrad vom Aktionsbündnis "Pro Krankenhaus Schongau" erklärt, dass sich die Fahrtzeiten deutlich erhöhen würden, "um zum Beispiel das Klinikum Weilheim, das als Schwerpunktkrankenhaus dann vorgesehen ist, zu erreichen. Das sind alles so Bereiche, wo man eine Fahrzeit von mindestens 30 Minuten und mehr hat." Und so werde es immer schwieriger, noch rechtzeitig ins Krankenhaus zu kommen."

Schongauer wollen eigenständiges Krankenhaus

Rund 28.000 Menschen in der Region wären betroffen. Wie wichtig den Menschen ihr Krankenhaus ist, haben sie vergangenen Dezember mit einem Bürgerentscheid gezeigt. Eine Zwei-Drittel-Mehrheit lehnte ein geplantes Zentralkrankenhaus in der Mitte des Landkreises ab. Damit wollte die Krankenhausgesellschaft ihre zwei Standorte in Weilheim und Schongau zusammenführen.

Auch der Schongauer Bürgermeister, Falk Sluyterman van Langeweyde, kämpft für ein eigenständiges Krankenhaus: "Wir haben Erweiterungsflächen. Wir haben eine wirklich gute Lage an der B17. Wir haben die Eisenbahn-Linie, die direkt an Schongau vorbeiführt. Wir haben die Krankenpflegeschule hier vor Ort. Also alles Argumente, die dafür sprechen, dass der westliche Landkreis eben nicht von einer wohnortnahen Notfall- und Krankenhausversorgung abgeschnitten wird."

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Kann Krankenhausreform Lösungen bringen?

Von der Krankenhausreform erwartet sich die Krankenhausgesellschaft Landkreis Weilheim-Schongau keine großen Lösungen: "Leider wird nach heutigem Erkenntnisstand kein neues Geld für die Krankenhausversorgung in Summe zur Verfügung gestellt." Zudem werde das angedachte Gesetz die immer mehr und sehr dringend benötigten Fachkräfte nicht gewährleisten können, heißt es von der Krankenhausgesellschaft Landkreis Weilheim-Schongau weiter. Das sei sehr schwierig, denn der akute Fachkräftemangel in der Medizin und Pflege treffe vor allem kleine Krankenhäuser im ländlichen Raum sehr hart und werde eine Bündelung von Leistungsangeboten unabdingbar machen.

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