Auf einem Tisch liegt eine Rechnung in einer kleinen Mappe. Darüber ist eine Hand zu sehen, die einen 10-Euro-Schein festhält.
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Das Thema Trinkgeld wirft viele Fragen auf: Warum kriegen es manche Berufe, andere wiederum nicht? Landet es wirklich bei den Arbeitnehmern?

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"Nur in bar" und nicht überall? Mythen zum Trinkgeld hinterfragt

"Nur in bar" und nicht überall? Mythen zum Trinkgeld hinterfragt

Wer beim Bezahlen noch Trinkgeld gibt, möchte sich meist direkt beim Gegenüber bedanken. Doch BR24-User hinterfragen: Wieso gibt man in einigen Branchen Trinkgeld, in anderen nicht? Und kommt auch bei Kartenzahlungen alles beim Mitarbeiter an?

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Trinkgeld als Motivation und Anerkennung: So sieht es Thomas Geppert, Landesgeschäftsführer des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbands DEHOGA. Trinkgeld ist eine zusätzliche Einnahmenquelle und sei in der Gastronomie "ein Zeichen der Wertschätzung seitens der Gäste für den geleisteten Service".

Warum kriegen manche Berufe Trinkgeld, andere nicht?

Doch BR24-User diskutierten, in welchen Branchen dies angebracht sei. Nutzer "Froschhaarpinsel" beispielsweise hinterfragte kürzlich, wieso in einigen Branchen Trinkgeld gegeben werde, in anderen wiederum nicht. "Warum bekommt der freundliche Busfahrer, die liebevolle Kita-Kraft, die nette Friseuse oder die zuvorkommende Arzthelferin keins?"

Es hänge stark mit Traditionen zusammen, ob jemand Trinkgeld bekomme oder nicht, erklärt Soziologe Christian Stegbauer, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Netzwerkforschung, auf BR24-Anfrage. Man könne sagen, das Geben von Trinkgeld sei Teil einer Kultur. Demnach hätten wir von anderen gelernt, dass manche Dienstleister Trinkgeld bekommen und andere nicht. "Es ist keineswegs so, dass im Alltag häufig über die Unterschiede nachgedacht wird", so Stegbauer.

Im Allgemeinen sei es erlaubt, Trinkgeld zu geben, erklärt Adam Sagan vom Lehrstuhl für bürgerliches Recht, europäisches Recht und deutsches Arbeitsrecht an der Universität Bayreuth. Einige Ausnahmen gebe es dennoch. Darunter fielen zum Beispiel Beamte wie Staatsanwälte oder Lehrer. Bei Amtsträgern könne die Annahme eines Trinkgelds nach Paragraf 331 des Strafgesetzbuches eine Straftat darstellen. Auch Croupiers in Spielbanken dürfen kein Trinkgeld annehmen. Nach Artikel 8 des Bayerischen Spielbankgesetzes müssten Trinkgelder in Spielbanken in eine Kasse, einen sogenannten Tronc gegeben werden. Von dort würden sie dann auf die Beschäftigten aufgeteilt.

In anderen Berufsgruppen ist Trinkgeld nicht explizit verboten, allerdings ungern gesehen, sagt Sagan. Häufig werde es per Arbeitsvertrag verboten. Darunter fallen etwa Beschäftigte im Gesundheitswesen, Postboten, Schaffner, Pflegepersonal oder auch die Müllabfuhr.

Landet das Trinkgeld wirklich bei den Arbeitnehmern?

Ob wirklich nur der Angestellte selbst das Trinkgeld bekommt, daran zweifeln einige BR24-User. So glaubt etwa "Krabbeltier" nicht, dass das Trinkgeld etwa in Supermärkten oder beim Bäcker wirklich beim Personal ankomme. "Zum größten Teil, meist ganz, landet es bei der 'Chefetage'", schrieb der Nutzer.

Rechtlich sieht die Sache so aus: "Wenn ein Kunde das Trinkgeld einem Arbeitnehmer gibt, darf der Arbeitgeber es in keinem Fall einbehalten", erklärt Sagan. Umstritten sei lediglich, ob das Trinkgeld in bestimmten Fällen auf den Mindestlohn angerechnet werden dürfe. "Das hat die Rechtsprechung noch nicht entschieden", so der Experte.

Auch im Einzelhandel regeln die Unternehmen den Umgang mit Trinkgeld selbst. So sei es beispielsweise den Kassierern im Supermarkt in den meisten Fällen nicht erlaubt, Trinkgeld anzunehmen, erklärt ein Sprecher des Handelsverbands Bayern auf BR24-Anfrage. Die Kasse müsse einwandfrei sein, es dürfe auch kein Geld daneben liegen. Es müsse auf den Cent genau abgerechnet werden. Wenn Kunden den Betrag "aufrunden", werde das Geld nicht als Trinkgeld angesehen und lande nach dem Kassensturz beim Arbeitgeber. In kleinen Betrieben wie Tante-Emma-Läden oder Kiosken auf dem Land sei das teilweise anders. Da gebe es zum Beispiel Kaffeekassen für die Mitarbeitenden.

Trinkgeld per Karte: Kommt es an?

Trinkgeld wird heutzutage nicht nur in bar gegeben. Inzwischen fragen beispielsweise in Bäckereien Kartenlese-Geräte bei Kartenzahlung nach Trinkgeld. Einigen Usern geht das zu weit, sie würden, wenn dann nur Bargeld geben. "Allmaechd" hinterfragte, wer das Trinkgeld bei Kartenzahlung bekomme. "Würde mich auch mal interessieren, wer da alles mitverdient", kommentierte "Balthasar" zustimmend.

"Egal ob Trinkgeld in bar oder mit der Karte gegeben wird, es landet immer direkt beim Mitarbeiter", so DEHOGA-Landesgeschäftsführer Thomas Geppert. Eine einheitlich vorgeschriebene Regel oder ein Gesetz zur Verteilung gebe es nicht. Viele Gastbetriebe hätten mittlerweile einen Trinkgeldtopf, in dem die Gelder gesammelt werden, die dann unter den Mitarbeitenden aufgeteilt würden.

"Muss es, wenn es in der Kasse ist, versteuert werden?", wollte User "Woidbua" zudem wissen.

Nach Paragraf 3 des Einkommensteuergesetzes sind Trinkgelder immer steuer- und sozialversicherungsabgabenfrei, erklärt Sebastian Schanz vom Lehrstuhl für Betriebswirtschaftliche Steuerlehre der Uni Bayreuth. Voraussetzung dafür sei, dass sie freiwillig gezahlt werden und der Empfänger somit keinen Rechtsanspruch auf das Trinkgeld hat. Diese Steuerbefreiung gelte nicht für Selbstständige. Diese müssten Trinkgelder voll versteuern. Ob das Trinkgeld bar oder per EC-Zahlung gegeben wird, spiele keine Rolle. Bei Letzterer müsste der Gastwirt nur in der Buchhaltung vermerken, dass es sich um Trinkgeld handele. Moderne Kassensysteme könnten dies bereits von selbst.

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