Archivbild: Das Logo von Vodafone ist auf einem Schild zu sehen, was vor der Deutschlandzentrale des britischen Telekommunikationskonzerns steht. (zu dpa: «Sammelklage gegen Vodafone: Schon 40 000 Kunden wollen mitmachen») Foto: Wolf von Dewitz/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
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Sammelklage gegen Vodafone und andere Unternehmen. (Archivbild)

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Sammelklagen helfen nur in wenigen Fällen

Wenn Verbraucher über den Tisch gezogen werden, wehren sie sich oft nicht in dem Ausmaß, wie es möglich wäre - sei es, weil sie nicht rechtsschutzversichert sind oder es sich angesichts des geringen Schadens nicht lohnt. Was eine Sammelklage bringt.

Verbraucherinnen und Verbraucher können ihre Rechte in Deutschland neuerdings in besonderen Fällen auch mit Abhilfeklagen durchsetzen. Die bringen – und das ist neu - im Erfolgsfall eine direkte Entschädigung. An solchen Klagen können Betroffene sich kostenlos beteiligen, aber es gibt nur ganz wenige davon.

Geführt werden diese Klagen stellvertretend von Verbänden wie der VZBV (Verbraucherzentrale Bundesverband). Es geht um sogenannte Massenschäden, die in größerer Zahl aufgetreten und ähnlich gelagert sind. Häufig handelt es sich im Einzelfall nur um jeweils kleinere Beträge, für die eine herkömmliche Klage vor Gericht viel zu teuer wäre. Auch die Höhe des Schadens ist dabei einfach zu ermitteln.

Erste Beispiele: Vodafone und Amazon Prime

Bekannt geworden sind zwei große Fälle: So erhöhte Vodafone pauschal einige Festnetztarife, und der Streamingdienst Amazon Prime verlangte laut Verbraucherzentrale einen Aufpreis für ein älteres Angebot ohne substantielle Verbesserungen.

So war es bei Vodafone: Der VZBV wirft dem Telekom-Anbieter vor, einen Teil seiner Festnetzgebühren im vergangenen Jahr widerrechtlich pauschal um fünf Euro im Monat (um 60 Euro im Jahr) erhöht zu haben. Diese Erhöhung gilt es zurückzunehmen und die entsprechenden Zusatzbeiträge zu erstatten.

Beim Internet-Streamingdienst von Amazon Prime ist das Problem ähnlich. Hier wurde ein Angebot, das es vorher schon gab, gegen einen Aufpreis von 2,99 Euro im Monat weitergeführt, oder nach Ansicht des VZBV entsprechend verschlechtert. Egal, ob man nun die 2,99 Euro seitdem mehr bezahlt oder ein verkleinertes Abo hat, die mögliche Entschädigung würde sich nach der Zahl der Monate richten.

Früher zweistufiges Verfahren mit Musterfeststellungsklage vorneweg

Bei den bisherigen Verfahren mit Musterfeststellungsklagen (wie im Diesel-Skandal) mussten und müssen Betroffene anschließend selbst noch einmal tätig werden, weil das erste Urteil nicht direkt für sie gilt, sondern nur die Rechtslage klärt. Nach einem gewonnenen Musterfeststellungsprozess muss also immer noch ein zweiter Prozess geführt werden für die konkrete Schadenshöhe im Einzelfall, wenn es nicht zu einer außergerichtlichen Einigung kommt.

Wann ist die einfachere, neue Form der Sammelklage möglich?

Abhilfeklagen brauchen möglichst unkomplizierte Sachverhalte. Dabei sollten alle, die sich der Klage anschließen, ein mehr oder weniger identisches Problem haben, bei dem es dann auch eine einfache Lösung in Form eines einheitlichen Urteils geben kann, sozusagen ein Richterspruch, der keine Fragen mehr offenlässt.

Auch Musterfeststellungsklage zunächst kostenlos über den VZBV

Ein Gegenbeispiel ist die Musterfeststellungsklage der Verbraucherzentralen gegen den Fernwärmeanbieter E.ON Energy Solutions wegen höherer Abrechnungen. Hier ist die mögliche Rückerstattung von möglicherweise zu teuer bezahlter Fernwärme in jedem Einzelfall anders gelagert, je nach individuellem Verbrauch und dem Zeitraum, in dem die Energiepreise stark geschwankt haben.

Ein anderes Beispiel sind die vielen unterschiedlichen Klagen im Diesel-Abgas-Skandal: Hier kam es vielleicht auch auf den Wert und das Alter des Fahrzeugs an, die damit gefahrenen Kilometer etc. In solchen komplizierteren Fällen liefert die Musterfeststellungsklage nur eine Art Grundsatzurteil, an dem sich eine weitere individuelle zweite Klage für den Einzelfall dann orientieren soll.

Die Abhilfeklage ist also eine Sonderform der Sammelklage, die auf Kosten von Verbänden für die Betroffenen durchgeführt wird. Doch es gibt bislang nur sehr wenige konkrete Verfahren, denen man sich anschließen kann. Eine Übersicht liefert die Seite www.sammelklagen.de.

Wie informiert man sich über welche Form der Sammelklage?

Auf der Internetseite des VZBV erfahren Betroffene per Onlinefragebögen, ob eine Abhilfe- oder Musterfeststellungsklage auch für sie infrage kommt. Das geht nur, wenn sich der Verband des gleichen Problems bei anderen Verbraucherinnen und Verbrauchern annehmen will.

Per Download kommt man zu einem Formular, über das man sich in das entsprechende Klageregister beim Bundesjustizministerium online einträgt. Der ganze Vorgang ist weitgehend automatisiert. Rückfragen - auch telefonisch - richtet man am besten an die Verbraucherzentrale, die mit den einzelnen Verfahren bestens vertraut ist.

Wie geht es weiter nach der Eintragung ins Klageregister?

Zielführend ist, wenn möglichst viele Betroffene mitmachen und von einer Sammelklage profitieren wollen. Wenn sich zu wenige melden und im Klageregister eintragen, kann der ganze Prozess allein daran scheitern. Bis zum Ende der ersten mündlichen Verhandlungen in der ersten Instanz können sich Betroffene der Klage kostenlos anschließen - per Online-Eintrag ins Register.

Lange Wartezeiten von mehreren Jahren nicht ausgeschlossen

Wenn die Klage sich hinzieht und weitere Instanzen durchläuft (vielleicht sogar am Ende beim Bundesgerichtshof landet) sind durchaus mehrere Jahre einzuplanen. Das Problem ist, dass die Klage des VZBV in der Regel für die Betroffenen keinerlei aufschiebende oder hemmende Wirkung entfaltet: Die höheren Gebühren bei Vodafone oder Amazon Prime laufen unterdessen einfach weiter und der Schaden wird immer größer. Andererseits hindert einen auch nichts daran, zwischenzeitlich den Anbieter zu wechseln, wenn es woanders günstigere Angebote gibt.

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