Zwölf Berufsintegrationsklassen und drei Deutschklassen als Vorstufe für Jugendliche, die während des Schuljahrs dazukommen – mit dieser hohen Zahl liegt die Berufsschule im Landkreis Cham über dem Durchschnitt. Das liegt auch an der Größe des Landkreises. Im Schnitt hat ein Landkreis in Bayern nur sieben solcher Klassen. Der Leiter der Berufsschule Cham, Siegfried Zistler, findet die Arbeit der Berufsintegrationsklassen absolut sinnvoll. 300 junge Menschen aus 40 verschiedenen Nationen hat er hier:
"Wenn wir die jungen Leute schon da haben, dann ist Integration und Hinführung zur Ausbildung und zur Arbeit unsere Aufgabe." Siegfried Zistler, Leiter der Berufsschule Cham
Sie allein zu lassen würde bedeuten, ihnen den Zugang zum Arbeitsmarkt zu erschweren oder sogar unmöglich zu machen, findet der Berufsschulleiter. Denn die meisten können noch nicht oder nicht genügend Deutsch, um eine Berufsausbildung anzufangen. Man brauche aber die jungen Menschen. Der Fachkräftebedarf sei immer noch groß und werde noch größer, wenn bald die geburtenstarken Jahrgänge in Rente gehen.
Deutschunterricht, aber auch andere Fächer
Deutsch ist in den zwei Jahren, die die Berufsintegrationsklasse dauert, das wichtigste Kernfach. Die Berufsschule Cham mischt in den Klassen die Nationen ganz bewusst stark durch. Dann sind die Jugendlichen gezwungen, untereinander deutsch zu reden und nicht doch wieder in ihre jeweilige Heimatsprache auszuweichen. Unterrichtet werden auch viele andere Fächer, zum Beispiel Mathematik und Ethik, Politik und Gesellschaftskunde. Auch Mediennutzung und ein Fach wie "Lebensgestaltung" gibt es.
"Da spielen Dinge rein wie zum Beispiel eine positive Lebenseinstellung. Auch Resilienz wird hier geschult. Bei uns gehört da auch viel Sport dazu." Siegfried Zistler, Leiter der Berufsschule Cham
Außerdem finden Berufspraktika in verschiedenen Betrieben statt und es werde "intensiv für eine Berufsausbildung geworben", sagt der Berufsschulleiter. Die Schule arbeite dabei mit einem großen Netzwerk zusammen, von der Agentur für Arbeit bis zur Volkshochschule.
Fast alle haben konkrete Berufswünsche
Was fällt auf bei einem Besuch in einer solchen Klasse? Die meisten wirken motiviert und fast alle haben schon einen konkreten Berufswunsch, wie eine spontane Umfrage zeigt. Firas, 23 Jahre, aus Syrien, will zum Beispiel Fachinformatiker für Systemintegration werden. Anna, 19 Jahre, aus Serbien, will Drogistin und die 20-jährige Dilan aus dem Irak möchte Krankenpflegerin werden. Ein 16-jähriger Ukrainer hat als Berufswunsch KFZ-Mechatroniker und ein 21-jähriger Iraker hat ab 1. September schon einen Ausbildungsplatz als tiermedizinischer Fachangestellter. Später möchte er Tiermedizin studieren. Sie alle finden es selbst sinnvoll, in einer Berufsintegrationsklasse zu sitzen.
Was bringt der ganze Aufwand?
Doch wie erfolgreich ist die Arbeit der Berufsintegrationsklassen? Die Berufsschule Cham hat für ihren Bereich nur Schätzungen: Rund ein Drittel der Jugendlichen und jungen Erwachsenen fangen danach tatsächlich eine Berufsausbildung an. Der Rest macht mit einer Schulausbildung weiter, etwa an weiterführenden Schulen, oder beginnt, ganz ohne Ausbildung zu arbeiten. Für Bayern insgesamt gibt es laut Kultusministerium momentan noch keine belastbaren Statistiken. "Mittel- und langfristig" soll aber "die Auswertung von Bildungsverläufen möglich sein".
Die Zahl der Berufsintegrationsklassen steigt jedenfalls: Im Schuljahr 2021/2022 gab es rund 390 solcher Klassen in Bayern. Jetzt sind es über 700. Grund für die Steigerung, so das bayerische Kultusministerium, sei "der anhaltend hohe Zuzug von berufsschulpflichtigen Jugendlichen und jungen Erwachsenen nach Deutschland." Neben Geflüchteten aus den "klassischen Asylherkunftsländern" sitzen auch junge Menschen aus der Ukraine und aus nicht deutschsprachigen EU-Ländern wie etwa Kroatien, Rumänien oder Bulgarien in solchen Klassen.
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Erfolgsgeschichten wie die von "Sha"
In Cham gibt es aber schon einige Erfolgsgeschichten, was solche Klassen am Ende doch bringen können. Eine davon ist die des heute 25 Jahre alten Shahwali Hussaini. Als er 2015 aus Afghanistan nach Deutschland flüchtete, konnte er kein Wort Deutsch. Er kam damals in eine der ersten Berufsintegrationsklassen in Cham. Heute spricht er sehr gut deutsch, arbeitet erfolgreich als Lagerleiter im Chamer Solarunternehmen "es-power". Sein Chef hat ihn als Helfer eingestellt, aber "Sha", wie ihn alle im Betrieb nennen, war ehrgeizig und stieg schnell auf.
"Gute Leute wie er sind nach wie vor sehr schwierig zu bekommen. Wir nennen solche Leute wie unseren Sha immer einen Glücksgriff." Stephan Stadler, Geschäftsführer der es-power GmbH
Neun der insgesamt 42 Beschäftigten im Betrieb seien Nicht-Deutsche. Ohne sie wäre es viel schwerer, überhaupt noch genügend Personal zu finden, so Stadler. Die Arbeit der Berufsintegrationsklassen sieht er als wichtige Basis, auf der die Firmen gut aufbauen könnten. "Wir Unternehmer, wir kriegen das dann schon hin, dass wir die integrieren, weil wir sie einfach auch brauchen", sagt der junge Firmenchef.
Sha selbst ist glücklich, endlich einen Arbeitsplatz in Deutschland zu haben. Er fühlt sich gut akzeptiert, auch von den Oberpfälzer Kunden. Viele sprechen ihn wegen seines Aussehens erst mal in gebrochenem Deutsch an, erzählt er. Aber wenn sie dann merken, wie gut er deutsch kann, merke er schon an der Mimik, dass sie sich freuen.
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