Die Europäische Zentralbank ebnet den Weg für die erste Zinserhöhung seit elf Jahren zum 1. Juli. Das beschloss der EZB-Rat am Donnerstag bei seiner auswärtigen Sitzung in Amsterdam, wie die Notenbank in Frankfurt mitteilte.
Der Leitzins solle um 0,25 Prozentpunkte steigen. Der Leitzins liegt derzeit bei null Prozent. Bis Juli bleibt der Leitzins aber auf diesem Rekordtief, Banken müssen für geparkte Gelder bei der EZB weiterhin 0,5 Prozent Zinsen zahlen.
Als wichtige Voraussetzung für die Zinsanhebung kündigte die EZB das Aus für das milliardenschwere Anleihe-Ankaufprogramms APP an. Dies gilt als Vorstufe einer Zinserhöhung.
Analystin: "Zementierung der Zeitenwende" in der EZB-Geldpolitik?
Anleger machte die ausstehende Entscheidung nervös: Aus Furcht vor einem Rückschlag für die Konjunktur zogen sie sich am Donnerstagvormittag aus den heimischen Aktienwerten zurück. Wie üblich bei Notenbank-Entscheidungen komme es auf die Wortwahl an, sagte Commerzbank-Analystin Antje Praefcke. Betone die EZB zu stark die Risiken, würden Investoren dies als Hinweis auf einige wenige Zinserhöhungen werten und den Euro verkaufen. "Zeigt sich die EZB hingegen zuversichtlich, dass der Leitzins auch über September hinaus noch steigen wird, dürfte dies dem Euro einen Schub geben. Schließlich wäre dies eine Zementierung der 'Zeitenwende' in der EZB-Geldpolitik."
Generell bedeutet eine Zinserhöhung, dass Geld teurer wird. Das hat auch Einfluss auf Kredite oder zum Beispiel Anleihen. Niedrige Zinsen gelten als wirtschaftsfreundlich, weil viel Geld auf dem Markt ist. Unternehmen können dann zum Beispiel leichter Kredite aufnehmen. Hohe Zinsen wiederum können der Konjunktur schaden, weil Verbraucher ihr Geld lieber sparen und Unternehmen weniger gerne investieren.
Seit der Finanzkrise herrscht Notfallmodus
Seit Jahren ist die EZB nach der globalen Finanzkrise, der Staatsschuldenkrise um Griechenland und der Coronavirus-Pandemie im Notfallmodus gewesen - mit noch immer historisch niedrigen Zinsen und Anleihenkäufen. Die waren einst gedacht, um für mehr Inflation zu sorgen.
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Die EZB strebt eigentlich eine Teuerungsrate von zwei Prozent als idealen Wert für die Wirtschaft an. Jahrelang war die Inflation aus EZB-Sicht viel zu niedrig. Mittlerweile hat sich das Bild aber radikal geändert, zuletzt wurden die hohen Energiepreise durch den Krieg in der Ukraine zusätzlich angeheizt. Auch Lebensmittel und viele Rohstoffe sowie Vorprodukte für die Industrie sind deutlich teurer geworden. Im Mai lag die Inflation im Euro-Raum bei 8,1 Prozent - ein Rekord.
Inflation setzt EZB unter Druck
Kritiker werfen der EZB vor, viel zu langsam zu agieren. In den USA und Großbritannien wurden die Zinsen bereits deutlich angehoben. Im Euro-Raum liegen die Leitzinsen dagegen noch bei 0,0 Prozent. Außerdem verharrt der sogenannte Einlagensatz weiterhin bei minus 0,5 Prozent. Geschäftsbanken müssen also Strafzinsen zahlen, wenn sie überschüssige Gelder bei der EZB parken. Hier könnte die EZB zuerst ansetzen. EZB-Präsidentin Christine Lagarde hatte kürzlich angekündigt, Negativ-Zinsen sollten bis Ende September Geschichte sein.
- Zum Artikel: "Zinswende in den USA: Was heißt das für Verbraucher bei uns?"
Ein schnelles Ende der hohen Inflation im Euroraum ist so oder so nicht zu erwarten. Der starke Preisanstieg könnte weitergehen, weil er von einer Verknappung des Angebots an Energie und Rohstoffen komme, heißt es bei der EZB. Ihr geht es vor allem um die mittelfristige Entwicklung in den nächsten zwei Jahren. In diesen Zeitraum will Lagarde die Inflation wieder einfangen und den Euro stabilisieren.
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