Das Baufeld im größten Entwicklungsprojekt der Stadt Regensburg auf dem Areal der ehemaligen Prinz-Leopold-Kaserne ist weitgehend leer. Auf dem städtischen Gelände soll es nächste Woche erst einmal mit der Kampfmittelräumung losgehen. Das Energiekonzept für einmal 1.200 Wohnungen, die hier gebaut werden sollen, steht allerdings bereits – es fußt auf Umweltwärme und Strom aus Photovoltaik.
Umweltwärme aus allen Quellen und Sonnenstrom
Die Regensburger wollen so viel Photovoltaik wie möglich nutzen - auf Dächern und etwa auch an geeigneten Fassaden Module anbringen. Der Projektleiter der Stadt Regensburg, Tobias Ruf, nennt beispielsweise die Parkhäuser, die entstehen werden. Außerdem sei da die Geothermie-Nutzung, sagt Ruf und zeigt auf die Probebohrung in zweihundert Metern Entfernung. "Das ist ja ergiebiger, als wir es erwartet hatten, in etwa bis 70 Meter Tiefe. Das können wir nutzen", schildert er. "Dann haben wir hier einen großen Abwasserkanal, einen Sammler, den wir anzapfen und über Wärmetauscher noch einmal Wärme gewinnen können. Und dann haben wir durch die Luft noch Luftwärmepumpen obendrauf, um mehr zu schaffen. Dazu kommt Photovoltaik", zählt Ruf auf.
Ziel ist es, die Konversionsfläche, also das ehemalige Kasernengelände mitten in der Stadt, so zu bebauen, dass die Energieversorgung CO₂-neutral sein wird. Das heißt, Gewerbebetriebe, Wohnhäuser und eine nahe gelegene Schule bekommen Photovoltaikanlagen und liefern dann Strom ins gemeinsame Netz. Weil Photovoltaikanlagen im Winter wenig Strom liefern, diesen aber im Sommer im Übermaß produzieren, wird in dem Innovationsquartier Wasserstoff erzeugt und zum Speichern genutzt.
Wasserstoff soll über den Winter helfen
"Unser Konzept ist es, dass wir diesen Sonnenstrom im Überschuss umwandeln – über eine Elektrolyse in Wasserstoff", erklärt Tobias Ruf. "Diesen Wasserstoff können wir hier vor Ort dann speichern. Wir dürfen bis zu fünf Tonnen speichern in einem Wohngebiet." Und im Winter, wenn die Sonne nicht scheint, kann der Wasserstoff über ein Blockheizkraftwerk wieder in Strom und Wärme umgewandelt werden. "Somit haben wir die Sonnenenergie vom Sommer genutzt, um im Winter Energie in Form von Wasserstoff zu haben."
Während beim Wasserstoffeinsatz allgemein ein geringer Wirkungsgrad und hohe Kosten kritisiert werden, sehen die Regensburger darin kein Problem, denn sie nutzen die Abwärme. So erreichen sie laut Ruf eben nicht nur einen Wirkungsgrad von 60 Prozent, sondern kommen auf bis zu 90 Prozent.
Wasserstoffförderung des Freistaats soll Finanzierung erleichtern
Diese Woche hat das bayerische Wirtschaftsministerium ein Wasserstoffförderprogramm aufgelegt. Die Regensburger hoffen, dass sie unter den 50 Kommunen sein werden, deren Förderantrag Erfolg hat. "Mit dem Förderprogramm werden die Anschaffungskosten von Elektrolyseuren und ihren unmittelbar verbundenen Anlagenbestandteilen mit einer Förderquote von 45 Prozent bezuschusst", heißt es auf der Seite des bayerischen Wirtschaftsministeriums. Elektrolyseure werden gebraucht, um mithilfe von Elektrolyse den Wasserstoff zu erzeugen.
Das Energiesystem im Ganzen wird auf dem ehemaligen Militärgelände bereits gefördert. Der Ansatz, aus vielen vor Ort verfügbaren Quellen Wärme zu gewinnen, ist laut der zuständigen Bundesanstalt förderungswürdig. Projektleiter Ruf brennt darauf, sein Viertel wachsen zu sehen und es zum Vorzeigeprojekt zu machen. Dadurch erhofft er sich einen Nachahmungseffekt bei anderen Kommunen.
Auf dem Gebiet der Prinz-Leopold-Kaserne plant die Stadt, die fertigen Wohnungen in Erbpacht zu vergeben. Sie werden nicht verkauft. Das Gelände gehört der Stadt seit 2018 und seit 2019 wird geplant. Wer dort zum Zug kommen will, muss sich an die Auflagen halten, also mit Photovoltaik auf dem Dach und Erdsonden im Boden einverstanden sein.
Dezentrale Wärmeversorgung als Chance
Dass man dezentral kleinere Nahwärmenetze bauen kann, die alle Anwohner versorgen und am Schluss einen bezahlbaren Wärmepreis liefern können, sieht Ruf als großen Vorteil. Dadurch bliebe den Bewohnerinnen und Bewohnern auch eine hohe CO₂-Besteuerung erspart. Das alles will Regensburg auf dem Gelände der ehemaligen Prinz-Leopold-Kaserne zeigen, sagt der Projektleiter. Das sei auch nötig, denn "das haben wir jetzt alle gelernt, auch durch das Weltgeschehen", so Ruf. "Wir können uns nicht mal auf Öl und Gas verlassen, aber wir können das alles in Deutschland, was die Technologie betrifft. Und wir packen das jetzt in Regensburg an."
Energetische Stadtsanierung in der Margaretenau
Dass eine energetische Sanierung auch in Bestandsquartieren funktioniert, will Regensburg ein paar Kilometer weiter in der Margaretenau beweisen. Auch nach der Modernisierung sollen die Mieten in der Genossenschaftswohnanlage mit Häusern aus den Jahren 1919 bis 1935 bezahlbar bleiben. Heute liegen sie durchschnittlich zwischen fünf und sechs Euro pro Quadratmeter. Es gibt lange Wartelisten bei der Baugenossenschaft.
In den Häusern waren und sind bis zur Sanierung überall Gaskessel verbaut – aber das Viertel soll CO₂-frei werden, sagt Armin Mayr von der Regensburger Stadtentwicklungsplanung: "Wir planen, dass wir etwa zwischen 2035 und 2038 tatsächlich CO₂-frei sind hier. Wir machen das, indem wir die Wärme aus der Umwelt holen. Die Wärmepumpen werden wir mit dem Strom der Solaranlagen betreiben. Und wir werden hier eine langfristige Speicherung mittels Wasserstoff machen." Im Bestandsquartier wird also eine ähnliche Strategie verfolgt wie im Neubauviertel. Nur die Umsetzung dauert wohl länger.
Renovierung Haus für Haus
So wird ein Haus nach dem anderen renoviert. Je nach Bausubstanz kann mehr oder weniger gedämmt werden. Die Fenster beispielsweise werden an einem Tag getauscht, sodass die Bewohner während der Renovierung nicht ausquartiert werden müssen. Darauf sind die Regensburger stolz. Ein Teil der zukünftigen Energieversorgung steht aber bereits, erklärt Tobias Saller. Er ist zuständig für die Energiewende in der Margaretenau. Auf die Dächer kommt Photovoltaik, die Wände werden gedämmt. Die künftige Energiezentrale ist in der Planung abgeschlossen und wird in Kürze gebaut.
Ein Haus heizt das andere – alle versorgt die Zentrale
Die Energiezentrale "sammelt die Energie des gesamten Quartiers ein und verteilt sie von dort wieder über die Wärmeleitungen zu den einzelnen Gebäuden", erklärt Tobias Saller. Der Architekt hat die Wärmeversorgung in der Margaretenau geplant und war als Berater in verschiedenen Bereichen dort tätig. "Somit ist es möglich, dass die Photovoltaik-Energie eines Gebäudes für die Beheizung eines anderen Gebäudes verwendet wird, das noch keine Photovoltaik hat und erst noch renoviert wird." Das erhöhe die Effizienz, sagt Saller.
Weil Klimaschutz in historischen Bauten in der Regensburger Margaretenau beispielhaft umgesetzt wird, hat die Genossenschaftssiedlung bereits einen Bauherrenpreis erhalten. Die Investitionen für die energetische Sanierung der Häuser trägt die Baugenossenschaft mit Zuschüssen der KfW. Die Stadt Regensburg hat das Konzept unterstützt.
Wärmepunkte und Wasserstoff
Auf einer Tafel mit dem Plan der Margaretenau weist Saller mit einem Zeigestock auf die Wärmepunkte hin. Solche Stationen soll es in mehreren Häusern geben. Ein Teil der Energieversorgung der Zukunft ist jetzt schon da, in die bestehenden Blockheizkraftwerke müssen lediglich andere Brenner eingebaut werden, erklärt er.
Auch in der Margaretenau ist es ein Ziel, Strom-Überschüsse in Wasserstoff langfristig zu speichern. "Dann heben wir den Wasserstoff für die Zeit auf, wo wir gerade keine Sonnenenergie haben", sagt Saller stolz: "Er nützt dann im Winter, wenn wir ordentlich Wärme brauchen. Dadurch entlasten wir die Netze und gleichzeitig auch den Geldbeutel der Genossen."
Ziel ist, dass die Bewohner einmal im Verhältnis nicht mehr zahlen als heute, bei den hohen Strom- und Energiepreisen. Wenn man wie momentan von 40 Cent Strompreis pro Kilowattstunde für Wohnungen ausgehe, sagen die Regensburger, dann ist Wasserstoff wirklich eine Alternative.
Im Video: Reaktionen vor dem Hintergrund des "Heizungsgesetzes"
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