Am 27. August jährte sich der Geburtstag von Carl Bosch zum 150. Mal. Der Chemiker hat Anfang des 20. Jahrhunderts mit Fritz Haber das Haber-Bosch-Verfahren entwickelt: Stickstoff und Wasserstoff werden katalytisch zu Ammoniak verbunden. Heute werden 200 Millionen Tonnen Ammoniak weltweit produziert. 80 Prozent wird als Rohstoff für Düngemittel eingesetzt. In Zukunft soll Ammoniak eine neue, wichtige Rolle bei der Energiewende spielen.
Ammoniak hat einen Nachteil: Zu viele CO₂-Emissionen
Der Wasserstoff, der für das Haber-Bosch-Verfahren eingesetzt wird, wird überwiegend aus Erdgas gewonnen. Dabei fällt sehr viel CO₂ an. "Anderthalb Prozent der weltweiten CO₂-Emission kommen heute aus der Ammoniakherstellung", sagt Dr. Ralph Kleinschmidt, Leiter Technologie und Innovation bei thyssenkrupp Uhde.
Das Unternehmen baut Ammoniakanlagen. Und klar ist: Diese CO₂-Emissionen müssen reduziert werden. Dabei soll Ammoniak eine wichtige Rolle spielen.
Erster Schritt: Grüner Wasserstoff für das Haber-Bosch-Verfahren
Statt Wasserstoff aus Erdgas zu gewinnen, soll dieser in Zukunft durch Wasserelektrolyse hergestellt werden. Mit grünem Strom aus Windkraft oder Sonne wird dabei Wasser in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff gespalten. Es entsteht grüner Wasserstoff – dieser Prozess läuft ohne CO₂-Emissionen ab.
In Europa sind sonnen- und windreiche Regionen für die Wasserelektrolyse prädestiniert. Über Pipelines kann der grüne Wasserstoff verdichtet zu den Abnehmern aus der Industrie transportiert werden. Aber es gibt Regionen, aus denen der grüne Wasserstoff nicht mehr per Pipeline transportiert werden kann. Sie sind zu weit entfernt.
Zweiter Schritt: Ammoniak soll Grünen Wasserstoff transportieren
Auch Australien oder Chile werden grünen Wasserstoff herstellen. Der müsste dann über tausende Kilometer per Schiff auf die Reise gehen. Die Crux: Das Gas muss verflüssigt werden. Kleinschmidt sagt: "Das braucht ziemlich viel Energie. Denn man muss den Wasserstoff auf ungefähr minus 253 Grad abkühlen. Dabei gehen schon circa 40 Prozent des Energieinhalts, der eigentlichen im Wasserstoff ist, verloren."
Hier kommt Ammoniak ins Spiel. Der grüne Wasserstoff soll in Zukunft schon im Herstellungsland mit Stickstoff zu Ammoniak gebunden werden. Denn das lässt sich bereits bei etwa minus 33 Grad verflüssigen. Die Chemikalie braucht weniger Energie zum Kühlen als grüner Wasserstoff. Die Schiffe können mit dem Grünen Ammoniak auf Routen fahren, deren Infrastruktur schon sehr gut funktioniert. Denn derzeit werden schon rund 30 Millionen Tonnen verflüssigtes Ammoniak zu Häfen verschifft. Ammoniak würde also eine neue Rolle bekommen – als Transportmittel für grünen Wasserstoff.
Ammoniak wird wieder zurückverwandelt
Am Zielort soll der grüne Wasserstoff aus dem Ammoniak mit Ammoniak-Cracking herausgelöst und in Pipelines zu Abnehmern transportiert werden. Denn in vielen industriellen Prozessen wird es in Zukunft dieser grüne Wasserstoff benötigt. Der grüne Ammoniak kann auch weiterhin als Rohstoff für Düngemittel verwendet werden.
Ammoniak-Cracking verbraucht auch Energie – Alternativen sind in Planung
Beim Ammoniak-Cracking wird aber Energie verbraucht. Und nicht alle Landstriche werden an Wasserstoffpipelines angeschlossen sein. Deshalb entwickelt das Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik dezentrale Cracking-Anlagen, die mit einem alternativen Reaktor energieeffizienter arbeiten sollen.
"In unserem Fall bringen wir die Wärme nicht wie üblich von außen in den Prozess, sondern nutzen Strom, um direkt den Katalysator zu heizen, sodass die Energie dort ist, wo die Reaktion passiert, und nicht erst eingebracht werden muss," sagt Dr. Clara Watermann.
Ammoniak soll Bedarf an grünem Wasserstoff für Europa sichern
Ungefähr 50 Prozent seines Wasserstoffbedarfs wird man in Europa importieren müssen. Ammoniak würde also im großen Stil als Transportmittel für grünen Wasserstoff zur Energiewende beitragen. Clara Watermann sagt: "Ammoniak ist ein vielversprechender Stoff, um zukünftig von den fossilen Energieträgern wegzukommen. Wir haben im Ammoniak auch keine Kohlenstoffquelle, wodurch wir dann wieder CO₂ einsparen können."
Das Haber-Bosch-Verfahren hat heute also immer noch Bedeutung. Ralph Kleinschmidt sagt: "Ohne das Haber-Bosch-Verfahren würde es keine Düngemittel geben, wie wir sie heute kennen. Es wäre schwierig, die Weltbevölkerung zu ernähren. Durch die neuen Anwendungen wird es in Zukunft eine Renaissance erleben."
Im Video: Wissenschaftler und Politiker setzen große Hoffnungen auf grünen Wasserstoff
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