In der Kleidung, in Verpackungen, Konserven und Kosmetika: Fast überall finden sich Umwelthormone – chemische Stoffe, die den menschlichen Hormonhaushalt durcheinanderbringen können. Dazu gehört auch Bisphenol A (BPA).
Was macht Bisphenol A im Körper?
Bisphenol A ist eines der bekanntesten Umwelthormone. Das sind chemische Substanzen, die wie ein Hormon wirken können. Verschiedene Tierstudien haben gezeigt, dass BPA ähnliche Auswirkungen wie das Hormon Östrogen haben kann. Ein Überschuss dieser Chemikalien im Körper kann zu Störungen des Stoffwechselhaushalts führen. Daher werden sie mit Übergewicht, Fettleibigkeit oder einer Beeinträchtigung der Fruchtbarkeit in Verbindung gebracht.
Darüber hinaus steht Bisphenol A im Verdacht, Schilddrüsenerkrankungen auszulösen, aber auch Diabetes. Manche Wissenschaftler vermuten den flächendeckenden Einsatz dieser Chemikalie als Ursache für die Zunahme der hormonabhängigen Krebserkrankungen wie Brust-, Hoden- und Prostatakrebs.
Allerdings ist Bisphenol A längst nicht der einzige Stoff, dem hormonähnliche Wirkungen nachgesagt werden. Auch Phtalate gehören dazu, die sogenannten Weichmacher in Plastik. Oder Parabene, das sind Konservierungsmittel in Kosmetika und Lebensmitteln. Ebenso enthalten viele Pflanzenschutzmittel in der Landwirtschaft hormonähnliche Chemikalien.
Gibt es einen Grenzwert, ab dem Bisphenol A gefährlich wird?
Da gehen die Meinungen auseinander. Menschen können BPA über Nahrung und Getränke aufnehmen. Ein Grenzwert legt fest, wie viel davon täglich maximal aufgenommen werden darf (Tolerable Daily Intake – TDI). Allerdings ist der Grenzwert für Bisphenol A umstritten. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat Hunderte von Studien überprüft, die darauf hindeuten, dass Bisphenol A gefährlicher ist als bisher angenommen. Daher fordert die EFSA eine drastische Senkung des Grenzwerts.
Sie selbst legt ihn nach einer Neubewertung im Jahr 2023 auf 0,2 Nanogramm pro Kilogramm Körpergewicht pro Tag fest. Die EMA (Europäische Arzneimittelbehörde) ist damit jedoch nicht einverstanden und hält am alten Richtwert von 2015 fest. Der liegt bei einer täglichen Einnahme von 4 Mikrogramm pro Kilogramm Körpergewicht. In diesem Streit haben die EU-Behörden sowie ihre Expertinnen noch keine Einigung erzielt. Man kann also nicht von einem allgemeingültigen Grenzwert ausgehen.
Welche Verpackungen enthalten Bisphenol A?
Bisphenol A steckt in harten durchsichtigen Kunststoffen von Plastikflaschen oder auch in der Innenbeschichtung von Konservendosen. Wie häufig Lebensmittelkonserven mit diesem Schadstoff belastet sind, zeigt eine neue Untersuchung der Stiftung Warentest: In 51 von 58 Dosen steckte Bisphenol A.
Auch Trinkflaschen, Thermopapier, Wasserkocher oder Kaffeemaschinen können Bisphenol A enthalten. Seit 2011 sind Babyflaschen aus Polycarbonat, die BPA enthalten, in der EU verboten. Ansonsten ist der Stoff erlaubt. Einige Länder wie Frankreich haben die Chemikalie 2015 bereits komplett aus dem Verkehr gezogen. Die Industrie ist auf der Suche nach Ersatzstoffen. Wie etwa Bisphenol FL (BHPF), doch das ist womöglich auch ungesund.
Wie kann ich Bisphenol A vermeiden?
Am besten ist es, frische Lebensmittel oder Glaskonserven zu verwenden. In Dosen konservierte Nahrungsmittel und auch Getränkedosen sollten Verbraucher so gut es geht meiden. Beim Kauf einer Trinkflasche ist es ratsam, etwas mehr Geld auszugeben für eine BPA-freie Kunststoffflasche aus Tritan oder Silikon. Auch Metallflaschen aus Aluminium oder Edelstahl sowie Glasflaschen aus bruchsicherem Borosilikatglas sind eine Alternative zu preisgünstigeren Plastikflaschen, die möglicherweise gesundheitsschädliche Weichmacher enthalten.
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Diskussionen um den richtigen Grenzwert für Bisphenol A
Bereits Ende 2021 hatte die EFSA einen Gutachtenentwurf zur Senkung des Grenzwerts der EU-Kommission vorgelegt. Im April 2023 veröffentlichte die Behörde die wissenschaftliche Neueinschätzung zum Thema, in der sie einen 20.000 Mal niedrigeren Grenzwert vorschlägt. Behörden, wie das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) oder die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA), sind jedoch anderer Meinung. Das BfR rät dazu, den Grenzwert um das Zwanzigfache zu senken. Die EMA hingegen ist der Ansicht, dass der aktuelle Grenzwert beibehalten werden kann.
Solche Meinungsverschiedenheiten sind in Institutionen, die mit wissenschaftlicher Fachkompetenz arbeiten, nicht ungewöhnlich. Erstaunlich ist hingegen, dass die Behörden sowie ihre hinzugezogenen Expertinnen und Experten mehrmals zusammenkamen und dennoch keine Einigung erzielen konnten.
Die unterschiedlichen Einschätzungen der Behörden basieren auf verschiedenen wissenschaftlichen Studien. Das BfR kritisiert, die EFSA habe hauptsächlich Studien berücksichtigt, die BPA als gefährlich einstufen. Uneinigkeit herrscht auch darüber, inwiefern die beunruhigenden Ergebnisse von Mäusestudien als Bewertungsbasis bezüglich der Gefährlichkeit der Chemikalie für den Menschen dienen können.
Der Vorschlag der EFSA und die abweichenden Stellungnahmen der anderen Behörden wurden der EU-Kommission vorgelegt. Es wird aber wohl noch einige Zeit dauern, bis eine Entscheidung im Fall Bisphenol A getroffen wird, möglicherweise sogar bis nach der Europawahl 2024.
- Zum Artikel: Streit um den Grenzwert für Bisphenol A
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