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Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz regelt die Dauer der Anstellung vor der Übernahme einer Professur an einer Hochschule.

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Bundesregierung einigt sich über Zeitverträge an Hochschulen

Viele Wissenschaftler beklagen, ihre Karriere kaum planen zu können, weil sie sich von einem Zeitvertrag zum nächsten hangeln. Das soll sich bald ändern. Die Bundesregierung hat sich auf eine Reform des "Wissenschaftszeitvertragsgesetzes" geeinigt.

Über dieses Thema berichtet: Campus Magazin am .

Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz regelt, wie lange Forscherinnen und Forscher in Deutschland vor dem Ruf auf eine Professur angestellt sein dürfen. Die Länge des Namens "Wissenschaftszeitvertragsgesetz" lässt keine Schlüsse auf die Länge der Zeitverträge an Universitäten, Hochschulen und anderen Wissenschaftseinrichtungen zu. Oft sind es befristete Teilzeitstellen ohne Überstundenvergütung und wenig Aussicht auf Festanstellung. Unter solchen Bedingungen, die in der freien Wirtschaft undenkbar wären, arbeiten rund zwei Drittel der hauptberuflich tätigen Wissenschaftler in Deutschland, die keine Professur haben. Bei den Promovierenden sind es sogar über 90 Prozent. Zu ihnen gehörte auch der Historiker Sebastian Kubon. Er hat in mittelalterlicher Geschichte promoviert. Alle seine Stellen vor und nach der Doktorarbeit waren befristet, berichtet er: "Man hat manchmal Einmonats-Verträge, wegen denen man in die Uni-Verwaltung geht, um sie unterschreiben zu lassen. Mein längster Vertrag war zwei Jahre und vier Monate lang." Unter solchen Bedingungen habe man keine Planung im Leben.

Kritik an Befristungsgrenzen

Eckpunkte für eine Gesetzesreform hatte das Bundesministerium für Bildung und Forschung schon im März 2023 vorgelegt, das Papier aber nach nur zwei Tagen wieder zurückgezogen. Grund dafür war vor allem die scharfe Kritik an der Höchstbefristungsgrenze für so genannte Postdocs, also Wissenschaftler nach der Promotion, aber noch ohne Professorentitel. Ihre Stellen sollten von sechs auf nur noch drei Jahre befristet werden.

Im Juni 2023 folgte der überarbeitete Gesetzesentwurf: Zeitverträge von Forschenden sollen nach ihrer Doktorarbeit künftig für vier Jahre befristet werden können. Weitere zwei Jahre Befristung sollen nur noch zulässig sein, wenn man ihnen eine verbindliche Anschlusszusage macht. Nach Monaten der Ressortabstimmung soll über diesen Kompromiss nun Ende März im Kabinett abgestimmt werden.

Vertreter der Wissenschafts-Community üben Kritik.

Dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nach einer Promotion künftig nur noch vier statt sechs Jahre befristet ohne Perspektive auf eine Festanstellung beschäftigt werden dürfen, soll deren prekäre Situation verbessern. So sieht es Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP). Betroffene und Gewerkschaft können darin keine Vorteile erkennen.

Andreas Keller, stellvertretender Vorsitzender und Hochschul-Experte der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) ist enttäuscht, dass der jetzige Entwurf dem des letzten Sommers entspricht und nicht entscheidend nachgebessert wurde: "Wahrscheinlich wird das Modell keine Verbesserung und auch nicht mehr unbefristete Stellen bringen, sondern nur mehr Druck. Denn das, was die Postdocs jetzt in sechs Jahren machen, zum Beispiel eine Habilitation, sollen sie in vier Jahren machen. Das ist eigentlich fast unmöglich, wenn man bedenkt, dass ja auch die Begutachtungsphasen relativ lang sind."

Der Deutsche Hochschulverband DHV ist weniger skeptisch, plädiert aber für eine offenere Regelung im 4+2 Modell, das sich stärker an den Qualifikations-Erfordernissen der einzelnen Fächer orientiert. In den Geisteswissenschaften benötigen Habilitationen zum Beispiel oft mehr Zeit.

Qualität von Forschung und Lehre sichern

Weitgehende Einigkeit herrscht darüber, dass neben der Gesetzesreform auch die Bundesländer und die Hochschulen selbst in der Pflicht sind, durch eine bessere Grundfinanzierung und vorausschauende Personalpolitik konkurrenzfähige Arbeitsbedingungen für exzellente Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu schaffen. Denn dass Universitäten und Forschungseinrichtungen unter den jetzigen Bedingungen für viele junge Forscher keine Karriereoption mehr sind, zeigt das "Wissenschaftsbarometer 2023": Laut der Erhebung haben über 70 Prozent aller befristet Beschäftigten nach der Promotion in den vergangenen zwei Jahren ernsthaft den Ausstieg aus der Wissenschaft erwogen. Und nur noch 16 Prozent der Promovierenden haben als Berufsziel die Professur.

Bessere Arbeitsbedingungen in der freien Wirtschaft

Historiker Sebastian Kubon hat dem Befristungssystem an der Universität den Rücken gekehrt und ist jetzt Referent für Wissenschaftspolitik einer Abgeordneten im Bayerischen Landtag. Wenige Tage nach seiner Bewerbung hatte er einen Arbeitsvertrag auf dem Schreibtisch liegen, mit sehr guten Konditionen - und unbefristet.

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