Cannabis – das ist der lateinische Begriff für Hanf – ist seit mehr als 4.000 Jahren bekannt. Die Pflanze wird in vielerlei Hinsicht genutzt: Die Fasern lassen sich zu Seilen oder Geweben verarbeiten, aus dem Samen kann Öl gefiltert werden. Und aus den getrockneten Blüten und Blättern lassen sich Rauschmittel wie Haschisch (das Harz der weiblichen Pflanze) und Marihuana (aus Blüten und blütennahen Blättern) gewinnen.
Hanf – eine alte Heilpflanze
Bereits im Shennong Bencaojing, einem chinesischen Arzneibuch über Heilpflanzen, dass 300 v. Chr. bis 200 v. Chr. zusammengestellt wurde, dessen Inhalte aber wesentlich älter sind, wird die Hanfpflanze als Heilmittel unter anderem gegen Rheuma und Malaria beschrieben. Ärzte verwendeten in der Antike Cannabis gegen Ohrenleiden und Schmerzen. Und auch Hildegard von Bingen nutzte Cannabis als Mittel gegen Magenschmerzen oder Übelkeit.
THC und CBD - Die Wirkstoffe von Cannabis
Heute sind für die medizinischen Wirkungen von Hanf vor allem zwei Inhaltsstoffe erforscht: Delta-9-Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD). Raucht man Cannabis, wirkt THC am schnellsten, da die Wirkung des Cannabinoiden über die Atemwege unmittelbar die Blut-Hirn-Schranke überwindet. Bereits nach 15 Minuten spürt man eine starke psychoaktive Wirkung, die nach etwa einer halben Stunde bis Stunde (je nach konsumierter Menge) langsam wieder abklingt. Schluckt man Cannabis als ölige Tropfen oder Kapsel, setzt die Wirkung verzögert, dafür mitunter aber umso heftiger ein.
Cannabis gegen Kopfschmerz?
Anders als Tetrahydrocannabinol hat Cannabidiol keine berauschende Wirkung, kein Suchtpotenzial und beeinträchtigt auch nicht das Fahrvermögen. CBD ist gefragt, weil es gegen Kopfschmerzen, Ängste, Entzündungen oder beim Einschlafen helfen soll. Allerdings ist die Wirkung von CBD in klinischen Studien nicht bewiesen. Es gibt zwar Hinweise auf eine entzündungshemmende und schmerzlindernde Wirkung. Diese sind aber noch nicht ausreichend durch klinische Studien gesichert. Auch Fragen zu Dosierung, Sicherheit, Neben- und Wechselwirkungen sind noch nicht geklärt.
Cannabis: Gefahr für Jugendliche
Vor allem für Heranwachsende stellt der Konsum von THC eine ernste Gefahr dar. Denn gerade junge Gehirne reagieren besonders empfindlich auf die Inhaltsstoffe in Cannabis. Der menschliche Körper produziert selbst Stoffe, die den Substanzen im Hanf sehr ähnlich sind, sogenannte Endocannabinoide, Diese haben eine wichtige Funktion bei der Steuerung der Hirn-Entwicklung, auch in der Pubertät. Wird diese Steuerung von außen durch THC oder andere Cannabinoide beeinflusst, kann es zu Störungen dieser Entwicklung kommen.
US-amerikanische und neuseeländische Studien kamen zu dem Schluss, dass Cannabis die Gehirnstruktur bei Teenagern verändert und unter anderem zu einer dauerhaften Minderung des Intelligenzquotienten führt, bzw. bleibende Schäden im Gehirn von Jugendlichen (externer Link) hinterlässt. Kleinere Studien ergaben allerdings, dass sich Nebenwirkungen wie Gedächtnis- und Aufmerksamkeitsstörungen langfristig wieder zurückbilden.
Cannabis im Abseits
Weil Cannabis aus Naturprodukten wie Blüten und Harz konsumiert wird und nicht synthetisch hergestellt wird, gerieten die Pflanze und ihre Wirkstoffe lange ins Abseits der medizinischen Forschung. Das hat auch historische Gründe: 1925 wurde Hanf auf der internationalen Opiumkonferenz in Genf vom Völkerbund geächtet, um die weltweit grassierende Drogensucht sowie den Handel mit Rauschmitteln und den Konsum von Cannabis einzudämmen.
Unklare Studienlage
In den letzten Jahren wird die Wirkweise von Cannabis wieder zunehmend erforscht. Die Psychologin Eva Hoch von der Ludwig-Maximilians-Universität München hat mit Kollegen im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums 2018 die sogenannte CaPRis-Studie erstellt – ein Überblick über den Stand der Cannabis-Forschung. Für die Übersichtsarbeit sichtete das Autorenteam mehr als 2.000 wissenschaftliche Studien der vorangegangenen zehn Jahre aus fünf internationalen Datenbanken und wertete sie aus.
Dennoch beklagen Mediziner wie Prof. Dominik Irnich, Leiter der Schmerzambulanz am Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München, dass es zu wenig unabhängige Studie zur Wirkweise von Cannabis gebe: "80 Prozent der Studien werden von der Pharmaindustrie in Auftrag gegeben. Wir benötigen hier aber vor allem mehr unabhängige Untersuchungen über die Langzeitwirkung von Cannabis in der klinischen Praxis. Häufig sind die ermittelten Effekte in den vorliegenden Studien nicht viel stärker als ein Placebo", so Dominik Irnich im Jahr 2021.
Cannabis als Schmerzmittel
Heute wird Cannabis vor allem als Schmerzmittel für schwerwiegende Erkrankungen eingesetzt. Seit 2017 übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen in bestimmten Fällen die Kosten für Cannabis-Arzneimittel, wenn eine schwere Erkrankung vorliegt und eine anerkannte medizinische Behandlung nicht zur Verfügung steht oder nicht möglich ist.
Schmerztherapeuten wie Dominik Irnich setzen Cannabis als Arzneimittel gegen Spastiken (Muskelkrämpfe) bei Multipler Sklerose ein. "Die Patienten berichten hier glaubhaft von einer Schmerzlinderung", sagt Irnich. Weitere medizinische Indikationen für den Einsatz von Cannabis sind Übelkeit und Erbrechen, zum Beispiel als Folge einer Chemotherapie, oder etwa kindliche Epilepsie. Ärzte verabreichen Cannabis dabei meist oral in Form von Granulat oder Tablette. "Für das Verabreichen von Blüten, die geraucht oder verdampft werden, besteht medizinisch überhaupt keine Begründung", sagt Mediziner Irnich.
Im Video: Cannabis als Medizin (ab Minute 6:45)
Alkohol oder Cannabis – Was ist schädlicher?
Für Erwachsene ist es egal, ob man an einem Wochenende sechs bis acht Bier trinkt oder zwei bis drei Joints raucht, sagen Suchtexperten. Denn letztlich sei der gesundheitliche Schaden durch Alkohol oder Cannabis-Konsum für ausgewachsene Menschen ähnlich gravierend. Beide Substanzen haben Suchtpotential – Alkohol wirkt dabei enthemmend, während Cannabis eher entspannt.
Doch für beide Drogen gilt: Die Gefahr geht nicht nur von der Substanz alleine aus. Vielmehr ist die Regelmäßigkeit und die Höhe der konsumierten Mengen entscheidend.
Das bewirkt Cannabis im Körper
Zu den bekannten Nebenwirkungen von Cannabis gehören ein schlechtes Gedächtnis und verminderte Aufmerksamkeit. Langfristig führt ein hoher Konsum zu einer Beeinträchtigung der Informationsverarbeitung im Gehirn, da THC diese beeinflusst. Das Abspeichern und Verarbeiten neuer Informationen wird dadurch schwierig. Insgesamt ist Cannabis damit laut CaPRis-Studie ein Risikofaktor für psychische Erkrankungen, insbesondere Psychosen.
Zudem bewirkt eine hohe Cannabis-Dosis Bluthochdruck, erweiterte Blutgefäße und hohen Puls. Da Cannabis geraucht wird, kommt auch die Gefahr von Schäden der Atmungsorgane und ein erhöhtes Risiko für Bronchitis und Lungenkrebs hinzu.
Unklar ist nach wie vor, ob eine psychische Abhängigkeit droht. Klassischerweise eine Einstiegsdroge führt Haschkonsum zwar nicht automatisch zu härteren Drogen. Eine Gefahr für psychotische Leiden wie Schizophrenie ist für Jugendliche, die regelmäßig Cannabis konsumieren, nach aktueller Studienlage aber erhöht. Zudem erhöht Cannabis laut CaPRis-Studie das Risiko für Angststörungen und Depressionen.
An Cannabis stirbt man nicht, aber es ist nicht harmlos
Trinkt man größere Mengen Alkohol, wird auch die Aufmerksamkeit und Wahrnehmungsfähigkeit beeinflusst, das Hirn wird langfristig geschädigt. Eine Alkoholvergiftung kann zu Bewusstlosigkeit und sogar im Koma enden. Hoher Alkoholkonsum schädigt zudem Leber, Magen und Speiseröhre.
Schließlich: Durch Alkoholkonsum sterben regelmäßig Menschen. Durch Kiffen von pflanzlichem Cannabis eher nicht. Das ist allerdings rein anatomisch begründet: Denn im Hirnstamm, der unsere zentralen Körperfunktionen reguliert, gibt es nur wenige Cannabis-Rezeptoren.
Harmlos oder gar ungefährlich ist Cannabis aber deshalb nicht. Zumal man nie sicher sein kann, wie stark oder schwach der Wirkstoffgehalt bei auf der Straße gekauften "Ware" ist, beziehungsweise ob man nicht womöglich "gepanschte" synthetische Cannabinoide erhält.
Possoch klärt: Alkohol vs Cannabis: Warum Trinken legal und Kiffen illegal ist
Dieser Artikel ist erstmals am 13.10.2021 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel aktualisiert und erneut publiziert.
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