Seit Beginn der Pandemie betonen Wissenschaftler immer wieder: Die PCR-Tests sind extrem zuverlässig. Doch in den vergangenen Tagen kamen zunehmend Zweifel daran auf. Gleich bei mehreren bayerischen Fußballvereinen wurden Spieler "falsch positiv" getestet, erhielten also ein positives Testergebnis, obwohl sie eigentlich negativ waren.
Falsch-positive Tests bei Fußballern
So konnte etwa der FC-Bayern-München-Spieler Serge Gnabry aus der Quarantäne entlassen werden, nachdem sich ein PCR-Testergebnis als "falsch-positiv" herausgestellt hatte. Auch beim Zweitligist Würzburger Kickers und dem Drittligist Türkgücü München gab es ähnliche Fälle. Kurz darauf wurde dann noch eine größere Panne in einem Augsburger Testlabor bekannt: Einer Klinik fiel die Häufung positiver Testergebnisse auf, die aus dem Labor kamen. Bei einer Überprüfung stellten sich 58 von 60 Positiv-Proben als falsch heraus.
Die Fehler sind Wasser auf die Mühlen derer, die von Anfang an die Qualität der Tests bezweifelten. So twittert etwa ein User in Reaktion auf die neuen Rekorde bei den Infektionszahlen: "Mindestens die Hälfte davon falsch-positiv, don't forget."
Deutsche Labore im Grunde zuverlässig
Als Beleg für die Zuverlässigkeit der PCR-Tests werden meist sogenannte "Ringversuche" angeführt, in denen die Arbeit der Labore überprüft wird. Bei einem solchen Ringversuch im April schnitten deutsche Labore sehr gut ab. Zu dieser und vielen anderen Fragen rund um die PCR-Tests veröffentlichte der #Faktenfuchs im August schon diesen Text.
Allerdings: Im Fall des Augsburger Labors scheinen - nach allem, was man bisher weiß - die falsch-positiven Befunde eher auf die derzeitige Überlastung wegen hohen Testzahlen zurückzuführen zu sein. Aufgrund von Lieferengpässen konnte das Labor offenbar nicht die üblichen Reagenzien beziehen, mit denen das Virus nachgewiesen wird - also Flüssigkeiten, mit deren Hilfe das Erbgut des Virus sichtbar gemacht wird. Deshalb wurde ein anderes Reagens verwendet, das sich später als nicht kompatibel herausstellte. "Aufgrund des hohen Probenaufkommens und des fehlenden Zubehörs war eine Kontrolle positiver Ergebnisse nicht in allen Fällen zeitnah möglich", zitierte der "Münchner Merkur" die Geschäftsführerin des Labors, Gabriele Schön.
Probleme werfen trotzdem Fragen auf
Damit stellen sich Fragen: Wie sicher sind die Tests? Werden Positiv-Befunde standardmäßig überprüft? Welche technischen und anderen Fehler können dazu führen, dass es trotz der hohen Zuverlässigkeit der Tests zu falschen Ergebnissen kommt? Tragen die hohen Testzahlen dazu bei, dass Fehler häufiger passieren? Wie viele bayerische Labore sind von Lieferengpässen betroffen? Und: Muss die bayerische Teststrategie, nach der sich jede und jeder Bayern auch ohne Symptome kostenlos testen lassen kann, überdacht werden? Das klärt der #Faktenfuchs.
Wie sicher sind die PCR-Test?
In dem neuesten veröffentlichten Ringversuch vom April erreichten die Ringversuchsteilnehmer bei den relevanten untersuchten Kontrollproben - von denen einige negativ und einige positiv waren - Erfolgsquoten zwischen 97,8 Prozent und 99,7 Prozent. Die Ringversuche werden alle drei Monate durchgeführt. Die Ergebnisse des letzten Ringversuchs aus dem Juni/Juli 2020 hat die durchführende Gesellschaft Instand noch nicht veröffentlicht. Auf Nachfrage des #Faktenfuchs teilt Instand mit, dass ein Bericht derzeit in Arbeit ist. Die Ergebnisse vom Juli spiegelten im Wesentlichen die vom April wieder.
Allerdings weist die Gesellschaft Instand e.V. in einer Stellungnahme zu den Ergebnissen des Ringtests vom April explizit darauf hin, dass die Ringversuche "keine generellen Aussagen zur Spezifität sowie zur Sensitivität der in den Laboratorien verwendeten Teste" leisten können - dafür bräuchte es umfassende Studien.
Mit den Versuchen wird also eher die Arbeit der Labore kontrolliert: Wenn mehrere Proben von einem Labor nicht richtig erkannt wurden, bedeutet das nicht, dass die Tests schlecht sind - sondern eher, dass ein bestimmtes Labor nicht gut arbeitet, wie die Österreichische Gesellschaft für Laboratoriumsmedizin und Klinische Chemie (OEGLMKC) ausführt. Daher sind die Ergebnisse auch nur für die geprüften Laboratorien aussagekräftig – und können nicht auf alle deutschen Labore hochgerechnet werden.
Werden Positiv-Ergebnisse von den Laboren nochmal überprüft?
Im Umkehrschluss heißt eine Erfolgsquote von "nur" 98 Prozent daher aber auch nicht, dass jeweils zwei Prozent der Getesteten ein falsches Ergebnis erhielten. Denn die Fehlerwahrscheinlichkeit, die in den Versuchen angegeben wird, bezieht sich auf einen einzelnen Gen-Bereich, der getestet wird. Die allermeisten Labore testen eine Abstrichprobe aber entweder direkt auf zwei oder sogar drei Gen-Orte ("Dual-Target-System") - oder testen zumindest die Positiv-Befunde noch einmal an einem anderen Genabschnitt nach.
Das bestätigen auf #Faktenfuchs-Anfrage sowohl Ulrike Protzer, Virologin an der Technischen Universität München, als auch Bernhard Wiegel, Landesvorsitzender des Berufsverbands Deutscher Laborärzte (BLA) in Bayern. Er schreibt in einer Mail an den #Faktenfuchs: "Die meisten PCR-Testkits ("Assays") testen bereits zwei Genregionen, sodass ein positives Testergebnis gemäß den Testprotokollen des RKI bereits mit einem solchen PCR-Test abgesichert ist."
Wird ein Assay (Untersuchungsverfahren) verwendet, das nur einen Genabschnitt testet, werde ein positives Testergebnis im medizinischen Labor durch den Testenden 'markiert' und dann durch den Test einer zweiten Genregion abgesichert. Der zusätzliche Zeitbedarf betrage etwa sechs Stunden. "Dieser Ablauf ist verpflichtend", schreibt Wiegel. "Erst dann erfolgt die Positivmeldung."
Ob die Labore die zwei Genbereiche also parallel oder nacheinander testen, hängt vom jeweiligen Verfahren ab - Pflicht ist die Validierung aber so oder so. Die Labore senken damit die Fehlerwahrscheinlichkeit noch einmal auf weit unter ein Prozent, wie das RKI und die OEGLMKC übereinstimmend schreiben. Wenn im Labor alles glatt läuft, dürften falsche Ergebnisse also äußerst selten sein.
Sind die bayerischen Labore überlastet?
Der Anstieg der Testzahlen hat dazu geführt, dass viele Labore inzwischen am Anschlag arbeiten: Viele Mitarbeiter machen Überstunden, wichtige Materialien wie Pipetten, Reagenzien und Schutzkleidung werden knapp. Darauf weist unter anderem der Verband für Akkreditierte Labore in der Medizin (ALM) immer wieder hin.
Das Testaufkommen ist dem Verband zufolge in Deutschland derzeit extrem hoch: In der Woche vom 19. bis 25. Oktober etwa meldeten rund 160 Labore bundesweit mehr als 1,2 Millionen Tests mit rund 70.000 positiven Ergebnissen. Das waren zwölf Prozent mehr Tests als in der Vorwoche.
Insgesamt arbeiten die Labore in Deutschland aber noch nicht an der Kapazitätsgrenze - derzeit liegt die Auslastung laut dem ALM bei 89 Prozent. In einigen Bundesländern werde jedoch schon seit mehreren Wochen über der Kapazitätsgrenze gearbeitet, schreibt der Verband in einer Pressemitteilung vom 27. Oktober.
In Bayern teilt eine Pressesprecherin des Bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) auf Anfrage des #Faktenfuchs mit, das Staatsministerium für Gesundheit und Pflege stehe in engem Austausch mit den bayerischen Laborbetreibern. Regelmäßige Gespräche zeigten zwar eine "hohe allgemeine Inanspruchnahme", die bestehenden Testkapazitäten seien aber noch nicht voll ausgeschöpft. Engpässe in der Versorgung mit Testkits und Laborverbrauchsmaterial kämen allerdings immer mal wieder vor.
Darauf weist auch das RKI in seinem COVID-19-Lagebericht von Mittwoch, dem 28. Oktober 2020, hin: "Das RKI erreichen in den letzten Wochen zunehmend Berichte von Laboren, die sich stark an den Grenzen ihrer Auslastung befinden. Dies hat zur Folge, dass Abstrichproben, die nicht zeitnah bearbeitet werden können, aus überlasteten Laboren weiterverschickt werden müssen, was zu verlängerten Bearbeitungszeiten und Verzögerungen bei der Ergebnisübermittlung an die Gesundheitsämter führen kann. Die Mitarbeitenden der Labore arbeiten seit Beginn der Pandemie teils 7 Tage die Woche. Sie sind fachlich sehr gut ausgebildet und können nicht ohne weiteres ersetzt werden. Es ist damit zu rechnen, dass es in den kommenden Herbst- und Wintermonaten auch hier zu krankheitsbedingten Personalausfällen kommen wird. Auch die Durchführung von Diagnostik jenseits von SARS-CoV-2 muss in Deutschland flächendeckend gewährleistet bleiben."
Welche Fehlerquellen gibt es?
Dass es dennoch sowohl beim Abstrich als auch bei Transport und Auswertung der Proben immer wieder zu Fehlern kommen kann, darauf weist auch die Fachgesellschaft Instand in einer Veröffentlichung hin. So könnten Abstriche falsch entnommen, Proben vertauscht oder kontaminiert werden oder Fehler bei der Dokumentation der Ergebnisse gemacht werden.
Bernhard Wiegel vom BLA und Ulrike Protzer von der TUM sehen die Kontamination von Proben als derzeit wahrscheinlichste Fehlerquelle für ein mögliches falsch-positives Ergebnis. Auch dass eine Probe verwechselt oder falsch gemeldet wird, sei bei derzeit mehreren Tausend Proben am Tag in vielen Laboren nicht immer vermeidbar, sagt Ulrike Protzer von der TUM.
Muss die bayerische Teststrategie überdacht werden?
In Bayern hat sich die Staatsregierung im Juni dafür entschieden, dass jeder Mensch mit Wohnsitz in Bayern sich jederzeit kostenlos testen lassen kann - auch ohne Symptome.
Bayern weicht damit von der Nationalen Teststrategie des RKI ab, das vorsieht, vor allem Menschen mit Symptomen oder solche mit Risikokontakten oder in Risikoumfeldern zu testen, um keine Ressourcen zu verschwenden.
Verbände wie der ALM weisen immer wieder darauf hin, dass allzu breites und anlassloses Testen angesichts der zunehmenden Material-Knappheit nicht die richtige Strategie ist. So sagt etwa Vorstand Wolf Kupatt: "Anlasslose Tests sollten jetzt vermieden werden. Der Fokus muss nun konsequent auf dem medizinisch Notwendigen liegen. Dazu gibt uns die bekannte Nationale Teststrategie die richtige Guidance!"
Das bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege prüft derzeit - entsprechend den RKI-Empfehlungen – auch die verstärkte Nutzung von Antigen-Schnelltests. Diese gelten zwar als weniger sicher als PCR-Tests, könnten aber eine Art erste Stufe im Testsystem darstellen - im Fall von Positiv-Ergebnissen muss dann nochmal nachgetestet werden. So könnten die Labore entlastet werden.
Fazit
Die PCR-Test gelten grundsätzlich als sehr sicher. Werden die Abstriche korrekt entnommen und die Proben entsprechend der Vorgaben korrekt gelagert, transportiert und analysiert, beträgt die Genauigkeit der Tests nahezu 100 Prozent.
Allerdings gibt es Fehlerquellen, die nichts mit dem Test selbst zu tun haben: So kann etwa der Abstrich falsch genommen werden, es können Proben vertauscht, falsch beschriftet, kontaminiert oder falsch gemeldet werden. Ein weiteres Problem ist die steigende Arbeitsbelastung der Labore bei zugleich knappen Ressourcen. Die Auslastung liegt deutschlandweit derzeit bei 89 Prozent. Doch gut ausgebildetes Personal und Materialien sind knapp. Medienberichten zufolge könnte der dadurch gestiegene Druck auch in dem Fall in Augsburg eine Rolle gespielt haben: Offenbar wurden hier wegen eines Lieferengpasses andere Reagenzien als üblich verwendet und Positivproben nicht noch einmal überprüft. Normalerweise ist es Standard, dass ein PCR-Test zwei unterschiedliche Genabschnitte nachweist, entweder parallel oder nacheinander. Erst dann darf der Positiv-Bescheid weitergereicht werden.
Verbände wie der ALM weisen wegen der hohen Belastungssituation darauf hin, dass die Nationale Teststrategie des RKI, der zufolge bestimmte Personengruppen prioritär getestet werden sollten, mehr beachtet werden sollte. In Bayern kann sich momentan noch jede und jeder ohne Symptome kostenlos testen lassen.
4. November 20202, 11.10 Uhr: Nach einer Mail-Antwort von Instand haben wir einen Absatz entsprechend aktualisiert: Ein neuer Bericht sei in Arbeit.
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