Bei ihrem Corona-Gipfel am vergangenen Dienstag, den 19. Januar, haben sich Bund und Länder neben der Verlängerung des Lockdowns bis zum 14. Februar auch auf eine strengere Maskenpflicht geeinigt. Bundesweit muss jetzt jeder in Geschäften und im öffentlichen Nahverkehr medizinische Masken tragen. Die selbstgenähte Stoffmaske ist verboten.
In Bayern gelten besonders strenge Regeln: Im Einzelhandel und im öffentlichen Nahverkehr sind hier die sogenannten FFP2-Masken Pflicht. Auch in Pflegeheimen müssen Personal und Besucher FFP2-Masken tragen. Seit Montag, 25. Januar, droht dem, der keine FFP2-Maske trägt, sogar ein Bußgeld in Höhe von 250 Euro. Erlaubt sind neben den FFP2-Masken auch vergleichbare Masken mit dem Kürzel N- oder KN95. Doch Experten wie die Virologin Ulrike Protzer, Direktorin des Instituts für Virologie am Helmholtz Zentrum München und Leiterin des Instituts für Virologie der Technischen Universität München, halten die in Bayern geltende Pflicht von FFP2-Masken nicht unbedingt für sinnvoll. Die Münchner Virologin sieht im Wesentlichen drei Probleme.
Die drei wesentlichen Defizite der FFP2-Masken
FFP2-Masken sind kein Medizinprodukt
FFP2-Masken seien "etwas, was aus dem Arbeitsschutz kommt", also nicht unter das Medizinproduktgesetz falle, sagt Protzer. Entsprechend werden FFP2-Masken nicht so strikt kontrolliert wie die OP-Masken. Michael Birkhorst, bei der Landeshauptstadt München zuständig für die Arbeitssicherheit, widerspricht dem: FFP-2-Masken seien qualitativ sehr gut und böten einen guten Schutz, wenn sie richtig getragen werden. Allerdings seien sie als persönliche Schutzausrüstung für den Einsatz bei der Arbeit gedacht und sollten nur in begründeten Einzelfällen, dann aber mit ärztlichem Rat von der Allgemeinbevölkerung getragen werden.
Weil sich derzeit mit FFP-2-Masken Geld verdienen lässt, kämen teils auch minderwertige Produkte auf den Markt - so wie jüngst im Landkreis Aschaffenburg geschehen. 1.000 FFP2-Masken wurden dort wegen mangelnder Dichte zurückgerufen.
FFP2-Masken helfen nur, wenn sie seitlich dicht sind
Theoretisch sollen FFP2-Masken mindestens 94 Prozent aller Aerosole aufhalten, durch die das Coronavirus maßgeblich übertragen wird. Das gelingt aber nur, wenn die Maske an den Seiten dicht anliegt. Ist zum Beispiel ein Bart im Weg, ist auch die gute Filterwirkung passé. In diesem Fall schneiden sogar OP-Masken besser ab, denn ihr Stoff kann - wenn die Maske richtig getragen wird - vor bis zu 98 Prozent der Aerosole schützen.
Mit FFP2-Masken atmet sich´s schlecht - nicht jeder behält sie konsequent auf
Weil FFP2-Masken so eng am Gesicht anliegen, sind sie auch unangenehmer zu tragen. Nicht jeder Maskenträger nimmt das hin. Und genau darin sieht Virologin Protzer auch aus virologischer Sicht einen Nachteil der FFP2-Masken.
"[Man bekommt schlechter Luft] und dann neige ich dazu, sie mal kurz wegzuziehen vom Gesicht, und dann ist natürlich der ganze Effekt weg. Gerade wenn ich mich zum Beispiel anstrengen muss, wenn ich eine Treppe hochlaufe, dann ist es doch mit einer FFP-2-Maske schon unangenehm." Ulrike Protzer, Direktorin des Instituts für Virologie am Helmholtz Zentrum München und Leiterin des Instituts für Virologie der Technischen Universität München
Mit einer medizinischen OP-Maske könne man das hingegen gut machen, sagt Protzer. Wenn Menschen allerdings wieder anfingen, Aufzug zu fahren, anstatt Treppen zu laufen, dann sei "der ganze Effekt weg", meint die Virologin. "Weil in Aufzügen besteht eben eindeutig eine erhöhte Infektionsgefahr", so Protzer.
FFP2-Masken: Weitere Kritik an Bayerns Entscheidung
Vorsichtig kritisiert auch Christoph Spinner, Infektiologe an der TU München, die Entscheidung der Bayerischen Staatsregierung, FFP-2-Masken beim Einkaufen und in öffentlichen Verkehrsmitteln vorzuschreiben. Weil das Atmen mit der FFP2-Maske so schwer fällt, sei sie im Grunde nur was für gesunde Personen. Und selbst Menschen ohne gesundheitliche Probleme müssten bei FFP2-Masken regelmäßig Trage-Pausen einlegen, so Spinners Argument gegen die Verpflichtung von FFP2-Masken.
Die Entscheidung der anderen Bundesländer, auch die blauen OP-Masken zu erlauben, hält er für richtig. “Darüber bin ich sehr froh, dass die Politik hier entsprechend einen rationalen Zugang gefunden hat und in meinen Augen auch nicht überreagiert hat”, sagt Spinner dazu.
Auch das Robert Koch-Institut (RKI) hatte das Tragen von FFP2-Masken für Privatleute bis vor Kurzem nur unter "sorgfältiger Abwägung von potentiellem Nutzen und unerwünschten Risiken" empfohlen. Mittlerweile wurden die Hinweise dazu aber geändert.
WHO und andere Organisationen halten OP-Masken für ausreichend
Auch die WHO und die Deutschen Gesellschaften für Hygiene und Krankenhaushygiene halten die OP-Masken als Schutz vor einer Infektion mit dem Coronavirus für ausreichend. Dass sie genauso gut vor einer Übertragung von Viren schützen wie die FFP-2-ähnlichen N95-Masken, wurde bereits in Studien zu Influenzaviren belegt.
Infektiologe: FFP2-Maskenpflicht bei erhöhter Infektionsgefahr
Der Münchner Infektiologe Spinner hält das Tragen von FFP2-Masken nur bei erhöhter Ansteckungsgefahr für sinnvoll.
"Bei uns in Deutschland sollten eigentlich FFP-2-Masken nur dort zum Einsatz kommen, wo ein besonders hohes Risiko einer Aerosol-Bildung besteht. Also beispielsweise beim Umgang mit Sars-Corona-Virus-2-Patienten. Oder bei Verdachtspatienten.“ Christoph Spinner, Oberarzt an der Klinik und Poliklinik für Innere Medizin am Klinikum rechts der Isar der TU München
Alten- und Pflegeheime flächendeckend mit FFP2-Masken zu versorgen, wie es Bayern vorhat, ist also durchaus sinnvoll - im Gegensatz zur FFP2-Maskenpflicht in den Geschäften und im öffentlichen Nahverkehr.
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