Frühlingsgefühle – sind sie reine Einbildung oder auch wissenschaftlich nachweisbar? Und was genau sind eigentlich Frühlingsgefühle? Die Wissenschaftler Till Roenneberg, langjähriger Chronobiologe an der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU), und Stephan Petersenn, Endokrinologe und Androloge in Hamburg, erklären die Bedeutung von Frühlingsgefühlen für den Menschen, was dabei im Körper passiert und welche Ursachen sie haben.
Frühlingsgefühle: Gibt es sie überhaupt?
"Ja, und wie es die gibt", sagt Roenneberg. Der Begriff Frühlingsgefühle beschreibe "Veränderungen im Organismus im Frühjahr", erklärt Stephan Petersenn. Also den Einfluss von beispielsweise Tageslichtdauer und Außentemperatur auf die Reproduktionsfähigkeit, aber auch den Stoffwechsel, das Immunsystem und das Schlafverhalten.
"Neben dem Schlaf ist die wichtigste Funktion in der Biologie die Reproduktion", fasst Roenneberg die Bedeutung der Frühlingsgefühle für Mensch und Tier zusammen. "Die meisten Säugetiere haben die Reproduktion im Frühjahr", sagt er. Das galt laut dem Münchner Wissenschaftler zumindest vor einiger Zeit auch für den Menschen. Denn früher war es für Bauern und Landwirte besser, die Kinder im Winter zur Welt zu bringen, weil in dieser Jahreszeit weniger Arbeit anfiel. Entsprechend war es sinnvoll, die Kinder im Frühjahr zu zeugen, so zumindest eine Theorie. Aber das sei reine Spekulation, schränkt Roenneberg ein.
Und welche Bedeutung haben Frühlingsgefühle heute für den Menschen und seine Reproduktion? "In dem Maße, wie Licht- und Temperaturexposition in der modernen Zivilisation Jahreszeiten-unabhängiger wurden, haben die saisonalen Unterschiede nachgelassen. Dennoch gibt es Hinweise für eine Zunahme der Schwangerschaftsrate im Frühjahr, die zum Herbst hin abfällt", erklärt der Hamburger Endokrinologe Petersenn. Das zeigen auch Studien (externer Link).
Was bei Frühlingsgefühlen in unserem Körper passiert
Sexualhormone und Reproduktionsfähigkeit werden laut Petersenn in einem komplexen System von bestimmten Abschnitten des Gehirns, dem Hypothalamus und der Hypophyse, und den Keimdrüsen, also den Hoden beziehungsweise Eierstöcken, reguliert. "Die Aktivität dieser Achse von Gehirn zu den Geschlechtsorganen nimmt im Frühjahr und Sommer zu – das gilt für beide Geschlechter", erklärt der Mediziner. Diese saisonalen Schwankungen der Testosteron-Spiegel bei Männern und der Östrogen-Spiegel bei Frauen konnten ebenfalls in großen Studien (externer Link) nachgewiesen werden.
Der wesentliche Auslöser für Frühlingsgefühle sei Licht, sagt Petersenn. So spiele die Länge der täglichen Lichtexposition hier eine wichtige Rolle. "Diese wird durch neuronale Signale vom Auge zur Epiphyse übermittelt, die wiederum die nächtliche Melatonin-Ausschüttung reguliert", erläutert Petersenn. Melatonin ist ein wichtiger Regulator der Hypothalamus-Hypophysen-Keimdrüsen-Achse. Im Frühling sinkt die Konzentration des Melatonins. Im Gegenzug stimuliert die intensivere Sonneneinstrahlung das Hormon Serotonin. Das macht uns wacher und aktiver. "Aber wahrscheinlich gibt es auch eine Vielzahl anderer äußerer Faktoren", sagt Petersenn. So zum Beispiel die höheren Temperaturen oder die optischen Reize durch weniger Kleidung – für viele sicherlich auch ein Grund für Frühlingsgefühle.
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