Wird eine Geburt medizinisch herbeigeführt, spricht man von einer Geburtseinleitung. In Deutschland erlebt das jede fünfte Schwangere. Die Geburt bedeutet dann für werdende Eltern oftmals Stress.
Wann Geburten eingeleitet werden
Neben der Überschreitung des berechneten Geburtstermins können weitere Gründe für eine Geburtseinleitung sein: vorzeitiger Blasensprung, Schwangerschaftsdiabetes, abnorme Fruchtwassermenge oder Bluthochdruck der Mutter. All dies sind Risiken, die die Gesundheit von Mutter und Kind gefährden, wie die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e.V. (externer Link) 2020 in einer Leitlinie zusammengefasst hat.
Geburtstermin: Berechnung ab Empfängnis gefordert
Die Unternehmerin Natalie Rechberg-Egly stand selbst kurz vor einer Geburtseinleitung, als der errechnete Geburtstermin erreicht war. Aber Mutter und Kind ging es gut und es gab aus ihrer Sicht keinen Anlass dafür, Druck zu machen. Ihre Ärztin teilte mit, dass die Geburt in der Folgewoche eingeleitet werden soll. Rechberg-Egly bekam Angst, dass ihr Kind in Gefahr sein könnte. Sie strengte sich an, es auf die Welt zu bringen. Das Ergebnis: Anstatt entspannt auf das Kind zu warten, erlebte sie Tage voller Stress und Schmerzen.
Rechberg-Egly kritisiert daher die Berechnung des Geburtstermins und auch, dass in ihrem Fall die Meinung der Schwangeren nicht berücksichtigt wurde. "Ich meinte zu meiner Ärztin, dass ich ja weiß, wann ich empfangen habe, da ich ja meinen Zyklus checke und mit ihm auch die Schwangerschaft geplant habe. Sie reagierte darauf nicht und meinte zu mir, man wisse ja nicht, wann man empfängt. Und die Berechnung sei Vorgabe. Das hat mich sehr gewundert", erzählt Rechberg-Egly.
Die heute zweifache Mutter brachte zehn Tage später ein gesundes Kind zur Welt - ohne Geburtseinleitung. Die Unternehmerin spricht sich dafür aus, dass Frauen ihren Zyklus tracken, um den Tag der Empfängnis ermitteln zu können. Ausgehend davon könnte der Geburtstermin viel genauer bestimmt werden. Aktuell kann es zu Differenzen in der Berechnung von bis zu drei Wochen kommen.
So wird der Geburtstermin bisher berechnet
Bisher wird mithilfe der Naegele-Regel der Geburtstermin berechnet: Eine Schwangerschaft dauert in der Regel 40 Wochen. Der erste Tag der letzten Periode gilt dabei als erster Zyklustag. Das Startdatum der letzten Periode ist somit Ausgangspunkt für die Berechnung des Geburtstermins. Sowohl bei einem regelmäßigen als auch bei einem unregelmäßigen, etwa längerem Zyklus käme man so auf den errechneten Geburtstermin, erläutert die Frauenärztin Daniela Bach.
Die Naegele-Regel, die von dem Heidelberger Gynäkologen Franz Naegele im 19. Jahrhundert entwickelt worden sein soll, wurde bereits als zu ungenau erkannt. Man rechnet jetzt mittlerweile drei Tage plus/minus dazu, wenn eine Frau einen längeren Zyklus hat.
Diese Form der Berechnung des Geburtstermins sei jedoch nicht präzise genug und werde dem Eisprung nicht gerecht, kritisiert Rechberg-Egly. Die Unternehmerin hat einen Zykluscomputer zum Tracking des Zyklus und der fruchtbaren Tage entwickelt. Aus ihrer Sicht wäre es besser, den Geburtstermin mit der Lutealphase zu berechnen, das heißt mit dem Eisprung in der zweiten Zyklushälfte. Das bedeutet: Gerechnet wird ab dem Zeitpunkt der Befruchtung.
Risiken bei zu langer Schwangerschaft
Trotzdem steigt das Risiko für Mutter und Kind, wenn das Baby zu lange im Bauch ist. Frauenärztin Daniela Bach hält es daher für wichtiger, dass das Gesamtbild stimmt und dazu gehört neben der formelhaften Berechnung auch der Frühultraschall, also die Scheitelsteißlänge des Embryos in den frühsten Schwangerschaftswochen und die Wachstumskurve des Babys. Der errechnete Geburtstermin ist daher auch für Ärzte nur ein Richtwert. Erste Schritte müssen nur dann eingeleitet werden, wenn Mutter oder Kind nicht mehr ausreichend versorgt sind.
Von einer sogenannten Übertragung sprechen Mediziner, wenn bis zu zwei Wochen nach dem errechneten Geburtstermin noch immer keine Wehen beginnen. Ein mögliches Risiko: Das Kind im Bauch wird nicht mehr gut versorgt, wenn etwa die Gebärmutter ihre Arbeit einstellt, schlimmstenfalls stirbt das ungeborene Kind. Aber auch schon die Tatsache, dass Babys zu groß sind bei der Geburt, kann zu Komplikationen führen.
Hebammen fordern weniger Druck auf Schwangere
Ist ein Kind zu spät dran, wird in Krankenhäusern in der Regel schon sieben Tage nach Überschreiten des Geburtstermins eine Geburt eingeleitet.
Anders ist das im Geburtshaus in München (externer Link), das von Hebammen geleitet wird: Wenn es Mutter und Kind gut geht, wartet man dort mit der Geburtseinleitung bis zu vierzehn Tage nach dem errechnetem Termin. Das ist deutlich länger als in den Krankenhäusern. "Wenn ein Baby noch nicht bereit ist, dann geht es einfach nicht richtig los", sagt die Hebamme Ronja Storz. Sie wünscht sich weniger Druck bei der Geburt.
Denn der Druck, pünktlich zu gebären, erzeugt häufig Stress. Das kann dazu führen, dass sich Schwangere verkrampfen. Dann wird der Beckenboden fest und die Öffnung des Muttermundes verzögert sich. Förderlich für eine natürliche Geburt ist daher, "Druck herauszunehmen und eine Frau in die Entspannung zu bringen, damit die Hormone arbeiten können", erklärt die Hebamme.
Methoden und Risiken der Geburtseinleitung
Ist eine Geburtseinleitung unumgänglich, stehen unterschiedliche Methoden zur Geburtseinleitung (externer Link) zur Verfügung: Es gibt mechanische Methoden wie die Dehnungen des Muttermundes oder Medikamente mit Prostaglandinen. Als sogenannter Wehentropf wird eine Infusion mit dem Wirkstoff Oxytocin bezeichnet. Die unterschiedlichen Methoden werden unter strenger Überwachung angewendet. Trotzdem sind Geburtseinleitungen mit gewissen - wenn auch eher seltenen - Risiken wie Blutungen nach der Geburt verbunden. Auch ist das Risiko für einen Riss der Gebärmutter bei bestimmten Methoden etwas erhöht.
Geburtseinleitung: Für und Wider von Fall zu Fall abwägen
Das Für und Wider einer Geburtseinleitung müsse von Fall zu Fall abgewogen werden, meint die Gynäkologin Daniela Bach: "Es geht immer um die Sicherheit von Mutter und Kind und nicht darum, ein Datum X auf den Tag genau einzuhalten. Das ist ganz, ganz wichtig. Wir sollten auch individualisiert schauen, wie sich das Kind entwickelt, wie die Versorgung des Babys und die Fruchtwassermenge ist. Ist das Kind noch gut aufgestellt oder haben wir einen Handlungsbedarf?" Bach arbeitet mittlerweile nicht mehr als Frauenärztin, sondern bietet eine Glückssprechstunde für Fragen zur Frauengesundheit an. Sie möchte sich mehr Zeit nehmen für ihre Patientinnen und genau darum geht es im Grunde: Zeit.
Dass vor jeder Geburtseinleitung die Schwangeren ärztlich aufgeklärt und beraten werden, um eine gemeinsame Entscheidung zu treffen, empfiehlt auch die Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e.V.
Im Audio (15.12. 2020): Debatte um Medikament für Geburtseinleitung
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