Ein Bundesland im Ausnahmezustand: Nach Dauerregen und Hochwasser will sich Bundeskanzler Olaf Scholz am Samstag gemeinsam mit Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (beide SPD) im Saarland ein Bild von der Situation machen.
Die Hochwasserlage im Saarland entspannt sich sehr langsam. Die Pegel der Saar fallen seit dem Vormittag, allerdings steigen die Pegel an einigen anderen Flüssen noch weiter an. Besonders stark hat es in der Nacht den Landkreis Neunkirchen getroffen, Dämme brachen, die historische Altstadt von Ottweiler wurde komplett überflutet.
Über 3.000 Einsätze nach Dauerregen
Heftiger Dauerregen hatte in dem kleinen Bundesland im Westen Deutschlands am Freitag Überflutungen und Erdrutsche verursacht. Insgesamt mussten die Rettungskräfte wegen des Hochwassers zu mehr als 3.000 Einsätzen ausrücken. Nach bisherigen Kenntnissen sind bei dem schweren Unwetter keine Menschen ums Leben gekommen.
Der Deutsche Wetterdienst (DWD) maß stellenweise mehr als 100 Liter Regen pro Quadratmeter in nicht einmal 24 Stunden. Für diesen heftigen Regen seien Flüsse und Infrastruktur nicht ausgerichtet, sagte eine DWD-Meteorologin am Freitagabend. Zum Vergleich: Im gesamten vergangenen Monat April waren im Saarland rund 74 Liter Regen pro Quadratmeter gemessen worden – und dies war ein Sechstel mehr Niederschlag als normalerweise in dem Monat.
Schäden noch nicht absehbar
Das genaue Ausmaß der Schäden dürfte wohl erst mit Tageslicht sichtbar werden. Am Freitag und auch noch in der Nacht zum Samstag kämpfte fast das ganze Bundesland mit den Wassermassen. Auf Videos waren zur Hälfte überschwemmte Autos, im Hochwasser feststeckende Wohnwagen und zahlreiche überflutete Straßen zu sehen. Gebäude wurden notdürftig mit Sandsäcken geschützt, teilweise stehen ganze Straßenzüge unter Wasser.
Zahlreiche Straßen im Saarland sind weiterhin gesperrt, auch der Bahnverkehr ist nach Angaben der Deutschen Bahn eingeschränkt. Sie riet zunächst von nicht notwendigen Reisen ins Saarland ab. Es handele sich um ein Hochwasserereignis, wie es alle 20 bis 50 Jahre stattfinde, so das Landesamt für Umwelt- und Arbeitsschutz.
Die Landeshauptstadt Saarbrücken rief ebenso wie mehrere Kreise eine Großschadenslage aus. Mehrere Gebäude im Stadtgebiet mussten evakuiert werden. Die Stadt richtete Ausweichquartiere in Schulen und ein Bürgertelefon ein. "Wir haben überall Evakuierungen", sagte ein Sprecher des Lagezentrums in Saarbrücken. "Es regnet überall, landesweit."
Landesregierung kündigt Hilfen an
Noch am Freitagabend verkündete die Landesregierung, dass unkompliziert Hilfen möglich sein sollen. Dazu erklärte der Ministerrat den Starkregen zum Elementarereignis überörtlicher Bedeutung. Damit können laut Staatskanzlei Hilfen des Landes fließen. Zudem könnten Kommunen wegen der außergewöhnlichen Notsituation von Regelungen des Haushaltsausgleichs abweichen.
Rehlinger sagte: "Es soll niemand im Regen stehen bei dieser schwierigen Lage." Rehlinger sprach von der schwierigsten Lage seit dem Hochwasser vor mehr als 30 Jahren im Saarland, dem "Jahrhunderthochwasser".
Scholz im Saarland: "Wir haben eine gute Praxis der Solidarität"
Auch Scholz hat dem Saarland die Solidarität des Bundes versichert. Der SPD-Politiker sagte am Samstag in Kleinblittersdorf, es stehe nun die akute Hilfe im Vordergrund. Wenn die unmittelbare Not- und Gefahrenlage zurückgegangen sei, werde es darum gehen, dass man miteinander verabrede, was zu tun sei, um denjenigen, die in Not geraten seien, zu helfen. "Wir haben da eine gute Praxis der Solidarität", sagte der Kanzler.
"Leider ist das ja hier nicht das erste Mal, dass wir eine große Naturkatastrophe zu bewältigen haben und deshalb werden wir natürlich schauen, was hier jetzt zu tun ist und was notwendig ist", sagte Scholz. "Alle können sich darauf verlassen, dass das im besten Sinne geschieht."
Scholz, der Gummistiefel trug, ging über eine überflutete Straße und sprach mit Betroffenen. Er hatte in Saarbrücken ursprünglich eine Dialogveranstaltung mit rund 400 Bürgern zur Europa- und Kommunalwahl am 9. Juni geplant.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser dankt den Einsatzkräften
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat den ehren- und hauptamtlichen Einsatzkräften in den Flutgebieten insbesondere im Saarland gedankt. Rund 850 Einsatzkräfte des Technischen Hilfswerks (THW) seien gemeinsam mit mehreren tausend Kräften aus dem Land unermüdlich im Einsatz, erklärte Faeser am Samstag in Berlin. "Der Bund unterstützt insbesondere das Saarland mit starken Kräften, um nach den schweren Überflutungen Menschenleben zu schützen und die Zerstörung durch die Wassermassen so weit wie möglich zu begrenzen." Sie stehe mit Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) in Kontakt.
Bayerische Wasserrettungskräfte unterwegs
Aus den anderen Bundesländern kommt Hilfe für das Saarland: In der Nacht zum Samstag ist ein Wasserrettungszug aus Bayern nach Saarlouis aufgebrochen. Die Wasserrettungskräfte aus Schwaben werden am Samstagmorgen im Einsatzgebiet erwartet, wie das Bayerische Rote Kreuz mitteilte. Die Kräfte wurden demnach zur Rettung und Evakuierung von Menschen aus Gebäuden und Fahrzeugen angefordert. Der Wasserrettungszug besteht den Angaben nach aus Boots- und Tauchtrupps mit mindestens 32 Einsatzkräften.
Das Technische Hilfswerk (THW) Bayern schickt insgesamt 50 Einsatzkräfte mit Wasserpumpen und Stromaggregaten ins Saarland. Dazu zählen die Ortsverbände in Alzenau, Lohr am Main, Obernburg am Main, Ochsenfurt, Marktheidenfeld und Simbach am Inn. Unter den Einsatzkräften sind Experten für die Elektroversorgung sowie eine Fachgruppe Wasserschaden/Pumpen. Zuvor hatte das Saarland das THW Bayern um Hilfe gebeten.
Unwetterwarnungen aufgehoben
Der DWD hob am frühen Samstagmorgen alle Unwetterwarnungen in Deutschland auf. Damit gelten auch für das Saarland keine Unwetterwarnungen mehr.
An vielen Messpunkten im Saarland gehen die Pegelstände laut Landesamt für Umwelt- und Arbeitsschutz langsam nach unten. An anderen Stellen jedoch – etwa an der Blies in Reinheim und Blieskastel – werden weiter steigende Pegel erwartet.
An der Saar werden die Pegelstände laut dem ARD-Wetterkompetenzzentrum nur langsam zurückgehen – eine deutliche Entspannung wird es wohl erst in der kommenden Nacht und am Sonntag geben.
Weiter Hochwasser-Alarmstufe Rot im Grenzgebiet
Wegen starker Regenfälle herrscht jedoch in der französischen Region Moselle in Lothringen weiterhin Alarmstufe Rot für Überschwemmungen. Der Wetterdienst Metéo France berichtete am Samstag von "außergewöhnlichem Hochwasser" des Saar-Nebenflusses Nied und von "starkem Hochwasser" an mehreren Flüssen im Nordosten der Region an der Grenze zu Deutschland. Im Department Bas-Rhin rund um Straßburg herrscht demnach Warnstufe Orange, also die zweithöchste Stufe.
Der Hochwasserdienst Vigicrues teilte am Samstag mit, dass die "bemerkenswerte Regenperiode" in den Departements Moselle, Meurthe-et-Moselle und Bas-Rhin zwar vorbei sei. "Dennoch werden die Pegel an den meisten Flüssen in diesem Gebiet weiter ansteigen."
Mit Informationen von dpa und KNA
Zum Video: Hochwasser nach Dauerregen - Ausnahmezustand im Saarland
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